Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.ebenso wenig zu Oestreich hingezogen. Man scheute die verdächtige Bun¬ Daß nun aber die Schwaben so vielfach Von beiden Seiten umworben Die Ereignisse des Jahres 1859 haben die Parteivcrhältnisse des Lan¬ ebenso wenig zu Oestreich hingezogen. Man scheute die verdächtige Bun¬ Daß nun aber die Schwaben so vielfach Von beiden Seiten umworben Die Ereignisse des Jahres 1859 haben die Parteivcrhältnisse des Lan¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114688"/> <p xml:id="ID_1455" prev="#ID_1454"> ebenso wenig zu Oestreich hingezogen. Man scheute die verdächtige Bun¬<lb/> desgenossenschaft der Fürsten und Diplomaten, der Rechberg, Dalwigk und Bor-<lb/> rics, des ultramontanen Fanatismus. So befand man sich denn machtlos in<lb/> einer unbehaglichen Mitte, man fühlte sich isolirt. Man wollte weder östreichisch<lb/> noch preußisch, sondern gut deutsch sein, empfand aber zugleich, daß man damit<lb/> ein Ideal, das erst zu erstreben, im Voraus wegnahm, ohne sich an der Arbeit,<lb/> es herbeizuführen, zu betheiligen. Man wollte deutsch sein und konnte es nicht,<lb/> und zog sich darum am liebsten wieder aus einen bequemen negativen Pes¬<lb/> simismus zurück. Positiv war im Grunde nur die Abneigung gegen<lb/> Preußen — hauptsächlich wegen des sogleich zu erörternden Vvrwiegens<lb/> der Demokratie —, und man hütete sich ängstlich, irgend etwas zu unter¬<lb/> schreiben, was halbwegs der preußischen Hegemonie gleich sah. Daher die<lb/> reservirte Haltung der Schwaben bei allen patriotischen Zusammenkünften,<lb/> besonders aus Anlaß des Nationalvereins, daher die Abneigung gegen diesen,<lb/> und als dennoch auf der Versammlung zu Plochingen durch die Beredtsamkeit<lb/> von Metz und das Ueberwiegen der Landbevölkerung gegen die leitenden Per¬<lb/> sönlichkeiten der Hauptstadt der Beitritt zum Verein beschlossen wurde, fristete<lb/> er in Schwaben ein mühsames, künstliches Dasein, bis auch dieses vollends<lb/> erlosch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1456"> Daß nun aber die Schwaben so vielfach Von beiden Seiten umworben<lb/> wurden und man ihnen die denkbarsten Rücksichten schenkte, ist eben wegen dieser<lb/> ihrer Stellung nur natürlich. Gerade weil sie sich in einer unabhängigen Mitte<lb/> zwischen den beiden Polen des deutschen Staatslebens befinden, würde ihr Bei¬<lb/> tritt zu einer oder der andern Seite dieser ein unläugbares Gewicht verleihen.<lb/> Von dieser ihrer Wichtigkeit sind sie selbst auch vollkommen durchdrungen, und<lb/> es liegt die Frage nahe, ob sie nicht um dieser ihrer Stellung willen gewisser¬<lb/> maßen den Beruf haben, eine active Vermittlerrolle zu spielen und ein lösendes<lb/> Wort den Parteien hüben und drüben zuzurufen. Hierzu fehlt es aber nun<lb/> doch zunächst bei allem guten Willen an den hervorragenden Persönlichkeiten,<lb/> denen eine unwidersprochene Autorität zur Seite stünde. Aber mehr noch, es<lb/> steht den Wortführern nicht einmal die ungetheilte Unterstützung des eignen<lb/> Landes zur Seite, sie sind selbst unter sich nichts weniger denn einig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1457" next="#ID_1458"> Die Ereignisse des Jahres 1859 haben die Parteivcrhältnisse des Lan¬<lb/> des in eine vollständige Desorganisation gebracht. Obwohl gerade jetzt einige<lb/> bedeutende innere Fragen, wie die Ablösungsgcsetzgebung und das Concordat,<lb/> das Land beschäftigten, stand doch die deutsche Frage von jetzt an so im Vorder¬<lb/> grunde, daß sie die Parteibildung beherrschte. Gegen dieses übermächtige Ein¬<lb/> dringen der deutschen Frage in die Parteiverhältnisse wehrte sich zwar die<lb/> Demokratie nach Kräften, sie suchte lange den Schein zu wahren, als sei die<lb/> Geschlossenheit der Partei unerschüttert, und auch daher rührte zum Theil das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0374]
ebenso wenig zu Oestreich hingezogen. Man scheute die verdächtige Bun¬
desgenossenschaft der Fürsten und Diplomaten, der Rechberg, Dalwigk und Bor-
rics, des ultramontanen Fanatismus. So befand man sich denn machtlos in
einer unbehaglichen Mitte, man fühlte sich isolirt. Man wollte weder östreichisch
noch preußisch, sondern gut deutsch sein, empfand aber zugleich, daß man damit
ein Ideal, das erst zu erstreben, im Voraus wegnahm, ohne sich an der Arbeit,
es herbeizuführen, zu betheiligen. Man wollte deutsch sein und konnte es nicht,
und zog sich darum am liebsten wieder aus einen bequemen negativen Pes¬
simismus zurück. Positiv war im Grunde nur die Abneigung gegen
Preußen — hauptsächlich wegen des sogleich zu erörternden Vvrwiegens
der Demokratie —, und man hütete sich ängstlich, irgend etwas zu unter¬
schreiben, was halbwegs der preußischen Hegemonie gleich sah. Daher die
reservirte Haltung der Schwaben bei allen patriotischen Zusammenkünften,
besonders aus Anlaß des Nationalvereins, daher die Abneigung gegen diesen,
und als dennoch auf der Versammlung zu Plochingen durch die Beredtsamkeit
von Metz und das Ueberwiegen der Landbevölkerung gegen die leitenden Per¬
sönlichkeiten der Hauptstadt der Beitritt zum Verein beschlossen wurde, fristete
er in Schwaben ein mühsames, künstliches Dasein, bis auch dieses vollends
erlosch.
Daß nun aber die Schwaben so vielfach Von beiden Seiten umworben
wurden und man ihnen die denkbarsten Rücksichten schenkte, ist eben wegen dieser
ihrer Stellung nur natürlich. Gerade weil sie sich in einer unabhängigen Mitte
zwischen den beiden Polen des deutschen Staatslebens befinden, würde ihr Bei¬
tritt zu einer oder der andern Seite dieser ein unläugbares Gewicht verleihen.
Von dieser ihrer Wichtigkeit sind sie selbst auch vollkommen durchdrungen, und
es liegt die Frage nahe, ob sie nicht um dieser ihrer Stellung willen gewisser¬
maßen den Beruf haben, eine active Vermittlerrolle zu spielen und ein lösendes
Wort den Parteien hüben und drüben zuzurufen. Hierzu fehlt es aber nun
doch zunächst bei allem guten Willen an den hervorragenden Persönlichkeiten,
denen eine unwidersprochene Autorität zur Seite stünde. Aber mehr noch, es
steht den Wortführern nicht einmal die ungetheilte Unterstützung des eignen
Landes zur Seite, sie sind selbst unter sich nichts weniger denn einig.
Die Ereignisse des Jahres 1859 haben die Parteivcrhältnisse des Lan¬
des in eine vollständige Desorganisation gebracht. Obwohl gerade jetzt einige
bedeutende innere Fragen, wie die Ablösungsgcsetzgebung und das Concordat,
das Land beschäftigten, stand doch die deutsche Frage von jetzt an so im Vorder¬
grunde, daß sie die Parteibildung beherrschte. Gegen dieses übermächtige Ein¬
dringen der deutschen Frage in die Parteiverhältnisse wehrte sich zwar die
Demokratie nach Kräften, sie suchte lange den Schein zu wahren, als sei die
Geschlossenheit der Partei unerschüttert, und auch daher rührte zum Theil das
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