Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.zuerst über diese Petition hin und her gesprochen, der Graf Santa Rosa und Dieser Schritt traf den König nicht unvorbereitet, schon mehre Tage zu¬ Die Minister mochten diesen Entschluß nicht blos mit Rücksicht auf die zuerst über diese Petition hin und her gesprochen, der Graf Santa Rosa und Dieser Schritt traf den König nicht unvorbereitet, schon mehre Tage zu¬ Die Minister mochten diesen Entschluß nicht blos mit Rücksicht auf die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114632"/> <p xml:id="ID_1290" prev="#ID_1289"> zuerst über diese Petition hin und her gesprochen, der Graf Santa Rosa und<lb/> erklärte, dieser Antrag sei vielleicht von Nutzen und Bedeutung gewesen vor<lb/> den Vorfällen in Neapel, aber im jetzigen Augenblick stehe er nicht mehr auf<lb/> der Höhe der großen Ereignisse und der Lage der verschiedenen Staaten Ita-"<lb/> liens. Mit einem König, der als Vater handle, müsse man mit dem vollen<lb/> Vertrauen eines Kindes reden und ihn bitten, das große glorreich von ihm be¬<lb/> gonnene Werk der politischen Wiedergeburt zu krönen durch die Bewilligung<lb/> einer Repräsentativverfassung, einschließlich der Errichtung der Bürgerwehr.<lb/> Diese Worte machten tiefen Eindruck, und als es zur Abstimmung kam, wurde<lb/> Santa Rosa's Antrag mit 36 gegen 12 Stimmen angenommen. Sofort<lb/> wurde eine Commission niedergesetzt, bestehend aus Graf Santa Rosa, Graf<lb/> Boncompagni und den Advocaten Sineo und Galvagnv, um in Gemeinschaft<lb/> mit den beiden Bürgermeistern eine Adresse in diesem Sinn an den König zu<lb/> verfassen. Dies geschah sofort, die Adresse wurde vom Stadtrath genehmigt,<lb/> und die beiden Bürgermeister sollten sie am 7. Februar dem König überreichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1291"> Dieser Schritt traf den König nicht unvorbereitet, schon mehre Tage zu¬<lb/> vor hatte im Ministerrath der Marchese Alfieri, Minister des öffentlichen Unter¬<lb/> richts, die Frage angeregt, ob es nicht statthaft sei, dem König die neue Lage<lb/> zu schildern, in welcher das Land in Folge der Ereignisse im übrigen Italien<lb/> sich befinde, und ihn mit Rücksicht hierauf um neue erweiterte Zugeständnisse<lb/> zu bitten. Sämmtliche Minister stimmten über die Zweckmäßigkeit dieses Vor¬<lb/> schlags überein, und Graf Borelli, der Minister deö Innern, wurde als der Ael-<lb/> teste beauftragt, dem König hierüber zu berichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1292" next="#ID_1293"> Die Minister mochten diesen Entschluß nicht blos mit Rücksicht auf die<lb/> öffentliche Ordnung, sondern mehr noch in der Erwägung gefaßt haben, daß<lb/> es ein politischer Fehler wäre, sich von den andern italienischen Staaten über¬<lb/> holen zu lassen. Eifersucht auf den König von Neapel war es nun wohl<lb/> auch, was Karl Albert jetzt solchem Andrängen zugänglicher machte. Er nahm<lb/> die Vorstellung des Ministeriums wohlwollend auf, konnte aber einen gewissen<lb/> Zwiespalt in seinem Innern nicht verbergen. Er war offenbar geneigt, zu ge¬<lb/> währen, schien aber mit einem geheimnißvollen entgegenwirkenden Umstand zu<lb/> kämpfen. Anhaltende Berathungen wurden gepflogen, nicht nur mit den Mi¬<lb/> nistern, sondern auch mit andern Autoritäten des Landes! Alles war einig,<lb/> daß die Lage des Staats eine Verfassung verlange. „Nun so sei es denn eine<lb/> Verfassung" rief endlich Karl Albert aus, „ aber das königliche Decret. welches<lb/> sie meinen Völkern ertheilt, wird von meinem Sohne gezeichnet sein." Was<lb/> bisher nur Vermuthung gewesen, schien jetzt keinem Zweifel mehr zu unter¬<lb/> liegen: Die Verweigerung der Constitution war eine Gewissenssache für den<lb/> König, nicht nur wegen seiner religiösen Bedenken, sondern auch, weil er, wie<lb/> alle italienischen Fürsten gegen Oestreich sich verpflichtet hatte, seinen Völkern</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
zuerst über diese Petition hin und her gesprochen, der Graf Santa Rosa und
erklärte, dieser Antrag sei vielleicht von Nutzen und Bedeutung gewesen vor
den Vorfällen in Neapel, aber im jetzigen Augenblick stehe er nicht mehr auf
der Höhe der großen Ereignisse und der Lage der verschiedenen Staaten Ita-"
liens. Mit einem König, der als Vater handle, müsse man mit dem vollen
Vertrauen eines Kindes reden und ihn bitten, das große glorreich von ihm be¬
gonnene Werk der politischen Wiedergeburt zu krönen durch die Bewilligung
einer Repräsentativverfassung, einschließlich der Errichtung der Bürgerwehr.
Diese Worte machten tiefen Eindruck, und als es zur Abstimmung kam, wurde
Santa Rosa's Antrag mit 36 gegen 12 Stimmen angenommen. Sofort
wurde eine Commission niedergesetzt, bestehend aus Graf Santa Rosa, Graf
Boncompagni und den Advocaten Sineo und Galvagnv, um in Gemeinschaft
mit den beiden Bürgermeistern eine Adresse in diesem Sinn an den König zu
verfassen. Dies geschah sofort, die Adresse wurde vom Stadtrath genehmigt,
und die beiden Bürgermeister sollten sie am 7. Februar dem König überreichen.
Dieser Schritt traf den König nicht unvorbereitet, schon mehre Tage zu¬
vor hatte im Ministerrath der Marchese Alfieri, Minister des öffentlichen Unter¬
richts, die Frage angeregt, ob es nicht statthaft sei, dem König die neue Lage
zu schildern, in welcher das Land in Folge der Ereignisse im übrigen Italien
sich befinde, und ihn mit Rücksicht hierauf um neue erweiterte Zugeständnisse
zu bitten. Sämmtliche Minister stimmten über die Zweckmäßigkeit dieses Vor¬
schlags überein, und Graf Borelli, der Minister deö Innern, wurde als der Ael-
teste beauftragt, dem König hierüber zu berichten.
Die Minister mochten diesen Entschluß nicht blos mit Rücksicht auf die
öffentliche Ordnung, sondern mehr noch in der Erwägung gefaßt haben, daß
es ein politischer Fehler wäre, sich von den andern italienischen Staaten über¬
holen zu lassen. Eifersucht auf den König von Neapel war es nun wohl
auch, was Karl Albert jetzt solchem Andrängen zugänglicher machte. Er nahm
die Vorstellung des Ministeriums wohlwollend auf, konnte aber einen gewissen
Zwiespalt in seinem Innern nicht verbergen. Er war offenbar geneigt, zu ge¬
währen, schien aber mit einem geheimnißvollen entgegenwirkenden Umstand zu
kämpfen. Anhaltende Berathungen wurden gepflogen, nicht nur mit den Mi¬
nistern, sondern auch mit andern Autoritäten des Landes! Alles war einig,
daß die Lage des Staats eine Verfassung verlange. „Nun so sei es denn eine
Verfassung" rief endlich Karl Albert aus, „ aber das königliche Decret. welches
sie meinen Völkern ertheilt, wird von meinem Sohne gezeichnet sein." Was
bisher nur Vermuthung gewesen, schien jetzt keinem Zweifel mehr zu unter¬
liegen: Die Verweigerung der Constitution war eine Gewissenssache für den
König, nicht nur wegen seiner religiösen Bedenken, sondern auch, weil er, wie
alle italienischen Fürsten gegen Oestreich sich verpflichtet hatte, seinen Völkern
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