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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Nationalitäten besteht, die möglichste Rücksicht auf die Neigungen und Eigen¬
schaften der letzteren genommen werden. Bis dahin hatte man in Oestreich
diesen Grundsatz auch ziemlich streng befolgt und war dabei sehr wohl gefahren.
Nun aber mußten die Cheveauxlegers durchaus in Ulanen umgeschaffen werden,
ungeachtet man zu derselben Zeit in Preußen das Unzweckmäßige, die gesammte
Landwehrcavalerie mit Lanzen zu bewaffnen, einzusehen und abzustellen be¬
gann.

Die Sache war bald geschehen. Binnen zwei Monaten gingen 11,000
Piken aus den Waffenwerkstätten in Wien hervor, die Monturscommission
lieferte die nöthigen Monturen und -- die Ulanen waren fertig. So verzichtete
man darauf, in den steirischen, östreichischen und böhmischen Regimentern eine
tüchtige leichte Reiterei nach deutschem Schnitte zu haben und schuf dafür eine
mittelmäßige, im polnischen Gewände sich nur unbeholfen bewegende Reiter-
schaar.

Die Husaren, in ihrer Art einzig dastehend und in früherer Zeit die Haupt¬
masse der östreichischen Reiterei bildend, konnten einst die beste Cavalerie der
Welt genannt werden und würden, weim man nur einige Klugheit beobachtet
hätte, auch jetzt noch diesen Rang behaupten.

Gewandt, listig und unermüdlich wurde der Husar als Parteigänger selbst
von den Kosaken nicht übertroffen, kam in der Geschicklichkeit im Reiten und
Fechten den so berühmten Mameluken gleich, war aber zugleich auch ein guter
Linienreiter. Wie viele Carres wurden von den östreichischen -- oder besser
gesagt von. den ungarischen Husaren durchbrochen, und wie oft warfen die
letzteren in geschlossenen Angriffen die schwere Reiterei des Feindes über den
Haufen.

Tapfer bis zu.r Tollkühnheit, kampflustig bis zur Wildheit, stolz und trotzig,
war und ist der Husar furchtbar im Angriffe. Ohne die Menge seiner Gegner
zu zählen, wirft er sich auf sie, er hört nicht den Ruf seines Führers, der der
Uebermacht im besonnenen Rückzüge ausweichen will, verschmäht den ihm an¬
gebotenen Pardon und kämpft fort, bis er todt oder verwundet vom Pferde
sinkt. Was hätten diese Reiter in so mancher Schlacht leisten können, wenn
sie besser geführt worden wären!

Daß die Husaren im Jahre 1848 sich den Reihen der Insurgenten an¬
schlössen, war eme ganz natürliche Sache, und die östreichische Regierung trug
an diesem Abfalle die größte Schuld.

Die Mehrzahl der Husarenregimenter stand in Ungarn. Sein Vaterland
und seinen König liebend, hörte der Husar den Ruf des ersteren, wurde von
dem legal eingesetzten .Kriegsministerium in den Kampf geschickt und erfuhr,
daß sein König von der deutschen und kroatischen Camarilla gefangen gehalten
werde und abgesetzt worden sei. Konnte da der gemeine Mann anders handeln-


Nationalitäten besteht, die möglichste Rücksicht auf die Neigungen und Eigen¬
schaften der letzteren genommen werden. Bis dahin hatte man in Oestreich
diesen Grundsatz auch ziemlich streng befolgt und war dabei sehr wohl gefahren.
Nun aber mußten die Cheveauxlegers durchaus in Ulanen umgeschaffen werden,
ungeachtet man zu derselben Zeit in Preußen das Unzweckmäßige, die gesammte
Landwehrcavalerie mit Lanzen zu bewaffnen, einzusehen und abzustellen be¬
gann.

Die Sache war bald geschehen. Binnen zwei Monaten gingen 11,000
Piken aus den Waffenwerkstätten in Wien hervor, die Monturscommission
lieferte die nöthigen Monturen und — die Ulanen waren fertig. So verzichtete
man darauf, in den steirischen, östreichischen und böhmischen Regimentern eine
tüchtige leichte Reiterei nach deutschem Schnitte zu haben und schuf dafür eine
mittelmäßige, im polnischen Gewände sich nur unbeholfen bewegende Reiter-
schaar.

Die Husaren, in ihrer Art einzig dastehend und in früherer Zeit die Haupt¬
masse der östreichischen Reiterei bildend, konnten einst die beste Cavalerie der
Welt genannt werden und würden, weim man nur einige Klugheit beobachtet
hätte, auch jetzt noch diesen Rang behaupten.

Gewandt, listig und unermüdlich wurde der Husar als Parteigänger selbst
von den Kosaken nicht übertroffen, kam in der Geschicklichkeit im Reiten und
Fechten den so berühmten Mameluken gleich, war aber zugleich auch ein guter
Linienreiter. Wie viele Carres wurden von den östreichischen — oder besser
gesagt von. den ungarischen Husaren durchbrochen, und wie oft warfen die
letzteren in geschlossenen Angriffen die schwere Reiterei des Feindes über den
Haufen.

Tapfer bis zu.r Tollkühnheit, kampflustig bis zur Wildheit, stolz und trotzig,
war und ist der Husar furchtbar im Angriffe. Ohne die Menge seiner Gegner
zu zählen, wirft er sich auf sie, er hört nicht den Ruf seines Führers, der der
Uebermacht im besonnenen Rückzüge ausweichen will, verschmäht den ihm an¬
gebotenen Pardon und kämpft fort, bis er todt oder verwundet vom Pferde
sinkt. Was hätten diese Reiter in so mancher Schlacht leisten können, wenn
sie besser geführt worden wären!

Daß die Husaren im Jahre 1848 sich den Reihen der Insurgenten an¬
schlössen, war eme ganz natürliche Sache, und die östreichische Regierung trug
an diesem Abfalle die größte Schuld.

Die Mehrzahl der Husarenregimenter stand in Ungarn. Sein Vaterland
und seinen König liebend, hörte der Husar den Ruf des ersteren, wurde von
dem legal eingesetzten .Kriegsministerium in den Kampf geschickt und erfuhr,
daß sein König von der deutschen und kroatischen Camarilla gefangen gehalten
werde und abgesetzt worden sei. Konnte da der gemeine Mann anders handeln-


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[0383] Nationalitäten besteht, die möglichste Rücksicht auf die Neigungen und Eigen¬ schaften der letzteren genommen werden. Bis dahin hatte man in Oestreich diesen Grundsatz auch ziemlich streng befolgt und war dabei sehr wohl gefahren. Nun aber mußten die Cheveauxlegers durchaus in Ulanen umgeschaffen werden, ungeachtet man zu derselben Zeit in Preußen das Unzweckmäßige, die gesammte Landwehrcavalerie mit Lanzen zu bewaffnen, einzusehen und abzustellen be¬ gann. Die Sache war bald geschehen. Binnen zwei Monaten gingen 11,000 Piken aus den Waffenwerkstätten in Wien hervor, die Monturscommission lieferte die nöthigen Monturen und — die Ulanen waren fertig. So verzichtete man darauf, in den steirischen, östreichischen und böhmischen Regimentern eine tüchtige leichte Reiterei nach deutschem Schnitte zu haben und schuf dafür eine mittelmäßige, im polnischen Gewände sich nur unbeholfen bewegende Reiter- schaar. Die Husaren, in ihrer Art einzig dastehend und in früherer Zeit die Haupt¬ masse der östreichischen Reiterei bildend, konnten einst die beste Cavalerie der Welt genannt werden und würden, weim man nur einige Klugheit beobachtet hätte, auch jetzt noch diesen Rang behaupten. Gewandt, listig und unermüdlich wurde der Husar als Parteigänger selbst von den Kosaken nicht übertroffen, kam in der Geschicklichkeit im Reiten und Fechten den so berühmten Mameluken gleich, war aber zugleich auch ein guter Linienreiter. Wie viele Carres wurden von den östreichischen — oder besser gesagt von. den ungarischen Husaren durchbrochen, und wie oft warfen die letzteren in geschlossenen Angriffen die schwere Reiterei des Feindes über den Haufen. Tapfer bis zu.r Tollkühnheit, kampflustig bis zur Wildheit, stolz und trotzig, war und ist der Husar furchtbar im Angriffe. Ohne die Menge seiner Gegner zu zählen, wirft er sich auf sie, er hört nicht den Ruf seines Führers, der der Uebermacht im besonnenen Rückzüge ausweichen will, verschmäht den ihm an¬ gebotenen Pardon und kämpft fort, bis er todt oder verwundet vom Pferde sinkt. Was hätten diese Reiter in so mancher Schlacht leisten können, wenn sie besser geführt worden wären! Daß die Husaren im Jahre 1848 sich den Reihen der Insurgenten an¬ schlössen, war eme ganz natürliche Sache, und die östreichische Regierung trug an diesem Abfalle die größte Schuld. Die Mehrzahl der Husarenregimenter stand in Ungarn. Sein Vaterland und seinen König liebend, hörte der Husar den Ruf des ersteren, wurde von dem legal eingesetzten .Kriegsministerium in den Kampf geschickt und erfuhr, daß sein König von der deutschen und kroatischen Camarilla gefangen gehalten werde und abgesetzt worden sei. Konnte da der gemeine Mann anders handeln-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/383>, abgerufen am 06.02.2025.