Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.zweifeln wir hebr, jedenfalls werde" großartige Anstalten getroffen, und wir möchten Wenn alle diese Zustände keine heitere Stimmung erwecken, so ersüllt auch die zweifeln wir hebr, jedenfalls werde» großartige Anstalten getroffen, und wir möchten Wenn alle diese Zustände keine heitere Stimmung erwecken, so ersüllt auch die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0287" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114601"/> <p xml:id="ID_1199" prev="#ID_1198"> zweifeln wir hebr, jedenfalls werde» großartige Anstalten getroffen, und wir möchten<lb/> daher jeden, der das Volk in seiner Eigenartigkeit beobachten will, auffordern, diese<lb/> Gelegenheit zu benutzen. Diese Dinge zeigen uns den Klerus in seinem alten<lb/> Wirkungskreise, von seinem mächtigen Einflüsse anf das Volk gibt auch der Erfolg<lb/> des Protestes gegen den Entwurf eines Religionsedictcs von Mühlfeld Kunde. Die<lb/> Logik der Zahlen kann schließlich niemand bestreiten, und dieser müssen auch wir,<lb/> wenn auch nicht mit freudigen, Sinne nachgeben. Zuvörderst sei erwähnt, daß sich<lb/> die ganze Hetze nur auf Deurschtirol erstreckt; im wülschen Landestheile herrscht keine<lb/> solche Hitze, indem dort der Klerus besonnen ist und die Gebildeten sich mehr mit<lb/> der irdischen Nationalitätsfrage befassen. Die vierzig Bezirksgerichte Deutschtirols<lb/> also zählen 488 Gemeinden, von diesen unterschrieben nur 18 nicht. Zu Innsbruck<lb/> war es 1859 nur möglich 950 Unterschriften für die Adresse an den Papst zu er¬<lb/> langen, der Protest erhielt 1259. Betrachten wir diese keineswegs angenehme That¬<lb/> sache, so läßt sich gewiß nicht läugnen, daß eine große Anzahl Unterschriften durch<lb/> moralischen Zwang, eine andere von der Gleichgiltigkeit gegen alles, was nichts ko¬<lb/> stet, eine dritte durch Erschleichung gewonnen wurde, auf diese Ursachen läßt sich<lb/> aber doch nicht alles zurückführen, wohl aber muß man gestehen, daß der Klerus<lb/> seine Macht durch seine Thätigkeit ungemein verstärkte. Wir wissen nur, wie weil<lb/> sich diese in solchen Angelegenheiten erstreckt, wie weit sie in ernsteren Dingen reicht,<lb/> läßt sich noch nicht berechnen. Die Regierung Hütte alle Ursache, ein wachsames<lb/> Auge zu haben, aus dem Tone dieser Proteste, von denen wir einen zur Proue<lb/> mittheilen, hört sich gar manches heraus. Man nimmt sich kein Blatt vor den<lb/> Mund. „Unsere Gemeinde protestirt hiermit energisch gegen das bekannte Mühlfcld-<lb/> sche Religionscdict und erklärt zugleich, daß dasselbe unserer Ansicht nach für Oest¬<lb/> reich nur nachtheilige Folgen hervorbringe. Wir hegen daher die Hoffnung, daß<lb/> unser frommer und allgemein verehrter Kaiser mit uns übereinstimme und keines¬<lb/> wegs ein unserer heiligen Religion so gefährliches Gesetz bestätigen werde. Wir blei¬<lb/> ben in dem Glauben, den uns die katholische Kirche lehrt, die wir von unsern Vä¬<lb/> tern ererbt. Zugleich erzeigen wir die tiefste Ehrfurcht, schuldigster Gehorsam,<lb/> höchste Hochachtung und kindliche Ergebung gegen das in unserer Zeit so bedrängte<lb/> Oberhaupt der Kirche Papst Pius den Neunten." — Seine Majestät der Kaiser<lb/> kann sich sür die empfangene Belehrung bedanken, Schriftstücke dieser Art wären<lb/> nie zum Vorschein gekommen, wenn man den Klerikalen gleich anfangs durch feste<lb/> Gesetze jedes Hinterpförtchen verrammelt hätte. Wir haben dieses oft genug gesagt,<lb/> der Erfolg bestätigt unsere Ansicht. Viel Gerede verursacht gegenwärtig ein Schul¬<lb/> diener von jenseits des Brenners; lange der besondere Liebling des Klerus, ist er nun<lb/> wegen Sodomie, mit der er die ihm anvertrauten Kinder befleckte, in Haft und<lb/> dürfte demnächst in das Zuchthaus abgeliefert werde». Ob dieses auch dem Priester<lb/> geschieht, der gegenwärtig wegen des gleichen schändlichen Verbrechens in Untersuchung<lb/> sein soll, daran zweifelt man, vermuthlich wird die Sache dem Concordat zu Liebe<lb/> vertuscht. Nur aus diesem Grunde erwähnen wir den Scandal hier.</p><lb/> <p xml:id="ID_1200" next="#ID_1201"> Wenn alle diese Zustände keine heitere Stimmung erwecken, so ersüllt auch die<lb/> Abnahme der Bevölkerung in Tirol mit einiger Besorgniß, um so mehr, da diese<lb/> Verminderung den Bauernstand trifft. Die Zahl der Bewohner Innsbrucks betrug<lb/> 1796 einschließlich Wiltau und Holting, Dörfer, welche als dessen Vorstädte zu be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0287]
zweifeln wir hebr, jedenfalls werde» großartige Anstalten getroffen, und wir möchten
daher jeden, der das Volk in seiner Eigenartigkeit beobachten will, auffordern, diese
Gelegenheit zu benutzen. Diese Dinge zeigen uns den Klerus in seinem alten
Wirkungskreise, von seinem mächtigen Einflüsse anf das Volk gibt auch der Erfolg
des Protestes gegen den Entwurf eines Religionsedictcs von Mühlfeld Kunde. Die
Logik der Zahlen kann schließlich niemand bestreiten, und dieser müssen auch wir,
wenn auch nicht mit freudigen, Sinne nachgeben. Zuvörderst sei erwähnt, daß sich
die ganze Hetze nur auf Deurschtirol erstreckt; im wülschen Landestheile herrscht keine
solche Hitze, indem dort der Klerus besonnen ist und die Gebildeten sich mehr mit
der irdischen Nationalitätsfrage befassen. Die vierzig Bezirksgerichte Deutschtirols
also zählen 488 Gemeinden, von diesen unterschrieben nur 18 nicht. Zu Innsbruck
war es 1859 nur möglich 950 Unterschriften für die Adresse an den Papst zu er¬
langen, der Protest erhielt 1259. Betrachten wir diese keineswegs angenehme That¬
sache, so läßt sich gewiß nicht läugnen, daß eine große Anzahl Unterschriften durch
moralischen Zwang, eine andere von der Gleichgiltigkeit gegen alles, was nichts ko¬
stet, eine dritte durch Erschleichung gewonnen wurde, auf diese Ursachen läßt sich
aber doch nicht alles zurückführen, wohl aber muß man gestehen, daß der Klerus
seine Macht durch seine Thätigkeit ungemein verstärkte. Wir wissen nur, wie weil
sich diese in solchen Angelegenheiten erstreckt, wie weit sie in ernsteren Dingen reicht,
läßt sich noch nicht berechnen. Die Regierung Hütte alle Ursache, ein wachsames
Auge zu haben, aus dem Tone dieser Proteste, von denen wir einen zur Proue
mittheilen, hört sich gar manches heraus. Man nimmt sich kein Blatt vor den
Mund. „Unsere Gemeinde protestirt hiermit energisch gegen das bekannte Mühlfcld-
sche Religionscdict und erklärt zugleich, daß dasselbe unserer Ansicht nach für Oest¬
reich nur nachtheilige Folgen hervorbringe. Wir hegen daher die Hoffnung, daß
unser frommer und allgemein verehrter Kaiser mit uns übereinstimme und keines¬
wegs ein unserer heiligen Religion so gefährliches Gesetz bestätigen werde. Wir blei¬
ben in dem Glauben, den uns die katholische Kirche lehrt, die wir von unsern Vä¬
tern ererbt. Zugleich erzeigen wir die tiefste Ehrfurcht, schuldigster Gehorsam,
höchste Hochachtung und kindliche Ergebung gegen das in unserer Zeit so bedrängte
Oberhaupt der Kirche Papst Pius den Neunten." — Seine Majestät der Kaiser
kann sich sür die empfangene Belehrung bedanken, Schriftstücke dieser Art wären
nie zum Vorschein gekommen, wenn man den Klerikalen gleich anfangs durch feste
Gesetze jedes Hinterpförtchen verrammelt hätte. Wir haben dieses oft genug gesagt,
der Erfolg bestätigt unsere Ansicht. Viel Gerede verursacht gegenwärtig ein Schul¬
diener von jenseits des Brenners; lange der besondere Liebling des Klerus, ist er nun
wegen Sodomie, mit der er die ihm anvertrauten Kinder befleckte, in Haft und
dürfte demnächst in das Zuchthaus abgeliefert werde». Ob dieses auch dem Priester
geschieht, der gegenwärtig wegen des gleichen schändlichen Verbrechens in Untersuchung
sein soll, daran zweifelt man, vermuthlich wird die Sache dem Concordat zu Liebe
vertuscht. Nur aus diesem Grunde erwähnen wir den Scandal hier.
Wenn alle diese Zustände keine heitere Stimmung erwecken, so ersüllt auch die
Abnahme der Bevölkerung in Tirol mit einiger Besorgniß, um so mehr, da diese
Verminderung den Bauernstand trifft. Die Zahl der Bewohner Innsbrucks betrug
1796 einschließlich Wiltau und Holting, Dörfer, welche als dessen Vorstädte zu be-
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