Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.gedruckt sein wollten. Eine treffliche Denkschrift des Grafen L. Santi blieb Unter diesen Umständen mußte es das größte Aufsehen machen, als ein Anknüpfend an die Schrift Petitti's erörterte er zuerst die materielle Seite der gedruckt sein wollten. Eine treffliche Denkschrift des Grafen L. Santi blieb Unter diesen Umständen mußte es das größte Aufsehen machen, als ein Anknüpfend an die Schrift Petitti's erörterte er zuerst die materielle Seite der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114554"/> <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044"> gedruckt sein wollten. Eine treffliche Denkschrift des Grafen L. Santi blieb<lb/> auf dein Bureau der Anthologie begraben, der es trotz der vielfachsten Schritte<lb/> nicht möglich war, die Ermächtigung zum Abdruck zu erlangen. Offenbar war<lb/> es Rücksicht auf Oestreich, was den König zu dieser selbst damals ungewöhn¬<lb/> lichen Strenge bewog. Obwohl mit den Interessen, welche in dieser Angelegen¬<lb/> heit verborgen lagen und bei freier Discussion mehr oder weniger offen zu<lb/> Tage treten mußten, heimlich einverstanden, hatte er doch noch nicht den Muth<lb/> gewonnen, mit Oestreich zu brechen. Hinter der Scene zu Scharmützeln, war<lb/> seiner Natur angemessener, als mit offenem Visir auf den Kampfplatz zu treten.<lb/> In jedem Falle gedachte er, eifersüchtig auf fremden Rath, selbst Führer und<lb/> Steuermann zu bleiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1046"> Unter diesen Umständen mußte es das größte Aufsehen machen, als ein<lb/> Unterthan Karl Alberts es wagte — freilich gleichfalls in einer auswärtigen<lb/> Zeitschrift — ohne versteckte Anspielungen frei heraus die politische Bedeutung<lb/> der Eisenbahnen zu besprechen, und hieran geradezu eine Discussion über die<lb/> politische Zukunft der Nation zu knüpfen. Es war ein Artikel von Camillo<lb/> (Zavour im Maiheft der R,kvuci nouvells. Eine solche Sprache war eine un-<lb/> e> hörte Kühnheit, auch nach Gioberti und Balbo deren Ideen neben den klaren,<lb/> durchaus an die realen Verhältnisse anknüpfenden, wahrhaft staatsmännischen<lb/> Gedanken Cavours, wie eine poetische Träumerei erschienen, und es gewährt<lb/> heute noch einen wahren Genuß, die Auseinandersetzungen des 36jährigen, damals<lb/> in der politischen Welt noch wenig genannten Mannes zu lesen und in ihnen<lb/> die Gedanken, ja fast die Worte wiederzufinden, mit welchen später die<lb/> Staatsschriften des großen Ministers die Forderungen Italiens formulirten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1047" next="#ID_1048"> Anknüpfend an die Schrift Petitti's erörterte er zuerst die materielle Seite der<lb/> Frage, die verschiedenen Richtungen u. s. w., auch hierin einen weiteren Blick<lb/> bekundend als die meisten andern Publicisten, indem er die allgemeine Furcht<lb/> vor der Linie Mailand-Trieft-Wien damit bekämpfte, daß dieselbe doch<lb/> in keinem Falle im Stande sein könne, dereinst das Werk der Befreiung Ita¬<lb/> liens zu verhindern. Denn wenn Italien, wie zu hoffen, eine glücklichere Zukunft<lb/> beschicken sei, so sei die Erfüllung dieser Hoffnung nur durch große Bewegungen,<lb/> durch providentielle Ereignisse zu verwirklichen, auf welche die Möglichkeit, ein<lb/> paar Regimenter schneller nach Italien zu werfen, keinen Einfluß üben könne.<lb/> Die Befreiung der Völker sei in unsern Tagen nicht mehr das Werk eines<lb/> Complots, einer Ueberraschung, sondern die nothwendige Folge des Fortschritts<lb/> der Aufklärung und der christlichen Civilisation geworden. Eine Linie Wien-<lb/> Triest sei vielmehr höchst wünschenswert!) im ^Interesse des italienischen Land¬<lb/> baus und der geistigen Beziehungen zwischen dem ernsten, tiefen Deutschland<lb/> und dem intelligenten Italien, lleberhaupt, fuhr er nun fort, stehen die mate¬<lb/> riellen Vortheile in gar keinem Verhältniß zu den moralischen Wirkungen, die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0240]
gedruckt sein wollten. Eine treffliche Denkschrift des Grafen L. Santi blieb
auf dein Bureau der Anthologie begraben, der es trotz der vielfachsten Schritte
nicht möglich war, die Ermächtigung zum Abdruck zu erlangen. Offenbar war
es Rücksicht auf Oestreich, was den König zu dieser selbst damals ungewöhn¬
lichen Strenge bewog. Obwohl mit den Interessen, welche in dieser Angelegen¬
heit verborgen lagen und bei freier Discussion mehr oder weniger offen zu
Tage treten mußten, heimlich einverstanden, hatte er doch noch nicht den Muth
gewonnen, mit Oestreich zu brechen. Hinter der Scene zu Scharmützeln, war
seiner Natur angemessener, als mit offenem Visir auf den Kampfplatz zu treten.
In jedem Falle gedachte er, eifersüchtig auf fremden Rath, selbst Führer und
Steuermann zu bleiben.
Unter diesen Umständen mußte es das größte Aufsehen machen, als ein
Unterthan Karl Alberts es wagte — freilich gleichfalls in einer auswärtigen
Zeitschrift — ohne versteckte Anspielungen frei heraus die politische Bedeutung
der Eisenbahnen zu besprechen, und hieran geradezu eine Discussion über die
politische Zukunft der Nation zu knüpfen. Es war ein Artikel von Camillo
(Zavour im Maiheft der R,kvuci nouvells. Eine solche Sprache war eine un-
e> hörte Kühnheit, auch nach Gioberti und Balbo deren Ideen neben den klaren,
durchaus an die realen Verhältnisse anknüpfenden, wahrhaft staatsmännischen
Gedanken Cavours, wie eine poetische Träumerei erschienen, und es gewährt
heute noch einen wahren Genuß, die Auseinandersetzungen des 36jährigen, damals
in der politischen Welt noch wenig genannten Mannes zu lesen und in ihnen
die Gedanken, ja fast die Worte wiederzufinden, mit welchen später die
Staatsschriften des großen Ministers die Forderungen Italiens formulirten.
Anknüpfend an die Schrift Petitti's erörterte er zuerst die materielle Seite der
Frage, die verschiedenen Richtungen u. s. w., auch hierin einen weiteren Blick
bekundend als die meisten andern Publicisten, indem er die allgemeine Furcht
vor der Linie Mailand-Trieft-Wien damit bekämpfte, daß dieselbe doch
in keinem Falle im Stande sein könne, dereinst das Werk der Befreiung Ita¬
liens zu verhindern. Denn wenn Italien, wie zu hoffen, eine glücklichere Zukunft
beschicken sei, so sei die Erfüllung dieser Hoffnung nur durch große Bewegungen,
durch providentielle Ereignisse zu verwirklichen, auf welche die Möglichkeit, ein
paar Regimenter schneller nach Italien zu werfen, keinen Einfluß üben könne.
Die Befreiung der Völker sei in unsern Tagen nicht mehr das Werk eines
Complots, einer Ueberraschung, sondern die nothwendige Folge des Fortschritts
der Aufklärung und der christlichen Civilisation geworden. Eine Linie Wien-
Triest sei vielmehr höchst wünschenswert!) im ^Interesse des italienischen Land¬
baus und der geistigen Beziehungen zwischen dem ernsten, tiefen Deutschland
und dem intelligenten Italien, lleberhaupt, fuhr er nun fort, stehen die mate¬
riellen Vortheile in gar keinem Verhältniß zu den moralischen Wirkungen, die
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