Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

war. Die Patrioten des Landes hatten noch eine andere Antwort. Schnell ent¬
stand nämlich der Plan, eine große Gesellschaft mit Zmeigveremen im ganzen
Lande zu gründen, welche die Beförderung der Weinaussuhr zum Zweck haben
sollte. Unter dem Vorsitz Balbv's trat eine Commission zusammen und über¬
nahm es. Unterschriften zur Bildung der Gesellschaft zu sammeln. Die Auf¬
forderung dazu sollte in einem Artikel der piemontesischen Zeitung geschehen,
der yyn Bald" verfaßt, aber noch modificirt wurde, um alles Aggressive zu
vermeiden. Gleichwohl erschien er für das offizielle Blatt ungeeignet! er sollte
nun in der Wochenschrift "Famiiienbriese" erscheinen und war bereits gesetzt.
M ein peremtvrischer Polizeibefehl die Vernichtung desselben befahl. Die Viel¬
fachen Aufregungen hatten dem König so zugesetzt, daß er wieder einem gewöhn¬
lichen Anfall seiner Schwäche erlegen war.

Am andern Tage schon befand er sich besser. Marschall Latour war bei
ihm und hielt ihm alle Gründe vor, ihn zur Nachgiebigkeit gegen Oestreich zu
stimmen. Was will Piemont machen, sagte er schließlich, wenn Oestreich, anstatt
wie bisher mit uns zu sein, wider uns ist? Mit einem ruhigen und sicheren
Tone, der Latour und die Umstehenden in Erstaunen setzte, erwiderte der
König: Wenn Piemont Oestreich verliert, so gewinnt es Italien, und dann
wir.d es sür sich handeln tonnen (v Moru. It-rlig. xotr^r ilrrL äa. Kk). Jetzt
wurde der Artikel gedruckt, der nicht blos um seines nächsten Zweckes willen
bemerkenswerth war, sondern in seinen Schlußworten selbst eine allgemeine
Tendenz aussprach: "Die großen Werte vollbringt man nicht an einem Tage,
in einer Stunde: große Entwürfe verlangen unablässige Arbeit. Fahret fort
auf dem gut angefangenen Wege, Eintracht über alles und Association, und
die Eintracht allein vermag uns zu erlösen!" An die Stelle des Geistes der
Evnspiration war der Geist der Association getreten. Durch die landwirth-
schaftlichen Vereine, durch die wissenschaftlichen Congresse war dieser Geist be¬
reits geweckt, und in Kürze folgte das Project Pier Dionigi PinelU's zu Bil¬
dung einer großen italienischen Association zur Verbesserung unbebauter Lcindercicn
auf der ganzen Halbinsel, welche gleichfalls den Hauptzweck hatte, den Italienern
eine Gelegenheit zu geben, in großer Anzahl zusammenzutreten und gemeinschaft¬
liche Interessen zu berathen. Die Anthologie konnte die Veröffentlichung des
Programms dieser Gesellschaft mit den Worten einleiten: "Möge Italien ein¬
gedenk sein, daß die großen europäischen Nationen nur dem Geist der Associa¬
tion die fortschreitende Blüthe ihrer Gewerbe, ihres Handels und noch anderer
Dinge verdanken; daß dieser Geist allein das wirksame Mittel und das Palla¬
dium jenes bürgerlichen Zustands ist, der aus einem großen Volke eine große
Nation macht; daß nur in gesellschaftlichen Einrichtungen, welche auf die Ver¬
besserung der materiellen Lage des Volks abzielen, der wahre italienische Fort¬
schritt Wurzel fassen und sich entwickeln kann. So oft wir darum zu unsern


war. Die Patrioten des Landes hatten noch eine andere Antwort. Schnell ent¬
stand nämlich der Plan, eine große Gesellschaft mit Zmeigveremen im ganzen
Lande zu gründen, welche die Beförderung der Weinaussuhr zum Zweck haben
sollte. Unter dem Vorsitz Balbv's trat eine Commission zusammen und über¬
nahm es. Unterschriften zur Bildung der Gesellschaft zu sammeln. Die Auf¬
forderung dazu sollte in einem Artikel der piemontesischen Zeitung geschehen,
der yyn Bald» verfaßt, aber noch modificirt wurde, um alles Aggressive zu
vermeiden. Gleichwohl erschien er für das offizielle Blatt ungeeignet! er sollte
nun in der Wochenschrift „Famiiienbriese" erscheinen und war bereits gesetzt.
M ein peremtvrischer Polizeibefehl die Vernichtung desselben befahl. Die Viel¬
fachen Aufregungen hatten dem König so zugesetzt, daß er wieder einem gewöhn¬
lichen Anfall seiner Schwäche erlegen war.

Am andern Tage schon befand er sich besser. Marschall Latour war bei
ihm und hielt ihm alle Gründe vor, ihn zur Nachgiebigkeit gegen Oestreich zu
stimmen. Was will Piemont machen, sagte er schließlich, wenn Oestreich, anstatt
wie bisher mit uns zu sein, wider uns ist? Mit einem ruhigen und sicheren
Tone, der Latour und die Umstehenden in Erstaunen setzte, erwiderte der
König: Wenn Piemont Oestreich verliert, so gewinnt es Italien, und dann
wir.d es sür sich handeln tonnen (v Moru. It-rlig. xotr^r ilrrL äa. Kk). Jetzt
wurde der Artikel gedruckt, der nicht blos um seines nächsten Zweckes willen
bemerkenswerth war, sondern in seinen Schlußworten selbst eine allgemeine
Tendenz aussprach: „Die großen Werte vollbringt man nicht an einem Tage,
in einer Stunde: große Entwürfe verlangen unablässige Arbeit. Fahret fort
auf dem gut angefangenen Wege, Eintracht über alles und Association, und
die Eintracht allein vermag uns zu erlösen!" An die Stelle des Geistes der
Evnspiration war der Geist der Association getreten. Durch die landwirth-
schaftlichen Vereine, durch die wissenschaftlichen Congresse war dieser Geist be¬
reits geweckt, und in Kürze folgte das Project Pier Dionigi PinelU's zu Bil¬
dung einer großen italienischen Association zur Verbesserung unbebauter Lcindercicn
auf der ganzen Halbinsel, welche gleichfalls den Hauptzweck hatte, den Italienern
eine Gelegenheit zu geben, in großer Anzahl zusammenzutreten und gemeinschaft¬
liche Interessen zu berathen. Die Anthologie konnte die Veröffentlichung des
Programms dieser Gesellschaft mit den Worten einleiten: „Möge Italien ein¬
gedenk sein, daß die großen europäischen Nationen nur dem Geist der Associa¬
tion die fortschreitende Blüthe ihrer Gewerbe, ihres Handels und noch anderer
Dinge verdanken; daß dieser Geist allein das wirksame Mittel und das Palla¬
dium jenes bürgerlichen Zustands ist, der aus einem großen Volke eine große
Nation macht; daß nur in gesellschaftlichen Einrichtungen, welche auf die Ver¬
besserung der materiellen Lage des Volks abzielen, der wahre italienische Fort¬
schritt Wurzel fassen und sich entwickeln kann. So oft wir darum zu unsern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0245" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114559"/>
            <p xml:id="ID_1065" prev="#ID_1064"> war. Die Patrioten des Landes hatten noch eine andere Antwort. Schnell ent¬<lb/>
stand nämlich der Plan, eine große Gesellschaft mit Zmeigveremen im ganzen<lb/>
Lande zu gründen, welche die Beförderung der Weinaussuhr zum Zweck haben<lb/>
sollte. Unter dem Vorsitz Balbv's trat eine Commission zusammen und über¬<lb/>
nahm es. Unterschriften zur Bildung der Gesellschaft zu sammeln. Die Auf¬<lb/>
forderung dazu sollte in einem Artikel der piemontesischen Zeitung geschehen,<lb/>
der yyn Bald» verfaßt, aber noch modificirt wurde, um alles Aggressive zu<lb/>
vermeiden. Gleichwohl erschien er für das offizielle Blatt ungeeignet! er sollte<lb/>
nun in der Wochenschrift &#x201E;Famiiienbriese" erscheinen und war bereits gesetzt.<lb/>
M ein peremtvrischer Polizeibefehl die Vernichtung desselben befahl. Die Viel¬<lb/>
fachen Aufregungen hatten dem König so zugesetzt, daß er wieder einem gewöhn¬<lb/>
lichen Anfall seiner Schwäche erlegen war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1066" next="#ID_1067"> Am andern Tage schon befand er sich besser.  Marschall Latour war bei<lb/>
ihm und hielt ihm alle Gründe vor, ihn zur Nachgiebigkeit gegen Oestreich zu<lb/>
stimmen. Was will Piemont machen, sagte er schließlich, wenn Oestreich, anstatt<lb/>
wie bisher mit uns zu sein, wider uns ist? Mit einem ruhigen und sicheren<lb/>
Tone, der Latour und die Umstehenden in Erstaunen setzte, erwiderte der<lb/>
König: Wenn Piemont Oestreich verliert, so gewinnt es Italien, und dann<lb/>
wir.d es sür sich handeln tonnen (v Moru. It-rlig. xotr^r ilrrL äa. Kk). Jetzt<lb/>
wurde der Artikel gedruckt, der nicht blos um seines nächsten Zweckes willen<lb/>
bemerkenswerth war, sondern in seinen Schlußworten selbst eine allgemeine<lb/>
Tendenz aussprach: &#x201E;Die großen Werte vollbringt man nicht an einem Tage,<lb/>
in einer Stunde: große Entwürfe verlangen unablässige Arbeit.  Fahret fort<lb/>
auf dem gut angefangenen Wege, Eintracht über alles und Association, und<lb/>
die Eintracht allein vermag uns zu erlösen!"  An die Stelle des Geistes der<lb/>
Evnspiration war der Geist der Association getreten.  Durch die landwirth-<lb/>
schaftlichen Vereine, durch die wissenschaftlichen Congresse war dieser Geist be¬<lb/>
reits geweckt, und in Kürze folgte das Project Pier Dionigi PinelU's zu Bil¬<lb/>
dung einer großen italienischen Association zur Verbesserung unbebauter Lcindercicn<lb/>
auf der ganzen Halbinsel, welche gleichfalls den Hauptzweck hatte, den Italienern<lb/>
eine Gelegenheit zu geben, in großer Anzahl zusammenzutreten und gemeinschaft¬<lb/>
liche Interessen zu berathen.  Die Anthologie konnte die Veröffentlichung des<lb/>
Programms dieser Gesellschaft mit den Worten einleiten: &#x201E;Möge Italien ein¬<lb/>
gedenk sein, daß die großen europäischen Nationen nur dem Geist der Associa¬<lb/>
tion die fortschreitende Blüthe ihrer Gewerbe, ihres Handels und noch anderer<lb/>
Dinge verdanken; daß dieser Geist allein das wirksame Mittel und das Palla¬<lb/>
dium jenes bürgerlichen Zustands ist, der aus einem großen Volke eine große<lb/>
Nation macht; daß nur in gesellschaftlichen Einrichtungen, welche auf die Ver¬<lb/>
besserung der materiellen Lage des Volks abzielen, der wahre italienische Fort¬<lb/>
schritt Wurzel fassen und sich entwickeln kann. So oft wir darum zu unsern</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0245] war. Die Patrioten des Landes hatten noch eine andere Antwort. Schnell ent¬ stand nämlich der Plan, eine große Gesellschaft mit Zmeigveremen im ganzen Lande zu gründen, welche die Beförderung der Weinaussuhr zum Zweck haben sollte. Unter dem Vorsitz Balbv's trat eine Commission zusammen und über¬ nahm es. Unterschriften zur Bildung der Gesellschaft zu sammeln. Die Auf¬ forderung dazu sollte in einem Artikel der piemontesischen Zeitung geschehen, der yyn Bald» verfaßt, aber noch modificirt wurde, um alles Aggressive zu vermeiden. Gleichwohl erschien er für das offizielle Blatt ungeeignet! er sollte nun in der Wochenschrift „Famiiienbriese" erscheinen und war bereits gesetzt. M ein peremtvrischer Polizeibefehl die Vernichtung desselben befahl. Die Viel¬ fachen Aufregungen hatten dem König so zugesetzt, daß er wieder einem gewöhn¬ lichen Anfall seiner Schwäche erlegen war. Am andern Tage schon befand er sich besser. Marschall Latour war bei ihm und hielt ihm alle Gründe vor, ihn zur Nachgiebigkeit gegen Oestreich zu stimmen. Was will Piemont machen, sagte er schließlich, wenn Oestreich, anstatt wie bisher mit uns zu sein, wider uns ist? Mit einem ruhigen und sicheren Tone, der Latour und die Umstehenden in Erstaunen setzte, erwiderte der König: Wenn Piemont Oestreich verliert, so gewinnt es Italien, und dann wir.d es sür sich handeln tonnen (v Moru. It-rlig. xotr^r ilrrL äa. Kk). Jetzt wurde der Artikel gedruckt, der nicht blos um seines nächsten Zweckes willen bemerkenswerth war, sondern in seinen Schlußworten selbst eine allgemeine Tendenz aussprach: „Die großen Werte vollbringt man nicht an einem Tage, in einer Stunde: große Entwürfe verlangen unablässige Arbeit. Fahret fort auf dem gut angefangenen Wege, Eintracht über alles und Association, und die Eintracht allein vermag uns zu erlösen!" An die Stelle des Geistes der Evnspiration war der Geist der Association getreten. Durch die landwirth- schaftlichen Vereine, durch die wissenschaftlichen Congresse war dieser Geist be¬ reits geweckt, und in Kürze folgte das Project Pier Dionigi PinelU's zu Bil¬ dung einer großen italienischen Association zur Verbesserung unbebauter Lcindercicn auf der ganzen Halbinsel, welche gleichfalls den Hauptzweck hatte, den Italienern eine Gelegenheit zu geben, in großer Anzahl zusammenzutreten und gemeinschaft¬ liche Interessen zu berathen. Die Anthologie konnte die Veröffentlichung des Programms dieser Gesellschaft mit den Worten einleiten: „Möge Italien ein¬ gedenk sein, daß die großen europäischen Nationen nur dem Geist der Associa¬ tion die fortschreitende Blüthe ihrer Gewerbe, ihres Handels und noch anderer Dinge verdanken; daß dieser Geist allein das wirksame Mittel und das Palla¬ dium jenes bürgerlichen Zustands ist, der aus einem großen Volke eine große Nation macht; daß nur in gesellschaftlichen Einrichtungen, welche auf die Ver¬ besserung der materiellen Lage des Volks abzielen, der wahre italienische Fort¬ schritt Wurzel fassen und sich entwickeln kann. So oft wir darum zu unsern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/245
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/245>, abgerufen am 03.07.2024.