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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Cambridge in England gebildet ist, über griechische und lateinische Sprache
und Literatur endlich liest der Geistliche Blyden, ein talentvoller junger Mann,
der zugleich eine höhere Knabenschule leitet. An einer solchen Schule für
Mädchen fehlt es noch.

Wie in Amerika, so herrscht auch in Liberia vollständigste Glaubensfrei¬
heit. Als Beispiel hierfür mag erwähnt werden, daß Professor Roberts Me¬
thodist, sein College Crummell Mitglied der englischen Hochkirche, Professor
Blyden endlich Presbyterianer ist und daß demungeachtet unter ihnen das
beste Einvernehmen herrscht. Ebenfalls aus dem Lande der Ucmkees importirt
ist der Eifer und die Genauigkeit, mit welchem die Einwohner Monrovia's das
Gebot der Sonntagsheiligung oder, wie man hier sich ausdrückt, der Sabbaths¬
ruhe befolgen. Sie versäumen niemals die Kirche, beobachten sorgfältig, was
die Regeln des Gottesdienstes vorschreiben und halten so streng auf die Stille
des Sabbaths, daß sie es wiederholt -- einmal selbst dem Prinzen von Join-
ville gegenüber -- ablehnten, wenn fremde Schiffe sich am Sonntag erboten,
die hier wehende liberische Flagge zu salutiren.

Die Politik der liberischen Regierung in Betreff der Einwanderung geht
dahin, den neuankommenden Ansiedlern zehn bis zwanzig, mitunter auch drei¬
ßig englische Meilen entfernt von der Küste Wohnsitze anzuweisen, wo das Land
hügelig und gesünder als am Meere ist. Carysburg, Whyte Plains und,
Clay Ahstand sind wohlgediehene Kolonien dieser Art. Ist man im Begriff,
eine neue Niederlassung zu gründen, so begleiten gewöhnlich mehre Familien
aus Monrovia oder anderen älteren Städtern die Fremden an Ort und Stelle
und weihen sie in die Kunstgriffe und Gewohnheiten des Lebens der hiesigen
Ansiedler ein, was ein sehr verständiger Gebrauch ist. Jeder neu eintreffende
Colonist ist berechtigt zu einem Stadtloose oder zu einem Stück Land, auf dem
sich eine Pflanzung anlegen läßt. Ob zu dem oder jenem, wird durchs Loos
entschieden. Zieht er ein Stadtloos, so legt ihm dies die Verpflichtung auf,
binnen zwei Jahren ein Haus von Steinen oder Ziegeln zu bauen , geräumig
genug, um seine ganze Familie aufzunehmen. Zieht er ein Plantagenloos, so muß
er, um in den urkundlich verbürgten Besitz des betreffenden Stückes Boden
zu gelangen, im Lauf von zwei Jahren zwei Acker Landes unter Cultur bringen.
Jedermann erhält dann fünf Acker guten Landes für sich, zwei für seine Frau
und einen für jedes einzelne Kind, vorausgesetzt, daß dann nicht mehr als
zehn Acker auf die ganze Familie kommen. Jeder Grundbesitzer ist gehalten,
seine Grenzen durch Pfosten, die an den Ecken derselben einzuräumen sind, zu
bezeichnen. Niemand darf Palmbäume fällen als der Eigenthümer des Grund
und Bodens, aus dem sie sich befinden.

Liberia hatte nicht blos in Amerikas sondern auch in England viele hoch¬
gestellte und freigebige Gönner, unter denen wir nur den verstorbenen Herzog


Cambridge in England gebildet ist, über griechische und lateinische Sprache
und Literatur endlich liest der Geistliche Blyden, ein talentvoller junger Mann,
der zugleich eine höhere Knabenschule leitet. An einer solchen Schule für
Mädchen fehlt es noch.

Wie in Amerika, so herrscht auch in Liberia vollständigste Glaubensfrei¬
heit. Als Beispiel hierfür mag erwähnt werden, daß Professor Roberts Me¬
thodist, sein College Crummell Mitglied der englischen Hochkirche, Professor
Blyden endlich Presbyterianer ist und daß demungeachtet unter ihnen das
beste Einvernehmen herrscht. Ebenfalls aus dem Lande der Ucmkees importirt
ist der Eifer und die Genauigkeit, mit welchem die Einwohner Monrovia's das
Gebot der Sonntagsheiligung oder, wie man hier sich ausdrückt, der Sabbaths¬
ruhe befolgen. Sie versäumen niemals die Kirche, beobachten sorgfältig, was
die Regeln des Gottesdienstes vorschreiben und halten so streng auf die Stille
des Sabbaths, daß sie es wiederholt — einmal selbst dem Prinzen von Join-
ville gegenüber — ablehnten, wenn fremde Schiffe sich am Sonntag erboten,
die hier wehende liberische Flagge zu salutiren.

Die Politik der liberischen Regierung in Betreff der Einwanderung geht
dahin, den neuankommenden Ansiedlern zehn bis zwanzig, mitunter auch drei¬
ßig englische Meilen entfernt von der Küste Wohnsitze anzuweisen, wo das Land
hügelig und gesünder als am Meere ist. Carysburg, Whyte Plains und,
Clay Ahstand sind wohlgediehene Kolonien dieser Art. Ist man im Begriff,
eine neue Niederlassung zu gründen, so begleiten gewöhnlich mehre Familien
aus Monrovia oder anderen älteren Städtern die Fremden an Ort und Stelle
und weihen sie in die Kunstgriffe und Gewohnheiten des Lebens der hiesigen
Ansiedler ein, was ein sehr verständiger Gebrauch ist. Jeder neu eintreffende
Colonist ist berechtigt zu einem Stadtloose oder zu einem Stück Land, auf dem
sich eine Pflanzung anlegen läßt. Ob zu dem oder jenem, wird durchs Loos
entschieden. Zieht er ein Stadtloos, so legt ihm dies die Verpflichtung auf,
binnen zwei Jahren ein Haus von Steinen oder Ziegeln zu bauen , geräumig
genug, um seine ganze Familie aufzunehmen. Zieht er ein Plantagenloos, so muß
er, um in den urkundlich verbürgten Besitz des betreffenden Stückes Boden
zu gelangen, im Lauf von zwei Jahren zwei Acker Landes unter Cultur bringen.
Jedermann erhält dann fünf Acker guten Landes für sich, zwei für seine Frau
und einen für jedes einzelne Kind, vorausgesetzt, daß dann nicht mehr als
zehn Acker auf die ganze Familie kommen. Jeder Grundbesitzer ist gehalten,
seine Grenzen durch Pfosten, die an den Ecken derselben einzuräumen sind, zu
bezeichnen. Niemand darf Palmbäume fällen als der Eigenthümer des Grund
und Bodens, aus dem sie sich befinden.

Liberia hatte nicht blos in Amerikas sondern auch in England viele hoch¬
gestellte und freigebige Gönner, unter denen wir nur den verstorbenen Herzog


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[0404] Cambridge in England gebildet ist, über griechische und lateinische Sprache und Literatur endlich liest der Geistliche Blyden, ein talentvoller junger Mann, der zugleich eine höhere Knabenschule leitet. An einer solchen Schule für Mädchen fehlt es noch. Wie in Amerika, so herrscht auch in Liberia vollständigste Glaubensfrei¬ heit. Als Beispiel hierfür mag erwähnt werden, daß Professor Roberts Me¬ thodist, sein College Crummell Mitglied der englischen Hochkirche, Professor Blyden endlich Presbyterianer ist und daß demungeachtet unter ihnen das beste Einvernehmen herrscht. Ebenfalls aus dem Lande der Ucmkees importirt ist der Eifer und die Genauigkeit, mit welchem die Einwohner Monrovia's das Gebot der Sonntagsheiligung oder, wie man hier sich ausdrückt, der Sabbaths¬ ruhe befolgen. Sie versäumen niemals die Kirche, beobachten sorgfältig, was die Regeln des Gottesdienstes vorschreiben und halten so streng auf die Stille des Sabbaths, daß sie es wiederholt — einmal selbst dem Prinzen von Join- ville gegenüber — ablehnten, wenn fremde Schiffe sich am Sonntag erboten, die hier wehende liberische Flagge zu salutiren. Die Politik der liberischen Regierung in Betreff der Einwanderung geht dahin, den neuankommenden Ansiedlern zehn bis zwanzig, mitunter auch drei¬ ßig englische Meilen entfernt von der Küste Wohnsitze anzuweisen, wo das Land hügelig und gesünder als am Meere ist. Carysburg, Whyte Plains und, Clay Ahstand sind wohlgediehene Kolonien dieser Art. Ist man im Begriff, eine neue Niederlassung zu gründen, so begleiten gewöhnlich mehre Familien aus Monrovia oder anderen älteren Städtern die Fremden an Ort und Stelle und weihen sie in die Kunstgriffe und Gewohnheiten des Lebens der hiesigen Ansiedler ein, was ein sehr verständiger Gebrauch ist. Jeder neu eintreffende Colonist ist berechtigt zu einem Stadtloose oder zu einem Stück Land, auf dem sich eine Pflanzung anlegen läßt. Ob zu dem oder jenem, wird durchs Loos entschieden. Zieht er ein Stadtloos, so legt ihm dies die Verpflichtung auf, binnen zwei Jahren ein Haus von Steinen oder Ziegeln zu bauen , geräumig genug, um seine ganze Familie aufzunehmen. Zieht er ein Plantagenloos, so muß er, um in den urkundlich verbürgten Besitz des betreffenden Stückes Boden zu gelangen, im Lauf von zwei Jahren zwei Acker Landes unter Cultur bringen. Jedermann erhält dann fünf Acker guten Landes für sich, zwei für seine Frau und einen für jedes einzelne Kind, vorausgesetzt, daß dann nicht mehr als zehn Acker auf die ganze Familie kommen. Jeder Grundbesitzer ist gehalten, seine Grenzen durch Pfosten, die an den Ecken derselben einzuräumen sind, zu bezeichnen. Niemand darf Palmbäume fällen als der Eigenthümer des Grund und Bodens, aus dem sie sich befinden. Liberia hatte nicht blos in Amerikas sondern auch in England viele hoch¬ gestellte und freigebige Gönner, unter denen wir nur den verstorbenen Herzog

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/404>, abgerufen am 22.07.2024.