Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.lautete das Erkenntniß: In Erwägung, daß er das ihm anvertraute Amt Aehnliches theilt das Buch aus Unterwald en mit. Auch in den.beiden Der Verbannung gegenüber steht die Eingrenzung. 1854 wurde Johann lautete das Erkenntniß: In Erwägung, daß er das ihm anvertraute Amt Aehnliches theilt das Buch aus Unterwald en mit. Auch in den.beiden Der Verbannung gegenüber steht die Eingrenzung. 1854 wurde Johann <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114818"/> <p xml:id="ID_1973" prev="#ID_1972"> lautete das Erkenntniß: In Erwägung, daß er das ihm anvertraute Amt<lb/> eigenmächtig einem Fremden überlassen habe, sei es Recht, daß er dieses Amt<lb/> verliere. Aber in weiterer Erwägung, daß den Bitten des Herrn S. in<lb/> Appenzell niemand widerstehen könne, wolle man Gnade für Recht ergehen<lb/> lassen, eine Wiederholung der Art jedoch strenger Ahndung vorbehalten."</p><lb/> <p xml:id="ID_1974"> Aehnliches theilt das Buch aus Unterwald en mit. Auch in den.beiden<lb/> Halbcantonen Ob- und Nidwalden hat die Rechtspflege noch eine sehr antike<lb/> Färbung, die große Reform des strafgerichtlichen Verfahrens, die in andern<lb/> Theilen der Schweiz Eingang gefunden hat. blieb hier unbekannt, und die<lb/> hiesige Beweislehre enthält daher bedenkliche Stücke. Dem Scharfrichter spricht<lb/> noch eine Taxordnung von 1839 „für sein Erscheinen bei dem Examen eines<lb/> Jnhaftirten" 30 Schillinge zu, und dasselbe bewilligt die Taxvrdnung vom<lb/> nächstfolgenden Jahre „für das Ausstreichen mit Ruthen im Folterstüble" und<lb/> „für das Haarabschneiden". Diese scharfe Examenpraxis reicht bis in die<lb/> neueste Zeit. In einem Protokoll von 1855 heißt es: „Bei des Inquisiten Vor¬<lb/> führen ins Examen wird der Prvfosj vorgestellt", dann: „Inquisit wird<lb/> im Folterstüble mit 10 Ruthenstreichen gezüchtigt, nachher wieder vorgeführt.<lb/> Jetzt wird ihm eröffnet, wenn er nicht aufrichtiger sein wolle, so müsse er aber¬<lb/> mals ins Folterstüble abgeführt und mit Strenge behandelt werden." Einem<lb/> solchen Verfahren entspricht auch das materielle Strafrecht. Kein Land auf<lb/> deutscher Erde, das eine Antiquität juristischen Bereichs wie diese auszuweisen<lb/> hätte. Die Strafmittel sind großentheils Kirchenstrafen, und wo irgend eine<lb/> schwere Strafe verhängt wird, fehlt es nicht an einer kirchlichen Zulage. Sieht<lb/> man ein derartiges Erkenntniß an, so erscheint es wegen der Menge der neben<lb/> einander zur Anwendung kommenden Strafen streng, und doch sind letztere in<lb/> weit kürzerer Zeit zu verbüßen, als die auf dasselbe Vergehen gesetzten in einem<lb/> Staat, der wie das benachbarte Luzern ein Strafgesetzbuch des neunzehnten<lb/> Jahrhunderts besitzt. Der Contrast der beiden Cantone ist in dieser Hinsicht<lb/> ungeheuer. Auf Zuchthäuser als Besserungsanstalten sind die Unterwaldner<lb/> nicht eingerichtet, und zum Ernährer fremder Verbrecher, über die bei ihnen<lb/> geurtheilt werden muß, halten sie sich nicht für verpflichtet. ,Sie helfen sich<lb/> in solchen Fällen einfach mit Verbannungsdecretcn. welche wohlfeile Strafe bis¬<lb/> weilen auch auf Cantonsangehörige angewendet wird. So wies man 1854 einen<lb/> Züricher wegen qualisicirten Diebstahls auf Lebenszeit aus Obwalten, so ver¬<lb/> wies man in demselben Jahre einen Luzerner Knaben wegen grober Unzucht<lb/> auf fünfzehn Jahre aus dem Canton, und so verhängte man über Franz Lüt-<lb/> hold von Alpnacht (in Unterwalden) wegen Diebstahls mit Einbruch Cantons-<lb/> verweisung auf sechs und Ehrlosigkeit auf zehn Jahre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1975" next="#ID_1976"> Der Verbannung gegenüber steht die Eingrenzung. 1854 wurde Johann<lb/> Bahl, Sohn des Melchior, wohnhaft gewesen in Giswyl, wegen Diebstahls</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
lautete das Erkenntniß: In Erwägung, daß er das ihm anvertraute Amt
eigenmächtig einem Fremden überlassen habe, sei es Recht, daß er dieses Amt
verliere. Aber in weiterer Erwägung, daß den Bitten des Herrn S. in
Appenzell niemand widerstehen könne, wolle man Gnade für Recht ergehen
lassen, eine Wiederholung der Art jedoch strenger Ahndung vorbehalten."
Aehnliches theilt das Buch aus Unterwald en mit. Auch in den.beiden
Halbcantonen Ob- und Nidwalden hat die Rechtspflege noch eine sehr antike
Färbung, die große Reform des strafgerichtlichen Verfahrens, die in andern
Theilen der Schweiz Eingang gefunden hat. blieb hier unbekannt, und die
hiesige Beweislehre enthält daher bedenkliche Stücke. Dem Scharfrichter spricht
noch eine Taxordnung von 1839 „für sein Erscheinen bei dem Examen eines
Jnhaftirten" 30 Schillinge zu, und dasselbe bewilligt die Taxvrdnung vom
nächstfolgenden Jahre „für das Ausstreichen mit Ruthen im Folterstüble" und
„für das Haarabschneiden". Diese scharfe Examenpraxis reicht bis in die
neueste Zeit. In einem Protokoll von 1855 heißt es: „Bei des Inquisiten Vor¬
führen ins Examen wird der Prvfosj vorgestellt", dann: „Inquisit wird
im Folterstüble mit 10 Ruthenstreichen gezüchtigt, nachher wieder vorgeführt.
Jetzt wird ihm eröffnet, wenn er nicht aufrichtiger sein wolle, so müsse er aber¬
mals ins Folterstüble abgeführt und mit Strenge behandelt werden." Einem
solchen Verfahren entspricht auch das materielle Strafrecht. Kein Land auf
deutscher Erde, das eine Antiquität juristischen Bereichs wie diese auszuweisen
hätte. Die Strafmittel sind großentheils Kirchenstrafen, und wo irgend eine
schwere Strafe verhängt wird, fehlt es nicht an einer kirchlichen Zulage. Sieht
man ein derartiges Erkenntniß an, so erscheint es wegen der Menge der neben
einander zur Anwendung kommenden Strafen streng, und doch sind letztere in
weit kürzerer Zeit zu verbüßen, als die auf dasselbe Vergehen gesetzten in einem
Staat, der wie das benachbarte Luzern ein Strafgesetzbuch des neunzehnten
Jahrhunderts besitzt. Der Contrast der beiden Cantone ist in dieser Hinsicht
ungeheuer. Auf Zuchthäuser als Besserungsanstalten sind die Unterwaldner
nicht eingerichtet, und zum Ernährer fremder Verbrecher, über die bei ihnen
geurtheilt werden muß, halten sie sich nicht für verpflichtet. ,Sie helfen sich
in solchen Fällen einfach mit Verbannungsdecretcn. welche wohlfeile Strafe bis¬
weilen auch auf Cantonsangehörige angewendet wird. So wies man 1854 einen
Züricher wegen qualisicirten Diebstahls auf Lebenszeit aus Obwalten, so ver¬
wies man in demselben Jahre einen Luzerner Knaben wegen grober Unzucht
auf fünfzehn Jahre aus dem Canton, und so verhängte man über Franz Lüt-
hold von Alpnacht (in Unterwalden) wegen Diebstahls mit Einbruch Cantons-
verweisung auf sechs und Ehrlosigkeit auf zehn Jahre.
Der Verbannung gegenüber steht die Eingrenzung. 1854 wurde Johann
Bahl, Sohn des Melchior, wohnhaft gewesen in Giswyl, wegen Diebstahls
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