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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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unbekannt und baute darauf in einem so intimen Verkehr mit dem Fürsten
Gortschakoff, der allgemein auf Seiten der deutschen und englischen Diplomatie
Verdacht erregte, seine eigenen Plane. Grundgedanke dabei war, mit Hülfe
Rußlands und Frankreichs, und gegen Territorialabtrctungen an beide, Preu¬
ßen zur Annexirung der deutschen Mittel- und Kleinstaaten und zur Wieder¬
herstellung des Absolutismus, so weit sein Arm reichen würde, in Stand zu
setzen. Herr v. Bismark hielt dabei nur an dem fest, was die gesammte
Junkerpartei denkt und will, der die liberalen Bewohner von Ost- und West¬
preußen ebenso wie die gleichgesinnten der Rheinlande ein Dorn im Auge sind,
den man ausreißen sollte, und die danach strebt, den sogenannten absoluten
König höchstens als Minus me"r ZM'öK behandeln zu können.

Anderseits hatte auch schon 1848 und 1849 der damalige russische Ge¬
sandte in Berlin, v. Meyendorff, Andeutungen .gemacht, unter welchen Be¬
dingungen und bis wie weit Kaiser Nikolaus in eine Vergrößerung Preußens
willigen würde. Genug, v. Bismark war bald mit dem Fürsten Gortschakoff
einig geworden, und es kam nur noch darauf an, den damaligen Prinzregenten
von Preußen zum Eingehen auf den Handel zu bewegen, der dann auch mit
Frankreich abgeschlossen werden sollte. Diese Aufgabe machte indeß die Per¬
sönlichkeit des Prinzrcgenten und das Ministerium Hohenzollern so schwer, daß
man nur auf weiten Umwegen das Ziel zu erreichen, hoffen durfte. Das Vor¬
gehen Preußens gegen Frankreich 1859 war durch den raschen Abschluß des
Friedens von Villafranca abgeschnitten worden.

Nach dem Frieden kam v. Bismark auf Urlaub nach Berlin und begab sich
von dort, anscheinend nur zu seinem Vergnügen, nach Paris. Dort aber ließ
er sich sogleich in Unterhandlungen mit Walewski ein, stellte diesem vor, daß
Frankreich fortwährend von Deutschland mit Hemmung und selbst mit Krieg
bedroht sei, so lang'e Preußen sich nicht in der Lage befinde, den deutschen Fran¬
zosenfeinden Zügel anzulegen, und machte Vorschläge, die Walewski zu der An¬
frage in Berlin veranlaßten, was die eigentlichen Gedanken der preußischen
Negierung über die von Bismarks vernommenen Dinge seien. sHr. v. Schleime)
ertheilte hierauf eine fehr correcte Antwort, verneinte jeden Austrag, den v. Bis¬
mark gehabt haben wollte oder sollte, und stellte sogar entschieden in Abrede,
daß die persönlichen Auffassungen v. Bismarks im Einklange mit denen der
Regierung ständen. Bismark mußte sich sofort auf seinen Posten nach Peters¬
burg zurückbegeben. Nun hatten aber auch die oben berührten Machinationen
begonnen, um den Regenten mit dem Lande zu entzweien und ganz in die
Hände der Junkerpartei zu bringen. Da reifte das Project einer Zusammen¬
kunft Napoleons mit dem Prinzregcnten, und noch ehe letzterer zu diesem
Behufe im Juni 1860 nach Baden ging, kam v. Bismark nach Berlin und ver¬
suchte, wiewohl mit äußerster Vorsicht, dem Regenten seine Idee zu empfehlen


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unbekannt und baute darauf in einem so intimen Verkehr mit dem Fürsten
Gortschakoff, der allgemein auf Seiten der deutschen und englischen Diplomatie
Verdacht erregte, seine eigenen Plane. Grundgedanke dabei war, mit Hülfe
Rußlands und Frankreichs, und gegen Territorialabtrctungen an beide, Preu¬
ßen zur Annexirung der deutschen Mittel- und Kleinstaaten und zur Wieder¬
herstellung des Absolutismus, so weit sein Arm reichen würde, in Stand zu
setzen. Herr v. Bismark hielt dabei nur an dem fest, was die gesammte
Junkerpartei denkt und will, der die liberalen Bewohner von Ost- und West¬
preußen ebenso wie die gleichgesinnten der Rheinlande ein Dorn im Auge sind,
den man ausreißen sollte, und die danach strebt, den sogenannten absoluten
König höchstens als Minus me«r ZM'öK behandeln zu können.

Anderseits hatte auch schon 1848 und 1849 der damalige russische Ge¬
sandte in Berlin, v. Meyendorff, Andeutungen .gemacht, unter welchen Be¬
dingungen und bis wie weit Kaiser Nikolaus in eine Vergrößerung Preußens
willigen würde. Genug, v. Bismark war bald mit dem Fürsten Gortschakoff
einig geworden, und es kam nur noch darauf an, den damaligen Prinzregenten
von Preußen zum Eingehen auf den Handel zu bewegen, der dann auch mit
Frankreich abgeschlossen werden sollte. Diese Aufgabe machte indeß die Per¬
sönlichkeit des Prinzrcgenten und das Ministerium Hohenzollern so schwer, daß
man nur auf weiten Umwegen das Ziel zu erreichen, hoffen durfte. Das Vor¬
gehen Preußens gegen Frankreich 1859 war durch den raschen Abschluß des
Friedens von Villafranca abgeschnitten worden.

Nach dem Frieden kam v. Bismark auf Urlaub nach Berlin und begab sich
von dort, anscheinend nur zu seinem Vergnügen, nach Paris. Dort aber ließ
er sich sogleich in Unterhandlungen mit Walewski ein, stellte diesem vor, daß
Frankreich fortwährend von Deutschland mit Hemmung und selbst mit Krieg
bedroht sei, so lang'e Preußen sich nicht in der Lage befinde, den deutschen Fran¬
zosenfeinden Zügel anzulegen, und machte Vorschläge, die Walewski zu der An¬
frage in Berlin veranlaßten, was die eigentlichen Gedanken der preußischen
Negierung über die von Bismarks vernommenen Dinge seien. sHr. v. Schleime)
ertheilte hierauf eine fehr correcte Antwort, verneinte jeden Austrag, den v. Bis¬
mark gehabt haben wollte oder sollte, und stellte sogar entschieden in Abrede,
daß die persönlichen Auffassungen v. Bismarks im Einklange mit denen der
Regierung ständen. Bismark mußte sich sofort auf seinen Posten nach Peters¬
burg zurückbegeben. Nun hatten aber auch die oben berührten Machinationen
begonnen, um den Regenten mit dem Lande zu entzweien und ganz in die
Hände der Junkerpartei zu bringen. Da reifte das Project einer Zusammen¬
kunft Napoleons mit dem Prinzregcnten, und noch ehe letzterer zu diesem
Behufe im Juni 1860 nach Baden ging, kam v. Bismark nach Berlin und ver¬
suchte, wiewohl mit äußerster Vorsicht, dem Regenten seine Idee zu empfehlen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/355>, abgerufen am 25.08.2024.