Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.das wiederhergestellte Frankenreich einen außerordentlichen Gewinn. Sah man Und so war man denn, in Einem Stücke, wieder so ziemlich auf dem das wiederhergestellte Frankenreich einen außerordentlichen Gewinn. Sah man Und so war man denn, in Einem Stücke, wieder so ziemlich auf dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114652"/> <p xml:id="ID_1352" prev="#ID_1351"> das wiederhergestellte Frankenreich einen außerordentlichen Gewinn. Sah man<lb/> von den britischen Inseln ab, so erblickte der abendländische Christ innerhalb<lb/> des ganzen Umkreises, der jetzt seine Welt ausmachte, nur Einen Christenherrscber<lb/> und Ein Cbristcnreich ^- den König und das Reich der Franken. Nur inner¬<lb/> halb dieses Reiches rechte Christen, außerhalb desselben nur Heiden, Sarazenen<lb/> oder Christen von zweifelhafter Orthodoxie. — Das war unter allem, was die<lb/> Bewohner des Reichs vor den Draußenstehenden voraus hatten, das beste<lb/> Lebensprincip für ein starkes Gemeingefühl. Und dies Reich, schon unter<lb/> Chlodwig die Freude der frommen Seelen — was halte es nicht erst jetzt, un¬<lb/> ter den Hausmaiern und Königen karolingischen Stammes gethan, um sich noch<lb/> in ganz anderer Weise solcher Sympathien würdig zu machen? Die Errettung<lb/> der abendländischen Kirche vor dem gewaltigen Andrang des Mohamedcmismus,<lb/> die Erweiterung ihrer Grenzen durch die Zwangsbekehrung der Sachsen, sowie<lb/> durch die Missionäre nach den slavischen Ländern, waren keineswegs das ganze<lb/> um die Sache Gottes erworbene Verdienst. Auch die Restauration der Kirche<lb/> in ihrem Innern, die Ausrottung des grenzenlosen Verderbens, welches hier<lb/> während der letzten Merovingerzeiten eingerissen war, die Aufrechterhaltung der<lb/> Geistlichkeit gegen die weltlichen Großen und die Erweckung eines kräftigen<lb/> Standesbewußlscinö unter ihren eigenen Mitgliedern, die Wiederherstellung ih¬<lb/> rer Disciplin und die Wiederbelebung ihrer wissenschaftlichen Thätigkeit — das<lb/> alles war nur unter den neuen Frankenkönigen möglich gewesen und nament¬<lb/> lich von dem gewaltigen Karl vollzogen worden in einer Großartigkeit ohne<lb/> Gleichen. Was diese und was das neue Königsgeschlecht überhaupt für die<lb/> Kirche geworden sei, empfing aber noch einen besondern Ausdruck durch das<lb/> Verhältniß zu dem Papste. Die Hülfe, welche der Papst von den Karolingern<lb/> gegen die Longobarden und die Karolinger vom Papst bei der Thronentsetzung<lb/> der Merovinger empfangen hatten, die Ausstattung der römischen Kirche mit<lb/> einem umfassenden Gebiete und die Mitwirkung dieser Kirche bei der Einfüh¬<lb/> rung und Befestigung fränkischer Herrschaft in Italien — wechselseitige Gunst¬<lb/> bezeigungen und Bedürfnisse der mannigfaltigsten Art schienen hier eine Ge¬<lb/> meinschaft der Interessen zu begründen und zu beweisen, wie sie nicht wohl<lb/> inniger gedacht werden konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1353" next="#ID_1354"> Und so war man denn, in Einem Stücke, wieder so ziemlich auf dem<lb/> Punkte angekommen, auf welchem man sich vor drei bis vier Jahrhunderten<lb/> befunden. Man hatte wieder ein Gemeinwesen, welches in den Augen seiner<lb/> Angehörigen das Reich schlechthin war — ihren ganzen Gesichtskreis umschlie¬<lb/> ßend — mit dem Begriffe der Christenheit so gut wie zusammenfallend — ge¬<lb/> weiht und geheiligt, daß ihm gegenüber kein anderes Reich als berechtigt er¬<lb/> scheinen mochte. Nicht in Konstantinopel. sondern meist zwischen der Maas<lb/> und dem Rheine, namentlich zu Aachen, hatte man den Herrscher dieses Welt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0338]
das wiederhergestellte Frankenreich einen außerordentlichen Gewinn. Sah man
von den britischen Inseln ab, so erblickte der abendländische Christ innerhalb
des ganzen Umkreises, der jetzt seine Welt ausmachte, nur Einen Christenherrscber
und Ein Cbristcnreich ^- den König und das Reich der Franken. Nur inner¬
halb dieses Reiches rechte Christen, außerhalb desselben nur Heiden, Sarazenen
oder Christen von zweifelhafter Orthodoxie. — Das war unter allem, was die
Bewohner des Reichs vor den Draußenstehenden voraus hatten, das beste
Lebensprincip für ein starkes Gemeingefühl. Und dies Reich, schon unter
Chlodwig die Freude der frommen Seelen — was halte es nicht erst jetzt, un¬
ter den Hausmaiern und Königen karolingischen Stammes gethan, um sich noch
in ganz anderer Weise solcher Sympathien würdig zu machen? Die Errettung
der abendländischen Kirche vor dem gewaltigen Andrang des Mohamedcmismus,
die Erweiterung ihrer Grenzen durch die Zwangsbekehrung der Sachsen, sowie
durch die Missionäre nach den slavischen Ländern, waren keineswegs das ganze
um die Sache Gottes erworbene Verdienst. Auch die Restauration der Kirche
in ihrem Innern, die Ausrottung des grenzenlosen Verderbens, welches hier
während der letzten Merovingerzeiten eingerissen war, die Aufrechterhaltung der
Geistlichkeit gegen die weltlichen Großen und die Erweckung eines kräftigen
Standesbewußlscinö unter ihren eigenen Mitgliedern, die Wiederherstellung ih¬
rer Disciplin und die Wiederbelebung ihrer wissenschaftlichen Thätigkeit — das
alles war nur unter den neuen Frankenkönigen möglich gewesen und nament¬
lich von dem gewaltigen Karl vollzogen worden in einer Großartigkeit ohne
Gleichen. Was diese und was das neue Königsgeschlecht überhaupt für die
Kirche geworden sei, empfing aber noch einen besondern Ausdruck durch das
Verhältniß zu dem Papste. Die Hülfe, welche der Papst von den Karolingern
gegen die Longobarden und die Karolinger vom Papst bei der Thronentsetzung
der Merovinger empfangen hatten, die Ausstattung der römischen Kirche mit
einem umfassenden Gebiete und die Mitwirkung dieser Kirche bei der Einfüh¬
rung und Befestigung fränkischer Herrschaft in Italien — wechselseitige Gunst¬
bezeigungen und Bedürfnisse der mannigfaltigsten Art schienen hier eine Ge¬
meinschaft der Interessen zu begründen und zu beweisen, wie sie nicht wohl
inniger gedacht werden konnte.
Und so war man denn, in Einem Stücke, wieder so ziemlich auf dem
Punkte angekommen, auf welchem man sich vor drei bis vier Jahrhunderten
befunden. Man hatte wieder ein Gemeinwesen, welches in den Augen seiner
Angehörigen das Reich schlechthin war — ihren ganzen Gesichtskreis umschlie¬
ßend — mit dem Begriffe der Christenheit so gut wie zusammenfallend — ge¬
weiht und geheiligt, daß ihm gegenüber kein anderes Reich als berechtigt er¬
scheinen mochte. Nicht in Konstantinopel. sondern meist zwischen der Maas
und dem Rheine, namentlich zu Aachen, hatte man den Herrscher dieses Welt-
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