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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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fühle der Selbstbeschauung und des Mitleidens, weit stärker mitwirkend, als die
abstracten Empfindungen, welche politischen Betrachtungen entfließen, oder von
nationalem Ehrgeiz eingegeben werden. Jedenfalls ist die Schleswig-holsteinische
eine unmittelbar praktische Frage -- eine Frage, welche zum Herzen spricht
und wo es sich für die Nation nicht darum handelt, ein Neues zu gewinnen,
sondern ein Altes nicht zu verlieren, -- darum, deutschen Grund und Bo¬
den mit seinen Bewohnern nicht definitiv Preis zu geben.

Die preußische Volksvertretung hat seit Jahren den engen Zusammen¬
hang der Schleswig-holsteinischen Frage und der Marine erkannt. Wenn sie
der Regierung ihre warmen Sympathieen für die Herzogthümer aussprach,
so drängte sie zugleich dahin, daß die während der Mcinteuffelschen Periode
stark vernachlässigte preußische Marine einer raschen und entschiedenen Ent¬
wickelung entgegengeführt werde. Jene Resolutionen zu Gunsten der Herzog-
thünu-r waren in der That auch nur durch dieses gleichzeitige Drängen nach
einer Flotte zu rechtfertigen, denn ohne dieses Drängen waren sie verbrecherisch,
weil sie zur natürlichen Folge haben mußten und hatten, daß sich der auf
den Herzogtümern lastende dänische Druck steigerte.

Seit dem Anfang dieses Jahres ist nun sür die Entwicklung der preu¬
ßischen Marine eine niemals zu erwartende Gunst der Verhältnisse eingetreten.
Das Gefecht auf der R.este von Hampton hat festgestellt, daß nur noch
Panzerschiffe überhaupt Kriegsschiffe sind; die Ueberlegenheit Dänemarks
an Segelschiffen und an hölzernen Dampfschiffen ist keine Ueberlegenheit mehr,
sobald Preußen rasch und entschlossen zum Bau von Panzerschiffen übergeht.
Dänemark besitzt noch keine Panzerschiffe, aber es hat die Vorbereitungen
getroffen, um sich solche zu erwerben, die dänische Volksvertretung hat in
diesem Jahre dem dänischen Marineministerium einen außerordentlichen Credit
von 590.175 Thlr. pr. zur Verfügung gestellt und dasselbe ist außerdem in
Stand gesetzt worden, ein Linienschiff in eine Panzercorvette zu verwandeln
und eine Panzerfregatte zu bauen; zwei Schraudenschooner mit Seiten¬
panzerung sind schon fertig.

Die Frage ist, ob Preußen? ob Dänemark? zuerst und mit größerer Energie
an den Bau einer Panzerflotte geht? Wer dem anderen vorankommt hat nicht
erst nach vielen Jahren, sondern schon morgen das Uebergewicht und kann, da
der Notenwechsel zwischen Berlin und Kopenhagen einen immer herberen Ton
annimmt und in nicht ferner Zeit in einen Krieg oder in eine schimpfliche Umkehr
übergehen muß. im Fall eines Krieges die endgültige Entscheidung herbeiführen.

Die Frage, ob Preußen noch in diesem Jahre zum Bau von Pan¬
zerschiffen übergehen soll, ist daher nicht eine bloße Frage der Zeit, nicht
blos die Frage Eines Jahres, sondern allem Anschein nach die Frage der
definitiven Entscheidung des deutsch-dänischen Streites. Bei der Gründung einer
Flotte ist der Vorsprung Eines Jahres in vielen Jahren nicht nachzuholen.


fühle der Selbstbeschauung und des Mitleidens, weit stärker mitwirkend, als die
abstracten Empfindungen, welche politischen Betrachtungen entfließen, oder von
nationalem Ehrgeiz eingegeben werden. Jedenfalls ist die Schleswig-holsteinische
eine unmittelbar praktische Frage — eine Frage, welche zum Herzen spricht
und wo es sich für die Nation nicht darum handelt, ein Neues zu gewinnen,
sondern ein Altes nicht zu verlieren, — darum, deutschen Grund und Bo¬
den mit seinen Bewohnern nicht definitiv Preis zu geben.

Die preußische Volksvertretung hat seit Jahren den engen Zusammen¬
hang der Schleswig-holsteinischen Frage und der Marine erkannt. Wenn sie
der Regierung ihre warmen Sympathieen für die Herzogthümer aussprach,
so drängte sie zugleich dahin, daß die während der Mcinteuffelschen Periode
stark vernachlässigte preußische Marine einer raschen und entschiedenen Ent¬
wickelung entgegengeführt werde. Jene Resolutionen zu Gunsten der Herzog-
thünu-r waren in der That auch nur durch dieses gleichzeitige Drängen nach
einer Flotte zu rechtfertigen, denn ohne dieses Drängen waren sie verbrecherisch,
weil sie zur natürlichen Folge haben mußten und hatten, daß sich der auf
den Herzogtümern lastende dänische Druck steigerte.

Seit dem Anfang dieses Jahres ist nun sür die Entwicklung der preu¬
ßischen Marine eine niemals zu erwartende Gunst der Verhältnisse eingetreten.
Das Gefecht auf der R.este von Hampton hat festgestellt, daß nur noch
Panzerschiffe überhaupt Kriegsschiffe sind; die Ueberlegenheit Dänemarks
an Segelschiffen und an hölzernen Dampfschiffen ist keine Ueberlegenheit mehr,
sobald Preußen rasch und entschlossen zum Bau von Panzerschiffen übergeht.
Dänemark besitzt noch keine Panzerschiffe, aber es hat die Vorbereitungen
getroffen, um sich solche zu erwerben, die dänische Volksvertretung hat in
diesem Jahre dem dänischen Marineministerium einen außerordentlichen Credit
von 590.175 Thlr. pr. zur Verfügung gestellt und dasselbe ist außerdem in
Stand gesetzt worden, ein Linienschiff in eine Panzercorvette zu verwandeln
und eine Panzerfregatte zu bauen; zwei Schraudenschooner mit Seiten¬
panzerung sind schon fertig.

Die Frage ist, ob Preußen? ob Dänemark? zuerst und mit größerer Energie
an den Bau einer Panzerflotte geht? Wer dem anderen vorankommt hat nicht
erst nach vielen Jahren, sondern schon morgen das Uebergewicht und kann, da
der Notenwechsel zwischen Berlin und Kopenhagen einen immer herberen Ton
annimmt und in nicht ferner Zeit in einen Krieg oder in eine schimpfliche Umkehr
übergehen muß. im Fall eines Krieges die endgültige Entscheidung herbeiführen.

Die Frage, ob Preußen noch in diesem Jahre zum Bau von Pan¬
zerschiffen übergehen soll, ist daher nicht eine bloße Frage der Zeit, nicht
blos die Frage Eines Jahres, sondern allem Anschein nach die Frage der
definitiven Entscheidung des deutsch-dänischen Streites. Bei der Gründung einer
Flotte ist der Vorsprung Eines Jahres in vielen Jahren nicht nachzuholen.


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[0410] fühle der Selbstbeschauung und des Mitleidens, weit stärker mitwirkend, als die abstracten Empfindungen, welche politischen Betrachtungen entfließen, oder von nationalem Ehrgeiz eingegeben werden. Jedenfalls ist die Schleswig-holsteinische eine unmittelbar praktische Frage — eine Frage, welche zum Herzen spricht und wo es sich für die Nation nicht darum handelt, ein Neues zu gewinnen, sondern ein Altes nicht zu verlieren, — darum, deutschen Grund und Bo¬ den mit seinen Bewohnern nicht definitiv Preis zu geben. Die preußische Volksvertretung hat seit Jahren den engen Zusammen¬ hang der Schleswig-holsteinischen Frage und der Marine erkannt. Wenn sie der Regierung ihre warmen Sympathieen für die Herzogthümer aussprach, so drängte sie zugleich dahin, daß die während der Mcinteuffelschen Periode stark vernachlässigte preußische Marine einer raschen und entschiedenen Ent¬ wickelung entgegengeführt werde. Jene Resolutionen zu Gunsten der Herzog- thünu-r waren in der That auch nur durch dieses gleichzeitige Drängen nach einer Flotte zu rechtfertigen, denn ohne dieses Drängen waren sie verbrecherisch, weil sie zur natürlichen Folge haben mußten und hatten, daß sich der auf den Herzogtümern lastende dänische Druck steigerte. Seit dem Anfang dieses Jahres ist nun sür die Entwicklung der preu¬ ßischen Marine eine niemals zu erwartende Gunst der Verhältnisse eingetreten. Das Gefecht auf der R.este von Hampton hat festgestellt, daß nur noch Panzerschiffe überhaupt Kriegsschiffe sind; die Ueberlegenheit Dänemarks an Segelschiffen und an hölzernen Dampfschiffen ist keine Ueberlegenheit mehr, sobald Preußen rasch und entschlossen zum Bau von Panzerschiffen übergeht. Dänemark besitzt noch keine Panzerschiffe, aber es hat die Vorbereitungen getroffen, um sich solche zu erwerben, die dänische Volksvertretung hat in diesem Jahre dem dänischen Marineministerium einen außerordentlichen Credit von 590.175 Thlr. pr. zur Verfügung gestellt und dasselbe ist außerdem in Stand gesetzt worden, ein Linienschiff in eine Panzercorvette zu verwandeln und eine Panzerfregatte zu bauen; zwei Schraudenschooner mit Seiten¬ panzerung sind schon fertig. Die Frage ist, ob Preußen? ob Dänemark? zuerst und mit größerer Energie an den Bau einer Panzerflotte geht? Wer dem anderen vorankommt hat nicht erst nach vielen Jahren, sondern schon morgen das Uebergewicht und kann, da der Notenwechsel zwischen Berlin und Kopenhagen einen immer herberen Ton annimmt und in nicht ferner Zeit in einen Krieg oder in eine schimpfliche Umkehr übergehen muß. im Fall eines Krieges die endgültige Entscheidung herbeiführen. Die Frage, ob Preußen noch in diesem Jahre zum Bau von Pan¬ zerschiffen übergehen soll, ist daher nicht eine bloße Frage der Zeit, nicht blos die Frage Eines Jahres, sondern allem Anschein nach die Frage der definitiven Entscheidung des deutsch-dänischen Streites. Bei der Gründung einer Flotte ist der Vorsprung Eines Jahres in vielen Jahren nicht nachzuholen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/410>, abgerufen am 22.07.2024.