Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

behaupten, daß er von Fenajer (schlechtes Haus) abzuleiten sei, und in An¬
betracht des nichtswürdigen Charakters der Einwohner darf man letztere Ansicht
, für die richtigere halten."

Der Patriarch von Konstantinopel, dem die Bulgaren als dem Oberhaupt
der morgenländischen orthodoxen Kirche untergeben waren, sandte denselben als
Bischöfe nur geborne Griechen, die weder die Sprache, noch die Sitten des
Volks kannten, dem sie hätten Lehrer und Tröster sein sollen, und die zum
großen Theil nicht einmal in ihrer eignen Sprache Bildung genossen hatten. /
Es waren rohe Gesellen, nur in Ränken und Schlichen aller Art wohlerfahren,
ohne Herz für die ihrer geistlichen Fürsorge Empfohlenen, ohne ein wesentlich
anderes Interesse als das ihres' unersättlichen Geldbeutels, den sie ganz mit
denselben niedrigen Mitteln und wo möglich mit noch größerer Rücksichtslosig¬
keit als die türkischen Blutsauger auf Kosten des Volkes zu füllen bemüht wa¬
ren. Von Schulen war unter ihrem'Regiment kaum die Rede, ja sie unter¬
drückten geflissentlich jede aufkeimende Regung nach dem Erwerb von Kenntnissen.
Vor allem aber bestrebten sie sich, die Reste einer bulgarischen Nationalität
und alles, was ein Wiederaufleben derselben hoffen -- in ihrem Sinne fürch¬
ten -- ließ, alles, was an einstige Macht und Bedeutung des Volkes erinnerte,
zu vernichten und das Land zu gräcisiren, für welche letztere Bestrebung sie
in neuester Zeit das Recht daher ableiten, daß manche Städte in Bulgarien,
wie Adrianopel, Philippopel und Nikopel, griechische Namen haben. Sie ar¬
beiteten damit ganz zum Vortheil des Sultans, dem die höhere griechische Geist¬
lichkeit in der Türkei mit Ausnahme einer kurzen Periode immer ergeben war,
und dem Bildung und Selbstgefühl der Bulgaren in diesen ebenso gefährliche
Feinde schaffen mußten, als in den Serben. Und sie wirkten damit nicht we¬
niger zu ihrem eignen Nutzen, da jene Eigenschaften nicht geduldet haben wür¬
den, daß man fortfuhr, dem Volke Bulgariens Fremde zu Bischöfen aufzu¬
dringen, die noch überdies unwissend, tyrannisch und fast ohne Ausnahme
lasterhaft waren.

In welcher nichtswürdigen Weise diese christlichen Satrapen des Padischcch
noch in neuester Zeit gegen die bulgarischen Alterthümer verfuhren, mögen
zwei Beispiele unter vielen andeuten.

In einer Kirche zu Ternowo, der einstigen Residenz der bulgarischen Herr¬
scher, entdeckte vor etwa zwanzig Jahren ein Geistlicher ein bis dahin unbe¬
kannt gewesenes Gewölbe. Er zeigte seinen Fund dem Metropoliten an, und
die Untersuchung des Gemachs ergab, daß es mit einer großen Menge alter
Handschriften auf Pergament angefüllt war. Man hätte nun glauben sollen,
daß diese Manuscripte sorgfältig aufgehoben und einer Untersuchung unterworfen
worden wären. Ganz anders der Metropolit. Unter dem Vorwand, es seien
heidnische Bücher, ließ er sofort den gesammten Inhalt des Gewölbes ver-


Grenzbotcn III. 1862. 59

behaupten, daß er von Fenajer (schlechtes Haus) abzuleiten sei, und in An¬
betracht des nichtswürdigen Charakters der Einwohner darf man letztere Ansicht
, für die richtigere halten."

Der Patriarch von Konstantinopel, dem die Bulgaren als dem Oberhaupt
der morgenländischen orthodoxen Kirche untergeben waren, sandte denselben als
Bischöfe nur geborne Griechen, die weder die Sprache, noch die Sitten des
Volks kannten, dem sie hätten Lehrer und Tröster sein sollen, und die zum
großen Theil nicht einmal in ihrer eignen Sprache Bildung genossen hatten. /
Es waren rohe Gesellen, nur in Ränken und Schlichen aller Art wohlerfahren,
ohne Herz für die ihrer geistlichen Fürsorge Empfohlenen, ohne ein wesentlich
anderes Interesse als das ihres' unersättlichen Geldbeutels, den sie ganz mit
denselben niedrigen Mitteln und wo möglich mit noch größerer Rücksichtslosig¬
keit als die türkischen Blutsauger auf Kosten des Volkes zu füllen bemüht wa¬
ren. Von Schulen war unter ihrem'Regiment kaum die Rede, ja sie unter¬
drückten geflissentlich jede aufkeimende Regung nach dem Erwerb von Kenntnissen.
Vor allem aber bestrebten sie sich, die Reste einer bulgarischen Nationalität
und alles, was ein Wiederaufleben derselben hoffen — in ihrem Sinne fürch¬
ten — ließ, alles, was an einstige Macht und Bedeutung des Volkes erinnerte,
zu vernichten und das Land zu gräcisiren, für welche letztere Bestrebung sie
in neuester Zeit das Recht daher ableiten, daß manche Städte in Bulgarien,
wie Adrianopel, Philippopel und Nikopel, griechische Namen haben. Sie ar¬
beiteten damit ganz zum Vortheil des Sultans, dem die höhere griechische Geist¬
lichkeit in der Türkei mit Ausnahme einer kurzen Periode immer ergeben war,
und dem Bildung und Selbstgefühl der Bulgaren in diesen ebenso gefährliche
Feinde schaffen mußten, als in den Serben. Und sie wirkten damit nicht we¬
niger zu ihrem eignen Nutzen, da jene Eigenschaften nicht geduldet haben wür¬
den, daß man fortfuhr, dem Volke Bulgariens Fremde zu Bischöfen aufzu¬
dringen, die noch überdies unwissend, tyrannisch und fast ohne Ausnahme
lasterhaft waren.

In welcher nichtswürdigen Weise diese christlichen Satrapen des Padischcch
noch in neuester Zeit gegen die bulgarischen Alterthümer verfuhren, mögen
zwei Beispiele unter vielen andeuten.

In einer Kirche zu Ternowo, der einstigen Residenz der bulgarischen Herr¬
scher, entdeckte vor etwa zwanzig Jahren ein Geistlicher ein bis dahin unbe¬
kannt gewesenes Gewölbe. Er zeigte seinen Fund dem Metropoliten an, und
die Untersuchung des Gemachs ergab, daß es mit einer großen Menge alter
Handschriften auf Pergament angefüllt war. Man hätte nun glauben sollen,
daß diese Manuscripte sorgfältig aufgehoben und einer Untersuchung unterworfen
worden wären. Ganz anders der Metropolit. Unter dem Vorwand, es seien
heidnische Bücher, ließ er sofort den gesammten Inhalt des Gewölbes ver-


Grenzbotcn III. 1862. 59
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114787"/>
          <p xml:id="ID_1856" prev="#ID_1855"> behaupten, daß er von Fenajer (schlechtes Haus) abzuleiten sei, und in An¬<lb/>
betracht des nichtswürdigen Charakters der Einwohner darf man letztere Ansicht<lb/>
, für die richtigere halten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1857"> Der Patriarch von Konstantinopel, dem die Bulgaren als dem Oberhaupt<lb/>
der morgenländischen orthodoxen Kirche untergeben waren, sandte denselben als<lb/>
Bischöfe nur geborne Griechen, die weder die Sprache, noch die Sitten des<lb/>
Volks kannten, dem sie hätten Lehrer und Tröster sein sollen, und die zum<lb/>
großen Theil nicht einmal in ihrer eignen Sprache Bildung genossen hatten. /<lb/>
Es waren rohe Gesellen, nur in Ränken und Schlichen aller Art wohlerfahren,<lb/>
ohne Herz für die ihrer geistlichen Fürsorge Empfohlenen, ohne ein wesentlich<lb/>
anderes Interesse als das ihres' unersättlichen Geldbeutels, den sie ganz mit<lb/>
denselben niedrigen Mitteln und wo möglich mit noch größerer Rücksichtslosig¬<lb/>
keit als die türkischen Blutsauger auf Kosten des Volkes zu füllen bemüht wa¬<lb/>
ren. Von Schulen war unter ihrem'Regiment kaum die Rede, ja sie unter¬<lb/>
drückten geflissentlich jede aufkeimende Regung nach dem Erwerb von Kenntnissen.<lb/>
Vor allem aber bestrebten sie sich, die Reste einer bulgarischen Nationalität<lb/>
und alles, was ein Wiederaufleben derselben hoffen &#x2014; in ihrem Sinne fürch¬<lb/>
ten &#x2014; ließ, alles, was an einstige Macht und Bedeutung des Volkes erinnerte,<lb/>
zu vernichten und das Land zu gräcisiren, für welche letztere Bestrebung sie<lb/>
in neuester Zeit das Recht daher ableiten, daß manche Städte in Bulgarien,<lb/>
wie Adrianopel, Philippopel und Nikopel, griechische Namen haben. Sie ar¬<lb/>
beiteten damit ganz zum Vortheil des Sultans, dem die höhere griechische Geist¬<lb/>
lichkeit in der Türkei mit Ausnahme einer kurzen Periode immer ergeben war,<lb/>
und dem Bildung und Selbstgefühl der Bulgaren in diesen ebenso gefährliche<lb/>
Feinde schaffen mußten, als in den Serben. Und sie wirkten damit nicht we¬<lb/>
niger zu ihrem eignen Nutzen, da jene Eigenschaften nicht geduldet haben wür¬<lb/>
den, daß man fortfuhr, dem Volke Bulgariens Fremde zu Bischöfen aufzu¬<lb/>
dringen, die noch überdies unwissend, tyrannisch und fast ohne Ausnahme<lb/>
lasterhaft waren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1858"> In welcher nichtswürdigen Weise diese christlichen Satrapen des Padischcch<lb/>
noch in neuester Zeit gegen die bulgarischen Alterthümer verfuhren, mögen<lb/>
zwei Beispiele unter vielen andeuten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1859" next="#ID_1860"> In einer Kirche zu Ternowo, der einstigen Residenz der bulgarischen Herr¬<lb/>
scher, entdeckte vor etwa zwanzig Jahren ein Geistlicher ein bis dahin unbe¬<lb/>
kannt gewesenes Gewölbe. Er zeigte seinen Fund dem Metropoliten an, und<lb/>
die Untersuchung des Gemachs ergab, daß es mit einer großen Menge alter<lb/>
Handschriften auf Pergament angefüllt war. Man hätte nun glauben sollen,<lb/>
daß diese Manuscripte sorgfältig aufgehoben und einer Untersuchung unterworfen<lb/>
worden wären. Ganz anders der Metropolit. Unter dem Vorwand, es seien<lb/>
heidnische Bücher, ließ er sofort den gesammten Inhalt des Gewölbes ver-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotcn III. 1862. 59</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0473] behaupten, daß er von Fenajer (schlechtes Haus) abzuleiten sei, und in An¬ betracht des nichtswürdigen Charakters der Einwohner darf man letztere Ansicht , für die richtigere halten." Der Patriarch von Konstantinopel, dem die Bulgaren als dem Oberhaupt der morgenländischen orthodoxen Kirche untergeben waren, sandte denselben als Bischöfe nur geborne Griechen, die weder die Sprache, noch die Sitten des Volks kannten, dem sie hätten Lehrer und Tröster sein sollen, und die zum großen Theil nicht einmal in ihrer eignen Sprache Bildung genossen hatten. / Es waren rohe Gesellen, nur in Ränken und Schlichen aller Art wohlerfahren, ohne Herz für die ihrer geistlichen Fürsorge Empfohlenen, ohne ein wesentlich anderes Interesse als das ihres' unersättlichen Geldbeutels, den sie ganz mit denselben niedrigen Mitteln und wo möglich mit noch größerer Rücksichtslosig¬ keit als die türkischen Blutsauger auf Kosten des Volkes zu füllen bemüht wa¬ ren. Von Schulen war unter ihrem'Regiment kaum die Rede, ja sie unter¬ drückten geflissentlich jede aufkeimende Regung nach dem Erwerb von Kenntnissen. Vor allem aber bestrebten sie sich, die Reste einer bulgarischen Nationalität und alles, was ein Wiederaufleben derselben hoffen — in ihrem Sinne fürch¬ ten — ließ, alles, was an einstige Macht und Bedeutung des Volkes erinnerte, zu vernichten und das Land zu gräcisiren, für welche letztere Bestrebung sie in neuester Zeit das Recht daher ableiten, daß manche Städte in Bulgarien, wie Adrianopel, Philippopel und Nikopel, griechische Namen haben. Sie ar¬ beiteten damit ganz zum Vortheil des Sultans, dem die höhere griechische Geist¬ lichkeit in der Türkei mit Ausnahme einer kurzen Periode immer ergeben war, und dem Bildung und Selbstgefühl der Bulgaren in diesen ebenso gefährliche Feinde schaffen mußten, als in den Serben. Und sie wirkten damit nicht we¬ niger zu ihrem eignen Nutzen, da jene Eigenschaften nicht geduldet haben wür¬ den, daß man fortfuhr, dem Volke Bulgariens Fremde zu Bischöfen aufzu¬ dringen, die noch überdies unwissend, tyrannisch und fast ohne Ausnahme lasterhaft waren. In welcher nichtswürdigen Weise diese christlichen Satrapen des Padischcch noch in neuester Zeit gegen die bulgarischen Alterthümer verfuhren, mögen zwei Beispiele unter vielen andeuten. In einer Kirche zu Ternowo, der einstigen Residenz der bulgarischen Herr¬ scher, entdeckte vor etwa zwanzig Jahren ein Geistlicher ein bis dahin unbe¬ kannt gewesenes Gewölbe. Er zeigte seinen Fund dem Metropoliten an, und die Untersuchung des Gemachs ergab, daß es mit einer großen Menge alter Handschriften auf Pergament angefüllt war. Man hätte nun glauben sollen, daß diese Manuscripte sorgfältig aufgehoben und einer Untersuchung unterworfen worden wären. Ganz anders der Metropolit. Unter dem Vorwand, es seien heidnische Bücher, ließ er sofort den gesammten Inhalt des Gewölbes ver- Grenzbotcn III. 1862. 59

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/473
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/473>, abgerufen am 29.08.2024.