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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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"ber. dos noch lange vergebens vor dem königlichen Palast wartete, wandte
seinen Haß gegen diejenigen, welche sie verhindert hatten, und die vereitelte
Demonstration brachte kaum geringere Wirkung ans den öffentlichen Geist her¬
vor, als ihr Gelingen hätte haben können. Der König selbst, der schon damals
>n verschiedenen Zeitungen beschuldigt wurde, in den Händen der Revolution
zu sein und nach der Königskrone von Italien zu trachten, hatte die größte
Freude, daß Metternich seinen Aerger über jene Demonstrationen nicht verbergen
konnte, "Dieser arme Fürst Metternich." schrieb er vertraulich an V,l!amarina.
"dauert mich wirklich. Aber was mich betrifft, so bin ich trotz der kleinen, sehr
kleinen östreichischen Partei fest entschlossen vorwärts zu 'gehen in allem, was
das Volksglück und die Entwicklung unsres Nationalgefühls befördern kann.
Wollte man aus unsrem Lande den antiöstrcichischen Geist vertreiben, so müßte
wan mit meiner Vertreibung beginnen."

Die Salz- und Weinfrage wurde inzwischen auf diplomatischem Wege wei¬
tergeführt. Ein geschickter Diplomat, der Geruche Albert Ricci, wurde nach
Wien gesandt, um die Schwierigkeiten, die sich zwischen Heiden Cabineten erho¬
ben, zu ebnen. Aber da der König selbst von Turin aus alles leiten wollte,
so geschah es oft. daß, wenn ein Erfolg erzielt war. dieser wieder durchkreuzt
wurde durch andere Entschließungen, und so schleppte sich die Sache noch lange
fort, je nachdem beim König muthige und zaghafte Stimmungen wechselten.

Karl Albert verlangte zunächst, die östreichische Regierung solle eine belei¬
digende Note zurücknehmen, welche sie aus Anlaß des Artikels der Mailänder
Zeitung vom 20. April an den sardinischen Consul in Mailand gerichtet.
Hierauf schlug er ein Schiedsgericht vor. wobei er aber die Vorbedingung machte,
daß die Repressalie auf die Weineinfuhr von Seite Oestreichs suspendirt würde.
Oestreich erwiderte mit der Gegenforderung, daß auch die Salzdurchfuhr nach
dem Canton Tessin suspendirt wurde. Hierauf erklärte Karl Albert nicht ein¬
gehen zu können, da dies eine Beeinträchtigung seiner königlichen Rechte wäre;
zudem würde dies den Schein auf ihn werfen, als hätte er bei der Concession
der Salzdurchfuhr, die doch mit dem Vertrag gar nicht zusammenhänge, nicht
in loyaler Absicht gehandelt. Oestreich drohte jetzt, in einer officiellen Note
den König persönlich für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich zu
machen, was unter seinen Unterthanen, die ohnedies durch die Wcinsteuer
sehr beschädigt seien. Unzufriedenheit und Aufregung veranlassen würde. Aber
auch hierdurch ließ sich der König nicht einschüchtern, indem er entgegnete, dieser
unkluge Schritt würde nicht allein in Piemont. sondern in ganz Italien eine
Aufregung zur Folge haben, übrigens fürchte er die Polemik nicht, die sich
an die Veröffentlichung jener Note knüpfen würde, auch ihm werde es nicht
an Vertheidigern fehlen, in jedem Falle werde er sich niemals zu einer mit
seiner Ehre unvereinbarer Bedingung verstehen, "und sollte man ihm die Haut


"ber. dos noch lange vergebens vor dem königlichen Palast wartete, wandte
seinen Haß gegen diejenigen, welche sie verhindert hatten, und die vereitelte
Demonstration brachte kaum geringere Wirkung ans den öffentlichen Geist her¬
vor, als ihr Gelingen hätte haben können. Der König selbst, der schon damals
>n verschiedenen Zeitungen beschuldigt wurde, in den Händen der Revolution
zu sein und nach der Königskrone von Italien zu trachten, hatte die größte
Freude, daß Metternich seinen Aerger über jene Demonstrationen nicht verbergen
konnte, „Dieser arme Fürst Metternich." schrieb er vertraulich an V,l!amarina.
»dauert mich wirklich. Aber was mich betrifft, so bin ich trotz der kleinen, sehr
kleinen östreichischen Partei fest entschlossen vorwärts zu 'gehen in allem, was
das Volksglück und die Entwicklung unsres Nationalgefühls befördern kann.
Wollte man aus unsrem Lande den antiöstrcichischen Geist vertreiben, so müßte
wan mit meiner Vertreibung beginnen."

Die Salz- und Weinfrage wurde inzwischen auf diplomatischem Wege wei¬
tergeführt. Ein geschickter Diplomat, der Geruche Albert Ricci, wurde nach
Wien gesandt, um die Schwierigkeiten, die sich zwischen Heiden Cabineten erho¬
ben, zu ebnen. Aber da der König selbst von Turin aus alles leiten wollte,
so geschah es oft. daß, wenn ein Erfolg erzielt war. dieser wieder durchkreuzt
wurde durch andere Entschließungen, und so schleppte sich die Sache noch lange
fort, je nachdem beim König muthige und zaghafte Stimmungen wechselten.

Karl Albert verlangte zunächst, die östreichische Regierung solle eine belei¬
digende Note zurücknehmen, welche sie aus Anlaß des Artikels der Mailänder
Zeitung vom 20. April an den sardinischen Consul in Mailand gerichtet.
Hierauf schlug er ein Schiedsgericht vor. wobei er aber die Vorbedingung machte,
daß die Repressalie auf die Weineinfuhr von Seite Oestreichs suspendirt würde.
Oestreich erwiderte mit der Gegenforderung, daß auch die Salzdurchfuhr nach
dem Canton Tessin suspendirt wurde. Hierauf erklärte Karl Albert nicht ein¬
gehen zu können, da dies eine Beeinträchtigung seiner königlichen Rechte wäre;
zudem würde dies den Schein auf ihn werfen, als hätte er bei der Concession
der Salzdurchfuhr, die doch mit dem Vertrag gar nicht zusammenhänge, nicht
in loyaler Absicht gehandelt. Oestreich drohte jetzt, in einer officiellen Note
den König persönlich für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich zu
machen, was unter seinen Unterthanen, die ohnedies durch die Wcinsteuer
sehr beschädigt seien. Unzufriedenheit und Aufregung veranlassen würde. Aber
auch hierdurch ließ sich der König nicht einschüchtern, indem er entgegnete, dieser
unkluge Schritt würde nicht allein in Piemont. sondern in ganz Italien eine
Aufregung zur Folge haben, übrigens fürchte er die Polemik nicht, die sich
an die Veröffentlichung jener Note knüpfen würde, auch ihm werde es nicht
an Vertheidigern fehlen, in jedem Falle werde er sich niemals zu einer mit
seiner Ehre unvereinbarer Bedingung verstehen, „und sollte man ihm die Haut


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/247>, abgerufen am 29.06.2024.