Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.Polnischer Meinung ungleicher Elemente ließ bald eine Verschiedenheit der Inter¬ Grade in jenen Tagen aber, da die Einigung aller Parteien der Arbeit Beide Männer schienen hierzu vorzugsweise geeignet. Farini, ein feuriger Grcnzboten III. 1862. 33
Polnischer Meinung ungleicher Elemente ließ bald eine Verschiedenheit der Inter¬ Grade in jenen Tagen aber, da die Einigung aller Parteien der Arbeit Beide Männer schienen hierzu vorzugsweise geeignet. Farini, ein feuriger Grcnzboten III. 1862. 33
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114619"/> <p xml:id="ID_1250" prev="#ID_1249"> Polnischer Meinung ungleicher Elemente ließ bald eine Verschiedenheit der Inter¬<lb/> essen hervortreten, wozu gleich die Berathung über die Form der Gesellschaft<lb/> den ersten Anlaß bot: die Einen, den Intendanten der Seidenwebstühle, Lorenzo<lb/> Valerio an der Spitze, wollten ihr eine möglichst demokratische Grundlage geben<lb/> und alle Macht in die Versammlung selbst verlegen, während ihm gegenüber<lb/> Cavour, Petitti, Pinelli, Alfieri u. a. für eine straffere Concentrirung der<lb/> Kräfte kämpften. Den leidenschaftlichen Discussionen, welche selbst die Existenz<lb/> der Gesellschaft bedrohten, machte die Regierung ein Ende, indem sie die Vvr-<lb/> standsslelle zum Rang eines Staatsamts erhob. Dadurch wurde die Verwaltung<lb/> gekräftigt, und wie der Erfolg bewies, eine sehr gedeihliche Wirksamkeit einge¬<lb/> leitet. Die Kämpfe hörten aber darum nicht auf; sie nahmen die Form par¬<lb/> lamentarischer Discussionen an, es gab eine Rechte und eine Linke, und Weiter¬<lb/> blickende sahen darin eine Vorschule der politischen Debatte. Der Kampf zwi¬<lb/> schen Valerianern und Cavourianern machte sich bald auch außerhalb der Casa<lb/> Eine, wo die agrarische Gesellschaft ihren Sitz hatte, geltend, und wurde das<lb/> Vorspiel zu den Parteikämpfen, die der Natur der Sache nach bis heute nicht<lb/> ausgekämpft sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1251"> Grade in jenen Tagen aber, da die Einigung aller Parteien der Arbeit<lb/> für die nationale Sache allein die nöthige Kraft verleihen konnte, mußte dieser<lb/> Gegensatz doppelt schwer empfunden werden. Es war nicht zu verkennen, daß<lb/> Valerio, zwar ohne tüchtige Bildung, aber reichbegabt und von wirkungsvoller<lb/> Beredtsamkeit, auf die niederen Massen einen großen Einfluß ausübte, und das<lb/> gehässige Wort Aristokrat verfehlte nicht seine Wirkung auf die Phantasie und<lb/> die Instinkte der Menge. Sollte es kein Mittel geben, die Bestrebungen der<lb/> Gemäßigten zur Anerkennung zu bringen, Vorurtheile zu zerstreuen, die nur<lb/> der Reaction zu Gute kamen, und die Parteien im Interesse der gemeinsamen<lb/> nationalen Sache zu versöhnen? Diese Frage war es, welche jetzt zwei Männer,<lb/> der eine aus dem Volk, der andere aus der Aristokratie, der Arzt Luigi Carlo<lb/> Farini und der Marchese Massimo d'Azeglio, gemeinschaftlich zu lösen unter¬<lb/> nahmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1252" next="#ID_1253"> Beide Männer schienen hierzu vorzugsweise geeignet. Farini, ein feuriger<lb/> Romagnole, der als Jüngling von 19 Jahren sich an den Bewegungen seiner<lb/> Heimath 1830 und 1831 betheiligt, dann verbannt sich der Sekte des jungen<lb/> Italiens angeschlossen hatte, war inzwischen von den Mazzinistischen Illusionen<lb/> vollständig zurückgekommen und in die Reihen der Gemäßigten getreten. Aus<lb/> Anlaß der Unruhen von Rimini hatte er ein „Manifest der Bevölkerungen des<lb/> römischen Staats an die Fürsten und Völker Europa's" erlassen, das immerhin<lb/> gemäßigt genug war, um später als Grundlage für die von Pius dem Neunten<lb/> und seinen Ministern unternommenen Reformen zu dienen. Massimo d'Azeglio<lb/> hatte seinem Ruhm als Maler und Romandichter kürzlich den eines hervor-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grcnzboten III. 1862. 33</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0305]
Polnischer Meinung ungleicher Elemente ließ bald eine Verschiedenheit der Inter¬
essen hervortreten, wozu gleich die Berathung über die Form der Gesellschaft
den ersten Anlaß bot: die Einen, den Intendanten der Seidenwebstühle, Lorenzo
Valerio an der Spitze, wollten ihr eine möglichst demokratische Grundlage geben
und alle Macht in die Versammlung selbst verlegen, während ihm gegenüber
Cavour, Petitti, Pinelli, Alfieri u. a. für eine straffere Concentrirung der
Kräfte kämpften. Den leidenschaftlichen Discussionen, welche selbst die Existenz
der Gesellschaft bedrohten, machte die Regierung ein Ende, indem sie die Vvr-
standsslelle zum Rang eines Staatsamts erhob. Dadurch wurde die Verwaltung
gekräftigt, und wie der Erfolg bewies, eine sehr gedeihliche Wirksamkeit einge¬
leitet. Die Kämpfe hörten aber darum nicht auf; sie nahmen die Form par¬
lamentarischer Discussionen an, es gab eine Rechte und eine Linke, und Weiter¬
blickende sahen darin eine Vorschule der politischen Debatte. Der Kampf zwi¬
schen Valerianern und Cavourianern machte sich bald auch außerhalb der Casa
Eine, wo die agrarische Gesellschaft ihren Sitz hatte, geltend, und wurde das
Vorspiel zu den Parteikämpfen, die der Natur der Sache nach bis heute nicht
ausgekämpft sind.
Grade in jenen Tagen aber, da die Einigung aller Parteien der Arbeit
für die nationale Sache allein die nöthige Kraft verleihen konnte, mußte dieser
Gegensatz doppelt schwer empfunden werden. Es war nicht zu verkennen, daß
Valerio, zwar ohne tüchtige Bildung, aber reichbegabt und von wirkungsvoller
Beredtsamkeit, auf die niederen Massen einen großen Einfluß ausübte, und das
gehässige Wort Aristokrat verfehlte nicht seine Wirkung auf die Phantasie und
die Instinkte der Menge. Sollte es kein Mittel geben, die Bestrebungen der
Gemäßigten zur Anerkennung zu bringen, Vorurtheile zu zerstreuen, die nur
der Reaction zu Gute kamen, und die Parteien im Interesse der gemeinsamen
nationalen Sache zu versöhnen? Diese Frage war es, welche jetzt zwei Männer,
der eine aus dem Volk, der andere aus der Aristokratie, der Arzt Luigi Carlo
Farini und der Marchese Massimo d'Azeglio, gemeinschaftlich zu lösen unter¬
nahmen.
Beide Männer schienen hierzu vorzugsweise geeignet. Farini, ein feuriger
Romagnole, der als Jüngling von 19 Jahren sich an den Bewegungen seiner
Heimath 1830 und 1831 betheiligt, dann verbannt sich der Sekte des jungen
Italiens angeschlossen hatte, war inzwischen von den Mazzinistischen Illusionen
vollständig zurückgekommen und in die Reihen der Gemäßigten getreten. Aus
Anlaß der Unruhen von Rimini hatte er ein „Manifest der Bevölkerungen des
römischen Staats an die Fürsten und Völker Europa's" erlassen, das immerhin
gemäßigt genug war, um später als Grundlage für die von Pius dem Neunten
und seinen Ministern unternommenen Reformen zu dienen. Massimo d'Azeglio
hatte seinem Ruhm als Maler und Romandichter kürzlich den eines hervor-
Grcnzboten III. 1862. 33
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |