Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.sich noch heute zu den Grundsätzen, denen freilich in den Jahren 1848 und 49 Ihnen zunächst steht derjenige Theil der Demokratie, der sich dem National¬ sich noch heute zu den Grundsätzen, denen freilich in den Jahren 1848 und 49 Ihnen zunächst steht derjenige Theil der Demokratie, der sich dem National¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114690"/> <p xml:id="ID_1463" prev="#ID_1462"> sich noch heute zu den Grundsätzen, denen freilich in den Jahren 1848 und 49<lb/> ein weit größerer Theil der Bevölkerung anhing. Denn es läßt sich nicht läug-<lb/> nen, daß die Zahl derer, die auf Preußen blicken und hoffen, sich von Jahr zu<lb/> Jahr verringert hat — in Berlin möge man sich selbst die Frage beantworten,<lb/> was der Grund dieser Erscheinung sei, für welche jenes beschämte Erröthen am<lb/> bezeichnendsten ist, das man zuweilen an solchen wahrnimmt, die daran erinnert<lb/> werden, daß sie einst auch zu den Gothaern oder, wie sie von einer im Jahr<lb/> 1849 gehaltenen Versammlung hier heißen, zu den „Plochingern" gehört haben.<lb/> Diejenige Ueberzeugung, daß abgesehen von allen Sympathien aus rein poli¬<lb/> tischen Gründen an Preußen als dem einzig möglichen Kern eines künftigen<lb/> deutschen Staatswesens festgehalten werden müsse, welches, auch die Ministe¬<lb/> rien und die zur Zeit in Berlin vorwaltenden Tendenzen seien, ist nur<lb/> schwach vertreten. Jedenfalls ist die Partei ohne Führer', ohne Einfluß,<lb/> es ist im Grunde gar keine Partei, man könnte sie die Stillen im Lande<lb/> nennen. Daß der Abgeordnete der Stadt Stuttgart dieser Richtung ange¬<lb/> hört, erlaubt keinen Schluß auf die politische Gesinnung seiner Mandanten,<lb/> und daß auch die Wendung von 1858 und 59 ihr keine festere Organisation,<lb/> kein kräftigeres Selbstvertrauen zu geben vermochte, ist ebenso eine Anklage,<lb/> deren Adresse nach Berlin geht, als es bezeichnend für die öffentliche Meinung<lb/> im Süden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1464"> Ihnen zunächst steht derjenige Theil der Demokratie, der sich dem National¬<lb/> verein angeschlossen hat. Es läßt sich diesen Männern weder patriotische<lb/> Rührigkeit, noch ein gewisser Erfolg absprechen. Sie waren bemüht, der natio¬<lb/> nalen Idee Eingang zu verschaffen und für die Anknüpfung an die in Nord¬<lb/> deutschland vorwiegenden Ansichten zu wirken. Es sind dieselben Männer, die<lb/> genannt werden, wenn bei Berathung allgemein vaterländischer Angelegenheiten<lb/> auch Würtemberg betheiligt war. Aber da es nur Wenige waren, die von An¬<lb/> fang an die Nothwendigkeit erkannten, daß Würtemberg dem Nationalverein<lb/> die Hand biete, so ist auch später der Beitritt nur zögernd und mit jenen<lb/> Vorbehalten erfolgt, die immer wieder zu den bekannten Vermittlungsversuchen<lb/> führten. Z)le schwäbische Demokratie wird immer eine gesonderte Stellung<lb/> innerhalb der nationalen Partei einnehmen. Sie wäre nicht zurückgeblieben,<lb/> wenn ein kräftiger Wille die Reformfrage in die Hand genommen hätte, und<lb/> auch in Zukunft wird sie stets zu Verständigungen mit den nationalen Parteien<lb/> des Nordens bereit sein, aber es ist bezeichnend, daß sie in neuerer Zeit fast<lb/> noch eifriger Anknüpfungspunkte mit den östreichischen Abgeordneten.gesucht<lb/> hat, wie sie überhaupt jede Aussicht auf eine großdeutsche Lösung mit Sym¬<lb/> pathie begrüßen würde, wäre es auch eine Directorialregierung, wofern nur zu¬<lb/> gleich eine wirkliche Volksvertretung geschaffen würde, — als ob neben einer<lb/> vielköpfigen Executive ein wirkliches Parlament existiren könnte!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
sich noch heute zu den Grundsätzen, denen freilich in den Jahren 1848 und 49
ein weit größerer Theil der Bevölkerung anhing. Denn es läßt sich nicht läug-
nen, daß die Zahl derer, die auf Preußen blicken und hoffen, sich von Jahr zu
Jahr verringert hat — in Berlin möge man sich selbst die Frage beantworten,
was der Grund dieser Erscheinung sei, für welche jenes beschämte Erröthen am
bezeichnendsten ist, das man zuweilen an solchen wahrnimmt, die daran erinnert
werden, daß sie einst auch zu den Gothaern oder, wie sie von einer im Jahr
1849 gehaltenen Versammlung hier heißen, zu den „Plochingern" gehört haben.
Diejenige Ueberzeugung, daß abgesehen von allen Sympathien aus rein poli¬
tischen Gründen an Preußen als dem einzig möglichen Kern eines künftigen
deutschen Staatswesens festgehalten werden müsse, welches, auch die Ministe¬
rien und die zur Zeit in Berlin vorwaltenden Tendenzen seien, ist nur
schwach vertreten. Jedenfalls ist die Partei ohne Führer', ohne Einfluß,
es ist im Grunde gar keine Partei, man könnte sie die Stillen im Lande
nennen. Daß der Abgeordnete der Stadt Stuttgart dieser Richtung ange¬
hört, erlaubt keinen Schluß auf die politische Gesinnung seiner Mandanten,
und daß auch die Wendung von 1858 und 59 ihr keine festere Organisation,
kein kräftigeres Selbstvertrauen zu geben vermochte, ist ebenso eine Anklage,
deren Adresse nach Berlin geht, als es bezeichnend für die öffentliche Meinung
im Süden ist.
Ihnen zunächst steht derjenige Theil der Demokratie, der sich dem National¬
verein angeschlossen hat. Es läßt sich diesen Männern weder patriotische
Rührigkeit, noch ein gewisser Erfolg absprechen. Sie waren bemüht, der natio¬
nalen Idee Eingang zu verschaffen und für die Anknüpfung an die in Nord¬
deutschland vorwiegenden Ansichten zu wirken. Es sind dieselben Männer, die
genannt werden, wenn bei Berathung allgemein vaterländischer Angelegenheiten
auch Würtemberg betheiligt war. Aber da es nur Wenige waren, die von An¬
fang an die Nothwendigkeit erkannten, daß Würtemberg dem Nationalverein
die Hand biete, so ist auch später der Beitritt nur zögernd und mit jenen
Vorbehalten erfolgt, die immer wieder zu den bekannten Vermittlungsversuchen
führten. Z)le schwäbische Demokratie wird immer eine gesonderte Stellung
innerhalb der nationalen Partei einnehmen. Sie wäre nicht zurückgeblieben,
wenn ein kräftiger Wille die Reformfrage in die Hand genommen hätte, und
auch in Zukunft wird sie stets zu Verständigungen mit den nationalen Parteien
des Nordens bereit sein, aber es ist bezeichnend, daß sie in neuerer Zeit fast
noch eifriger Anknüpfungspunkte mit den östreichischen Abgeordneten.gesucht
hat, wie sie überhaupt jede Aussicht auf eine großdeutsche Lösung mit Sym¬
pathie begrüßen würde, wäre es auch eine Directorialregierung, wofern nur zu¬
gleich eine wirkliche Volksvertretung geschaffen würde, — als ob neben einer
vielköpfigen Executive ein wirkliches Parlament existiren könnte!
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