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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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führlich, wobei auf frühere Jahre zurückgegangen wird. Herr v. Bismark, so
wird berichtet, hatte gleich nach dem Pariser Frieden von 1856 in einer Denk¬
schrift über die von Preußen demnächst einzunehmende Haltung den Ausspruch
gethan, daß man sich vor der Hand nach keiMr Seite hin engagiren, unter
Umständen aber auch vor einer Allianz mit Frankreich nicht zurückschrecken solle.
Dieses Wort machte einige Sensation, besonders bei dem verstorbenen Könige,
der solche Ansichten am wenigsten einem Koryphäen der Junkerpartei zugetraut,
aber auch vielleicht ebenso wenig das dahintersteckende Geheimniß geahnt hatte.
Der König ließ sich jedoch die Meinung Bismarks gefallen, weil sie ihm ohne¬
hin bequem war, und dieser fand eben darin wieder eine Ermunterung, seine
Pläne weiter zu verfolgen. Er ging daher im Sommer 1856 gemeinschaftlich
mit Herrn B . . . n nach Paris und gab sich bereits damals große Mühe, Na¬
poleon zu gefallen, Herrn von Walcwski lockende Bilder in Bezug auf Deutsch¬
land vorzuführen und nebenbei den damaligen preußischen Gesandten in Pa¬
ris, Herrn v. Hatzfeld, dessen Posten er bis zu seinem Eintritte in das
Ministerium für sich erstrebte, zu beseitigen. Diese Schritte hatten indessen
keinen weitern Erfolg, als daß Napoleon fand, mit v. Bismark würde sich
etwas machen lassen, und daß dieser seitdem immerfort von den Franzosen
cajolirt wurde. Nun kam der italienische Krieg und v. Bismark, der bei Be¬
ginn desselben eine zu prononcirte Haltung gegen Oestreich und für Frankreich
am Bundestage eingenommen hatte, wurde deshalb rasch von Frankfurt nach
Petersburg versetzt. Dort ließ er sich sogleich mit dem Fürsten Gortschakoff.
dessen stets erstrebtes Ziel eine russisch-französische Allianz mit besonderer Rich¬
tung gegen Deutschland war, auf das engste ein, und operirte in Verbindung
mit ihm indirect für Frankreich, indem er auch der Drohung Rußlands an
Deutschland für den Fall des Krieges gegen Frankreich, welche Herr v. Beust
gut beantwortete, nicht fremd blieb. Fürst Gortschakoff affectirte, seit dem Pa¬
riser Frieden keine Eroberungsgedanken zu nähren, war aber nun erst recht
entschlossen, nach jedem Mittel zu greifen, welches Rußland den im Orient
verlorenen Einfluß in Europa wieder verschaffen könnte. Sein besonderes
Augenmerk richtete er auf Polen, von dem er einsah, daß es ein fortwähren¬
der Herd der Revolution und eine bleibende Schwächung für Rußland sein
würde, wenn es nicht gelänge, zugleich mit einer Mischung des deutschen und
slawischen Elements, durch welche das letztere gebändigt werde, für Polen das
Meer wieder zu gewinnen. Auf diese Weise würde, nach Gortschakoffs Plan,
auch Rußland erst in die Reihe überwiegend europäischer Mächte eintreten.
Zur Ausführung seiner Ideen aber glaubte Gortschakoff Frankreich unbedingt
nöthig zu haben, das für seine Zustimmung zur Erweiterung des russischen
Gebiets bis an die Weichsel freie Hand erhalten müsse, sich in Belgien und
am Rheine zu vergrößern. Herr v. Bismark war mit diesen Ansichten nicht


führlich, wobei auf frühere Jahre zurückgegangen wird. Herr v. Bismark, so
wird berichtet, hatte gleich nach dem Pariser Frieden von 1856 in einer Denk¬
schrift über die von Preußen demnächst einzunehmende Haltung den Ausspruch
gethan, daß man sich vor der Hand nach keiMr Seite hin engagiren, unter
Umständen aber auch vor einer Allianz mit Frankreich nicht zurückschrecken solle.
Dieses Wort machte einige Sensation, besonders bei dem verstorbenen Könige,
der solche Ansichten am wenigsten einem Koryphäen der Junkerpartei zugetraut,
aber auch vielleicht ebenso wenig das dahintersteckende Geheimniß geahnt hatte.
Der König ließ sich jedoch die Meinung Bismarks gefallen, weil sie ihm ohne¬
hin bequem war, und dieser fand eben darin wieder eine Ermunterung, seine
Pläne weiter zu verfolgen. Er ging daher im Sommer 1856 gemeinschaftlich
mit Herrn B . . . n nach Paris und gab sich bereits damals große Mühe, Na¬
poleon zu gefallen, Herrn von Walcwski lockende Bilder in Bezug auf Deutsch¬
land vorzuführen und nebenbei den damaligen preußischen Gesandten in Pa¬
ris, Herrn v. Hatzfeld, dessen Posten er bis zu seinem Eintritte in das
Ministerium für sich erstrebte, zu beseitigen. Diese Schritte hatten indessen
keinen weitern Erfolg, als daß Napoleon fand, mit v. Bismark würde sich
etwas machen lassen, und daß dieser seitdem immerfort von den Franzosen
cajolirt wurde. Nun kam der italienische Krieg und v. Bismark, der bei Be¬
ginn desselben eine zu prononcirte Haltung gegen Oestreich und für Frankreich
am Bundestage eingenommen hatte, wurde deshalb rasch von Frankfurt nach
Petersburg versetzt. Dort ließ er sich sogleich mit dem Fürsten Gortschakoff.
dessen stets erstrebtes Ziel eine russisch-französische Allianz mit besonderer Rich¬
tung gegen Deutschland war, auf das engste ein, und operirte in Verbindung
mit ihm indirect für Frankreich, indem er auch der Drohung Rußlands an
Deutschland für den Fall des Krieges gegen Frankreich, welche Herr v. Beust
gut beantwortete, nicht fremd blieb. Fürst Gortschakoff affectirte, seit dem Pa¬
riser Frieden keine Eroberungsgedanken zu nähren, war aber nun erst recht
entschlossen, nach jedem Mittel zu greifen, welches Rußland den im Orient
verlorenen Einfluß in Europa wieder verschaffen könnte. Sein besonderes
Augenmerk richtete er auf Polen, von dem er einsah, daß es ein fortwähren¬
der Herd der Revolution und eine bleibende Schwächung für Rußland sein
würde, wenn es nicht gelänge, zugleich mit einer Mischung des deutschen und
slawischen Elements, durch welche das letztere gebändigt werde, für Polen das
Meer wieder zu gewinnen. Auf diese Weise würde, nach Gortschakoffs Plan,
auch Rußland erst in die Reihe überwiegend europäischer Mächte eintreten.
Zur Ausführung seiner Ideen aber glaubte Gortschakoff Frankreich unbedingt
nöthig zu haben, das für seine Zustimmung zur Erweiterung des russischen
Gebiets bis an die Weichsel freie Hand erhalten müsse, sich in Belgien und
am Rheine zu vergrößern. Herr v. Bismark war mit diesen Ansichten nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/354>, abgerufen am 25.08.2024.