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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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durften selbst auf dem Marsfeld nicht erbaut werden. Rom zählte allein 1780
jener umfangreichen Paläste, die man Inseln nannte; die Armuth war unschick¬
lich und gehörte dem christlichen.wicht dem heidnischen Rom an. (j? d. R.) So lange
Rom reich war, hatte das Heidenthum die Oberhand, und wollte die Kirche auf
die Vornehmen wirken, so mußte sie sich mit der Pracht vermählen; allein auch
der Aermste konnte mit einem Luxus leben, wie sonst nirgends. Umsonst setzte
er seinen Fuß in die Wunderbauten der Welt, die für ihn, das Mitglied des
erdbeherrschenden Volkes, geschaffen waren; umsonst weidete er sein Auge an
den blutigen Hinrichtungen der Thier- und Menschengefechte; umsonst erfreute er
sich an Nero's nächtlichen Cirken, wo die gepfählten und in Pech getränkten
Christen als Fackeln brannten; umsonst badete er in schattiger Kühlung unter
den Säulenhallen; für ihn verwendeten die Vornehmen ungeheure Summen zu
Kornankäufen.

So war Rom, die Stadt, die nach einander die Beinamen: patrig, com-
mumsquö urbs, maxima, an^usta, venerabiliZ, aeterns., endlich urbs
ZÄnetissima erhielt, sie, die jetzt vergeblich danach ringt, die Hauptstadt
Italiens zu werden. Dreizehnmal ist die alte Stadt der Cäsaren ver¬
wüstet.' mehre Male von ihren Einwohnern gänzlich verlassen worden. Zur
Zeit Martins des Fünften im Anfang des 14. Jahrhunderts zählte sie kaum
17,000 Einwohner; in den Kirchen wuchs das Gras; in ihnen und auf dem Capi-
tol weideten Ziegenheerden. Erst seit dem 15. und 16. Jahrhundert hat man an¬
gefangen an der Erhaltung und Restauration der Ueberbleivsel aus der Römer¬
zeit zu arbeiten, und damals wurden die berühmtesten Baumeister und Künstler
herbeigezogen. Wenige Zeiten sind für die Schönheit der Form so empfänglich
und so productiv gewesen, wie diese, wo große Päpste wie Julius der Zweite,
Leo der Zehnte, Sixtus der Fünfte von dem Genie eines Raphael, Michel
Angelo, Bramante, Fontana :c. unterstützt wurden, wo jedes Pontiflcat
durch schnelle Erhebung einer neuen Familie gekennzeichnet wurde, die auf Kosten
der Kirche und des Landes bereichert, ihre Schätze zur Erbauung prächtiger
Paläste, zur Verschönerung der Stadt verwendeten. Rom ist stets ein religiöser
Mittelpunkt gewesen. Als Romulus es gründete, bestimmteer V" des Grund
und Bodens dem Dienste der Götter; jede bürgerliche Einrichtung, jede wich¬
tige staatliche Unternehmung wurde vorbereitet und begleitet von religiösen
Gebräuchen; die Priester gehörten der Aristokratie an, und die Würde eines
Pontifex maximus war eine so erhabene, daß der kluge Augustus sie für sich selbst
in Anspruch nahm, als er in seinen Händen die bürgerliche und militärische Macht
des Staates vereinigte. Aus dem heidnischen Pontifex maximus ward ein christ¬
licher; die Macht, welche die Welt mit dem Schwerte bezwang, ist seit 15 Jahr¬
hunderten umgewandelt in eine geistige und dehnt sich aus von Pol zu Pol,
und derjenige, welcher sie zur Stunde ausübt, windet sich wie Laokoon mit


durften selbst auf dem Marsfeld nicht erbaut werden. Rom zählte allein 1780
jener umfangreichen Paläste, die man Inseln nannte; die Armuth war unschick¬
lich und gehörte dem christlichen.wicht dem heidnischen Rom an. (j? d. R.) So lange
Rom reich war, hatte das Heidenthum die Oberhand, und wollte die Kirche auf
die Vornehmen wirken, so mußte sie sich mit der Pracht vermählen; allein auch
der Aermste konnte mit einem Luxus leben, wie sonst nirgends. Umsonst setzte
er seinen Fuß in die Wunderbauten der Welt, die für ihn, das Mitglied des
erdbeherrschenden Volkes, geschaffen waren; umsonst weidete er sein Auge an
den blutigen Hinrichtungen der Thier- und Menschengefechte; umsonst erfreute er
sich an Nero's nächtlichen Cirken, wo die gepfählten und in Pech getränkten
Christen als Fackeln brannten; umsonst badete er in schattiger Kühlung unter
den Säulenhallen; für ihn verwendeten die Vornehmen ungeheure Summen zu
Kornankäufen.

So war Rom, die Stadt, die nach einander die Beinamen: patrig, com-
mumsquö urbs, maxima, an^usta, venerabiliZ, aeterns., endlich urbs
ZÄnetissima erhielt, sie, die jetzt vergeblich danach ringt, die Hauptstadt
Italiens zu werden. Dreizehnmal ist die alte Stadt der Cäsaren ver¬
wüstet.' mehre Male von ihren Einwohnern gänzlich verlassen worden. Zur
Zeit Martins des Fünften im Anfang des 14. Jahrhunderts zählte sie kaum
17,000 Einwohner; in den Kirchen wuchs das Gras; in ihnen und auf dem Capi-
tol weideten Ziegenheerden. Erst seit dem 15. und 16. Jahrhundert hat man an¬
gefangen an der Erhaltung und Restauration der Ueberbleivsel aus der Römer¬
zeit zu arbeiten, und damals wurden die berühmtesten Baumeister und Künstler
herbeigezogen. Wenige Zeiten sind für die Schönheit der Form so empfänglich
und so productiv gewesen, wie diese, wo große Päpste wie Julius der Zweite,
Leo der Zehnte, Sixtus der Fünfte von dem Genie eines Raphael, Michel
Angelo, Bramante, Fontana :c. unterstützt wurden, wo jedes Pontiflcat
durch schnelle Erhebung einer neuen Familie gekennzeichnet wurde, die auf Kosten
der Kirche und des Landes bereichert, ihre Schätze zur Erbauung prächtiger
Paläste, zur Verschönerung der Stadt verwendeten. Rom ist stets ein religiöser
Mittelpunkt gewesen. Als Romulus es gründete, bestimmteer V» des Grund
und Bodens dem Dienste der Götter; jede bürgerliche Einrichtung, jede wich¬
tige staatliche Unternehmung wurde vorbereitet und begleitet von religiösen
Gebräuchen; die Priester gehörten der Aristokratie an, und die Würde eines
Pontifex maximus war eine so erhabene, daß der kluge Augustus sie für sich selbst
in Anspruch nahm, als er in seinen Händen die bürgerliche und militärische Macht
des Staates vereinigte. Aus dem heidnischen Pontifex maximus ward ein christ¬
licher; die Macht, welche die Welt mit dem Schwerte bezwang, ist seit 15 Jahr¬
hunderten umgewandelt in eine geistige und dehnt sich aus von Pol zu Pol,
und derjenige, welcher sie zur Stunde ausübt, windet sich wie Laokoon mit


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[0488] durften selbst auf dem Marsfeld nicht erbaut werden. Rom zählte allein 1780 jener umfangreichen Paläste, die man Inseln nannte; die Armuth war unschick¬ lich und gehörte dem christlichen.wicht dem heidnischen Rom an. (j? d. R.) So lange Rom reich war, hatte das Heidenthum die Oberhand, und wollte die Kirche auf die Vornehmen wirken, so mußte sie sich mit der Pracht vermählen; allein auch der Aermste konnte mit einem Luxus leben, wie sonst nirgends. Umsonst setzte er seinen Fuß in die Wunderbauten der Welt, die für ihn, das Mitglied des erdbeherrschenden Volkes, geschaffen waren; umsonst weidete er sein Auge an den blutigen Hinrichtungen der Thier- und Menschengefechte; umsonst erfreute er sich an Nero's nächtlichen Cirken, wo die gepfählten und in Pech getränkten Christen als Fackeln brannten; umsonst badete er in schattiger Kühlung unter den Säulenhallen; für ihn verwendeten die Vornehmen ungeheure Summen zu Kornankäufen. So war Rom, die Stadt, die nach einander die Beinamen: patrig, com- mumsquö urbs, maxima, an^usta, venerabiliZ, aeterns., endlich urbs ZÄnetissima erhielt, sie, die jetzt vergeblich danach ringt, die Hauptstadt Italiens zu werden. Dreizehnmal ist die alte Stadt der Cäsaren ver¬ wüstet.' mehre Male von ihren Einwohnern gänzlich verlassen worden. Zur Zeit Martins des Fünften im Anfang des 14. Jahrhunderts zählte sie kaum 17,000 Einwohner; in den Kirchen wuchs das Gras; in ihnen und auf dem Capi- tol weideten Ziegenheerden. Erst seit dem 15. und 16. Jahrhundert hat man an¬ gefangen an der Erhaltung und Restauration der Ueberbleivsel aus der Römer¬ zeit zu arbeiten, und damals wurden die berühmtesten Baumeister und Künstler herbeigezogen. Wenige Zeiten sind für die Schönheit der Form so empfänglich und so productiv gewesen, wie diese, wo große Päpste wie Julius der Zweite, Leo der Zehnte, Sixtus der Fünfte von dem Genie eines Raphael, Michel Angelo, Bramante, Fontana :c. unterstützt wurden, wo jedes Pontiflcat durch schnelle Erhebung einer neuen Familie gekennzeichnet wurde, die auf Kosten der Kirche und des Landes bereichert, ihre Schätze zur Erbauung prächtiger Paläste, zur Verschönerung der Stadt verwendeten. Rom ist stets ein religiöser Mittelpunkt gewesen. Als Romulus es gründete, bestimmteer V» des Grund und Bodens dem Dienste der Götter; jede bürgerliche Einrichtung, jede wich¬ tige staatliche Unternehmung wurde vorbereitet und begleitet von religiösen Gebräuchen; die Priester gehörten der Aristokratie an, und die Würde eines Pontifex maximus war eine so erhabene, daß der kluge Augustus sie für sich selbst in Anspruch nahm, als er in seinen Händen die bürgerliche und militärische Macht des Staates vereinigte. Aus dem heidnischen Pontifex maximus ward ein christ¬ licher; die Macht, welche die Welt mit dem Schwerte bezwang, ist seit 15 Jahr¬ hunderten umgewandelt in eine geistige und dehnt sich aus von Pol zu Pol, und derjenige, welcher sie zur Stunde ausübt, windet sich wie Laokoon mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/488>, abgerufen am 02.10.2024.