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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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daß beide Theile sich zu dieser Lösung erst nach schwerem Kampfe hindurch¬
arbeiten. Die höchste Noth muß Ludwig bedrängen, kein Weg der Rettung sich
zeigen, denn allein die Hinrichtung des gefangenen Feindes. Sehr glücklich
hat der Dichter dies empfunden, aber wie matt und arm ist die Ausführung.
Leopold, mit Frankreich verbündet, verlangt gebieterisch die Freilassung des
Bruders, doch spurlos geht diese trotzige Botschaft an den Zuschauern vorüber,
die in den früheren Acten Leopold wieder und wieder im selben Tone reden
hörten. Ein neuer Feind des Königs tritt auf -- der Legat des Papstes,
aber nochmals bewährt der Dichter seine Gabe, den Ernst und die Macht der
Geschichte verdünnend abzuschwächen. Wer kennt sie nicht, jene furchtbaren
Flüche Roms wider Ludwig -- das Gräßlichste vielleicht, was vermessene
Gotteslästerung je gewagt? Ein bloßes Abschreiben der Geschichte wäre hier
poetisch wirksam gewesen, und mit unheimlichen Worten allerdings bereitet uns
der Legat auf das Grauen vor:


meine Botschaft
ist wie des Himmels Donner. Jrtisch Wort
verhallt nach ihr an den betäubten Ohren.

Und nun höre man den wohlgesetzten Canzleistil der Botschaft selber:


Zu Tage liegt,
daß Deiner Pflicht als Sohn der Kirche Du
abtrünnig wardst und desGehorsams Fessel
zu sprengen trachtetst.--Darum
ergeht an Dich die Mahnung, Herzog Ludwig:
thu ab die angemaßte Majestät. -- --
Versäumt er Eins von diesen, spricht Johannes,
so fällt der große Bann auf seinen Scheitel.
Solches ward der gemeinen Christenheit
durch Anschlag ans Portal von Avignon
verkündet u. s. w. u. s. w.

Der König nimmt diese Botschaft mit der entsprechenden nüchternen Ge¬
müthsruhe entgegen, und auch als seine Stände Angesichts solcher Gefahren
auf Friedrichs Hinrichtung dringen, gibt er ihnen zwar Recht, aber verharrt in
einer so behaglichen Kühle, daß jedermann sieht: dieser furchtbare Gedanke ist
seinem Herzen gar nicht nahe getreten. Er wählt vorerst den Weg der Güte,
und nun folgt der bewegteste Auftritt des Stücks. Ludwig besucht den Feind
im Kerker, er beweist ihm, daß Leopold durch den Bund mit Frankreich des
Reiches Ehre verrathen und bewegt ihn endlich zur Huldigung. Friedrich ver¬
spricht, seine Brüder mit Ludwig zu versöhnen, wo nicht, zurückzukehren in die
Haft. Leider tritt auch in dieser lebendigsten Scene störend hervor, daß nicht
ebenbürtige Gegner mit einander kämpfen. Der großherzige Entschluß wird


daß beide Theile sich zu dieser Lösung erst nach schwerem Kampfe hindurch¬
arbeiten. Die höchste Noth muß Ludwig bedrängen, kein Weg der Rettung sich
zeigen, denn allein die Hinrichtung des gefangenen Feindes. Sehr glücklich
hat der Dichter dies empfunden, aber wie matt und arm ist die Ausführung.
Leopold, mit Frankreich verbündet, verlangt gebieterisch die Freilassung des
Bruders, doch spurlos geht diese trotzige Botschaft an den Zuschauern vorüber,
die in den früheren Acten Leopold wieder und wieder im selben Tone reden
hörten. Ein neuer Feind des Königs tritt auf — der Legat des Papstes,
aber nochmals bewährt der Dichter seine Gabe, den Ernst und die Macht der
Geschichte verdünnend abzuschwächen. Wer kennt sie nicht, jene furchtbaren
Flüche Roms wider Ludwig — das Gräßlichste vielleicht, was vermessene
Gotteslästerung je gewagt? Ein bloßes Abschreiben der Geschichte wäre hier
poetisch wirksam gewesen, und mit unheimlichen Worten allerdings bereitet uns
der Legat auf das Grauen vor:


meine Botschaft
ist wie des Himmels Donner. Jrtisch Wort
verhallt nach ihr an den betäubten Ohren.

Und nun höre man den wohlgesetzten Canzleistil der Botschaft selber:


Zu Tage liegt,
daß Deiner Pflicht als Sohn der Kirche Du
abtrünnig wardst und desGehorsams Fessel
zu sprengen trachtetst.--Darum
ergeht an Dich die Mahnung, Herzog Ludwig:
thu ab die angemaßte Majestät. — —
Versäumt er Eins von diesen, spricht Johannes,
so fällt der große Bann auf seinen Scheitel.
Solches ward der gemeinen Christenheit
durch Anschlag ans Portal von Avignon
verkündet u. s. w. u. s. w.

Der König nimmt diese Botschaft mit der entsprechenden nüchternen Ge¬
müthsruhe entgegen, und auch als seine Stände Angesichts solcher Gefahren
auf Friedrichs Hinrichtung dringen, gibt er ihnen zwar Recht, aber verharrt in
einer so behaglichen Kühle, daß jedermann sieht: dieser furchtbare Gedanke ist
seinem Herzen gar nicht nahe getreten. Er wählt vorerst den Weg der Güte,
und nun folgt der bewegteste Auftritt des Stücks. Ludwig besucht den Feind
im Kerker, er beweist ihm, daß Leopold durch den Bund mit Frankreich des
Reiches Ehre verrathen und bewegt ihn endlich zur Huldigung. Friedrich ver¬
spricht, seine Brüder mit Ludwig zu versöhnen, wo nicht, zurückzukehren in die
Haft. Leider tritt auch in dieser lebendigsten Scene störend hervor, daß nicht
ebenbürtige Gegner mit einander kämpfen. Der großherzige Entschluß wird


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[0430] daß beide Theile sich zu dieser Lösung erst nach schwerem Kampfe hindurch¬ arbeiten. Die höchste Noth muß Ludwig bedrängen, kein Weg der Rettung sich zeigen, denn allein die Hinrichtung des gefangenen Feindes. Sehr glücklich hat der Dichter dies empfunden, aber wie matt und arm ist die Ausführung. Leopold, mit Frankreich verbündet, verlangt gebieterisch die Freilassung des Bruders, doch spurlos geht diese trotzige Botschaft an den Zuschauern vorüber, die in den früheren Acten Leopold wieder und wieder im selben Tone reden hörten. Ein neuer Feind des Königs tritt auf — der Legat des Papstes, aber nochmals bewährt der Dichter seine Gabe, den Ernst und die Macht der Geschichte verdünnend abzuschwächen. Wer kennt sie nicht, jene furchtbaren Flüche Roms wider Ludwig — das Gräßlichste vielleicht, was vermessene Gotteslästerung je gewagt? Ein bloßes Abschreiben der Geschichte wäre hier poetisch wirksam gewesen, und mit unheimlichen Worten allerdings bereitet uns der Legat auf das Grauen vor: meine Botschaft ist wie des Himmels Donner. Jrtisch Wort verhallt nach ihr an den betäubten Ohren. Und nun höre man den wohlgesetzten Canzleistil der Botschaft selber: Zu Tage liegt, daß Deiner Pflicht als Sohn der Kirche Du abtrünnig wardst und desGehorsams Fessel zu sprengen trachtetst.--Darum ergeht an Dich die Mahnung, Herzog Ludwig: thu ab die angemaßte Majestät. — — Versäumt er Eins von diesen, spricht Johannes, so fällt der große Bann auf seinen Scheitel. Solches ward der gemeinen Christenheit durch Anschlag ans Portal von Avignon verkündet u. s. w. u. s. w. Der König nimmt diese Botschaft mit der entsprechenden nüchternen Ge¬ müthsruhe entgegen, und auch als seine Stände Angesichts solcher Gefahren auf Friedrichs Hinrichtung dringen, gibt er ihnen zwar Recht, aber verharrt in einer so behaglichen Kühle, daß jedermann sieht: dieser furchtbare Gedanke ist seinem Herzen gar nicht nahe getreten. Er wählt vorerst den Weg der Güte, und nun folgt der bewegteste Auftritt des Stücks. Ludwig besucht den Feind im Kerker, er beweist ihm, daß Leopold durch den Bund mit Frankreich des Reiches Ehre verrathen und bewegt ihn endlich zur Huldigung. Friedrich ver¬ spricht, seine Brüder mit Ludwig zu versöhnen, wo nicht, zurückzukehren in die Haft. Leider tritt auch in dieser lebendigsten Scene störend hervor, daß nicht ebenbürtige Gegner mit einander kämpfen. Der großherzige Entschluß wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/430>, abgerufen am 25.08.2024.