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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Europa's, und eben deshalb bietet sie ein gewiß ebenso anziehendes als lehr¬
reiches Bild.

Gebe man dem Kürassier ein Costüm aus der ersten Hälfte des 17. Jahr¬
hunderts und dem Husaren eines aus der gleichen Zeitepoche des vorigen, und
man wird die beiden conscriptionsmäßig assentirien Soldaten der Gegenwart
innerlich und äußerlich kaum von dem "des Glückes Stern folgenden Fried¬
ländischen Reitersknecht" und dem von den Ständen gewordenen Husaren
Nadasdy's unterscheiden können.

Große Feldherrn und engherzige Pedanten, geniale Ncformbestrebung und
kindische Soldatenspielerei haben wechselweise alles erschöpft, aber die Reiter
sind dieselben geblieben.

Tapfer bis zur Tollkühnheit und dabei doch eine unverwüstliche Zähigkeit
besitzend, aber meist unter schlechter Führung, oder -- wenn gut geführt --
ohne Unterstützung gelassen und in der Verfolgung der errungenen Vortheile
durch Hemmnisse der verschiedensten Art aufgehalten, hat sich die östreichische
Reiterei aus mehr als hundert Schlachtfeldern mit Ruhm bedeckt, aber dennoch
nur höchst selten den Sieg entschieden. Entweder war sie der einzige siegreiche
Theil des ganzen Heeres und wurde erst durch dieses in den allgemeinen Rück¬
zug mit fortgerissen, oder ihr Sieg führte, der mangelhaften Anordnungen
wegen, gerade zur Niederlage des Heeres selbst, oder endlich kämpften die ein¬
zelnen Regimenter und Schwadronen mit Erfolg, während die Gesammtmasse
unglücklich war. Die Kräfte, über welche man verfügte, waren vollkommen
ausreichend, aber man wußte von ihnen keinen wirksamen Gebrauch zu
machen.

Gegenwärtig besteht die östreichische Reiterei aus Kürassierer, Dragonern,
Husaren und Ulanen*). Die Cheveauxlegers sind seit dem Jahre 1851 ab¬
geschafft.

Erstere bestanden bis vor zwei Jahren aus acht Regimentern, das Regi¬
ment zu sechs Feldschwadronen und einer Depotschwadron. Sie trugen
schwarze schußfeste Brustharnische, weiße Waffenröcke, blaue Pantalons und
Helme von einer wirklich gefälligen Form.

Vier Regimenter bestanden ausschließlich aus Böhmen, die andern aus
Oestreichern, Steirern, Kärnthnern, Mährern und Böhmen. Doch waren die
böhmischen Kürassiere die besten, sowohl wegen ihrer Tapferkeit und Ausdauer,
als auch wegen ihrer Größe und Körperkraft. Freilich durfte man nicht er-



") In Oestreich darf man jetzt nicht mehr, wie es in allen Armeen Deutschlands gebräuch¬
lich ist und auch dem Wortlaute entspricht, "Hußar" und "Ulan" schreiben, sondern eine
eigene Verordnung hat bestimmt, daß diese Truppen "Husaren" und "Uhlanen" zu heißen
haben!

Europa's, und eben deshalb bietet sie ein gewiß ebenso anziehendes als lehr¬
reiches Bild.

Gebe man dem Kürassier ein Costüm aus der ersten Hälfte des 17. Jahr¬
hunderts und dem Husaren eines aus der gleichen Zeitepoche des vorigen, und
man wird die beiden conscriptionsmäßig assentirien Soldaten der Gegenwart
innerlich und äußerlich kaum von dem „des Glückes Stern folgenden Fried¬
ländischen Reitersknecht" und dem von den Ständen gewordenen Husaren
Nadasdy's unterscheiden können.

Große Feldherrn und engherzige Pedanten, geniale Ncformbestrebung und
kindische Soldatenspielerei haben wechselweise alles erschöpft, aber die Reiter
sind dieselben geblieben.

Tapfer bis zur Tollkühnheit und dabei doch eine unverwüstliche Zähigkeit
besitzend, aber meist unter schlechter Führung, oder — wenn gut geführt —
ohne Unterstützung gelassen und in der Verfolgung der errungenen Vortheile
durch Hemmnisse der verschiedensten Art aufgehalten, hat sich die östreichische
Reiterei aus mehr als hundert Schlachtfeldern mit Ruhm bedeckt, aber dennoch
nur höchst selten den Sieg entschieden. Entweder war sie der einzige siegreiche
Theil des ganzen Heeres und wurde erst durch dieses in den allgemeinen Rück¬
zug mit fortgerissen, oder ihr Sieg führte, der mangelhaften Anordnungen
wegen, gerade zur Niederlage des Heeres selbst, oder endlich kämpften die ein¬
zelnen Regimenter und Schwadronen mit Erfolg, während die Gesammtmasse
unglücklich war. Die Kräfte, über welche man verfügte, waren vollkommen
ausreichend, aber man wußte von ihnen keinen wirksamen Gebrauch zu
machen.

Gegenwärtig besteht die östreichische Reiterei aus Kürassierer, Dragonern,
Husaren und Ulanen*). Die Cheveauxlegers sind seit dem Jahre 1851 ab¬
geschafft.

Erstere bestanden bis vor zwei Jahren aus acht Regimentern, das Regi¬
ment zu sechs Feldschwadronen und einer Depotschwadron. Sie trugen
schwarze schußfeste Brustharnische, weiße Waffenröcke, blaue Pantalons und
Helme von einer wirklich gefälligen Form.

Vier Regimenter bestanden ausschließlich aus Böhmen, die andern aus
Oestreichern, Steirern, Kärnthnern, Mährern und Böhmen. Doch waren die
böhmischen Kürassiere die besten, sowohl wegen ihrer Tapferkeit und Ausdauer,
als auch wegen ihrer Größe und Körperkraft. Freilich durfte man nicht er-



") In Oestreich darf man jetzt nicht mehr, wie es in allen Armeen Deutschlands gebräuch¬
lich ist und auch dem Wortlaute entspricht, „Hußar" und „Ulan" schreiben, sondern eine
eigene Verordnung hat bestimmt, daß diese Truppen „Husaren" und „Uhlanen" zu heißen
haben!
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[0380] Europa's, und eben deshalb bietet sie ein gewiß ebenso anziehendes als lehr¬ reiches Bild. Gebe man dem Kürassier ein Costüm aus der ersten Hälfte des 17. Jahr¬ hunderts und dem Husaren eines aus der gleichen Zeitepoche des vorigen, und man wird die beiden conscriptionsmäßig assentirien Soldaten der Gegenwart innerlich und äußerlich kaum von dem „des Glückes Stern folgenden Fried¬ ländischen Reitersknecht" und dem von den Ständen gewordenen Husaren Nadasdy's unterscheiden können. Große Feldherrn und engherzige Pedanten, geniale Ncformbestrebung und kindische Soldatenspielerei haben wechselweise alles erschöpft, aber die Reiter sind dieselben geblieben. Tapfer bis zur Tollkühnheit und dabei doch eine unverwüstliche Zähigkeit besitzend, aber meist unter schlechter Führung, oder — wenn gut geführt — ohne Unterstützung gelassen und in der Verfolgung der errungenen Vortheile durch Hemmnisse der verschiedensten Art aufgehalten, hat sich die östreichische Reiterei aus mehr als hundert Schlachtfeldern mit Ruhm bedeckt, aber dennoch nur höchst selten den Sieg entschieden. Entweder war sie der einzige siegreiche Theil des ganzen Heeres und wurde erst durch dieses in den allgemeinen Rück¬ zug mit fortgerissen, oder ihr Sieg führte, der mangelhaften Anordnungen wegen, gerade zur Niederlage des Heeres selbst, oder endlich kämpften die ein¬ zelnen Regimenter und Schwadronen mit Erfolg, während die Gesammtmasse unglücklich war. Die Kräfte, über welche man verfügte, waren vollkommen ausreichend, aber man wußte von ihnen keinen wirksamen Gebrauch zu machen. Gegenwärtig besteht die östreichische Reiterei aus Kürassierer, Dragonern, Husaren und Ulanen*). Die Cheveauxlegers sind seit dem Jahre 1851 ab¬ geschafft. Erstere bestanden bis vor zwei Jahren aus acht Regimentern, das Regi¬ ment zu sechs Feldschwadronen und einer Depotschwadron. Sie trugen schwarze schußfeste Brustharnische, weiße Waffenröcke, blaue Pantalons und Helme von einer wirklich gefälligen Form. Vier Regimenter bestanden ausschließlich aus Böhmen, die andern aus Oestreichern, Steirern, Kärnthnern, Mährern und Böhmen. Doch waren die böhmischen Kürassiere die besten, sowohl wegen ihrer Tapferkeit und Ausdauer, als auch wegen ihrer Größe und Körperkraft. Freilich durfte man nicht er- ") In Oestreich darf man jetzt nicht mehr, wie es in allen Armeen Deutschlands gebräuch¬ lich ist und auch dem Wortlaute entspricht, „Hußar" und „Ulan" schreiben, sondern eine eigene Verordnung hat bestimmt, daß diese Truppen „Husaren" und „Uhlanen" zu heißen haben!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/380>, abgerufen am 05.02.2025.