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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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auch finden sich von Zeit zu Zeit, immer mehr unangenehme körperliche Empfin¬
dungen, ich liege nicht beständig ich mache mir Bewegung, ich habe einen Stuhl
im Gange vor welchen ich zubereite, bey dieser Lebensart bleiben meine Glieder
und mein Blut in wohltätigerer Bewegung, den Kram habe ich abgegeben,
indem mein Körper darzu nicht mehr fähig ist (und daß besonders bey kalter
Jahreszeit.) Nur bedaure ich, wenn ich nach Gottes Willen noch eine Zeit
lang leben soll, daß mein Magen so sehr schwach ist, ich tan fast gar nichts
genießen, mich damit zu stärken und zu erquiken. Die gewaltthätigen kriege¬
rischen Eräugniße, welche sehr schädlich auf meine schwachen Geisteskräfte wirk¬
ten, haben sich, (Gott sey es Dank) vermindert, ich habe just heute, einen Nußen,
zum Glük einen gesitteten, zur Einquartirung.

Bei allen Unangenehmen was mich dieses Jahres betroffen hat ist mir
immer sehr bange um Sie und die Ihrigen gewesen, und habe zu Gott um
Ihre Erhaltung geseufzet. Ich freue mich, und danke es Gott von Hertzen,
daß er größeres Unglük in Gnaden von uns abgewendet hat.

Da es die Zeit nicht gestattet daß Harrtmanns ihrer Tochter Nachricht
mit beylegen könnten, so sagen Sie Hannchen zu ihrem Troste folgendes:

1) Ihre Wohnung stehet noch unversehrt, ob es schon in Pulßnitz fürch¬
terlich zugieng (die Stadt wurde sieben mahl genommen und wiedergenommen)
so brach doch kein Feuer aus.

2) Wegen der Plünderungen hatten sie Schuz, sie müsten vor Militair
baten und hatten Salvegarden im Hause, dabey gieng es drum nicht so genau
ab, es ward ihnen noch manches genommen, und die Umzäunung des Gartens
ward im Biviak verbrämte.

3) Ihr Bruder, ist in seinen Lernen sehr gestört worden, er hat in Dres¬
den bei der Blokade müßen Hunger leiden, ist alsdenn eine Zeit bey seinen
Aeltern gewesen, und ist jetzo wieder in Dresden.

4) Die Epidemie hatt sie noch nicht ergriffen, vor wenigen Tagen war die
gantze Familie noch gesund.

5) Dore bey ihren Aeltern.

Gott nehme Sie alle in seinen Schuz, vielleicht erlebe ich noch die Freude
daß Sie mich vor meinem Ende künftiges Früjahr noch einmal besuchen


Ihre treue liebende Mutter Maria Dorothea verwittwete Fichte

Die ganze Reihenfolge der Briefe schließt, nach dem Hinscheiden der grei¬
sen Mutter und dem bald darauf, am 27. Januar 1814, erfolgten Tode des
rüstigen Sohnes, mit einem Briefe des Bruders an die hinterlassene Wittwe.


auch finden sich von Zeit zu Zeit, immer mehr unangenehme körperliche Empfin¬
dungen, ich liege nicht beständig ich mache mir Bewegung, ich habe einen Stuhl
im Gange vor welchen ich zubereite, bey dieser Lebensart bleiben meine Glieder
und mein Blut in wohltätigerer Bewegung, den Kram habe ich abgegeben,
indem mein Körper darzu nicht mehr fähig ist (und daß besonders bey kalter
Jahreszeit.) Nur bedaure ich, wenn ich nach Gottes Willen noch eine Zeit
lang leben soll, daß mein Magen so sehr schwach ist, ich tan fast gar nichts
genießen, mich damit zu stärken und zu erquiken. Die gewaltthätigen kriege¬
rischen Eräugniße, welche sehr schädlich auf meine schwachen Geisteskräfte wirk¬
ten, haben sich, (Gott sey es Dank) vermindert, ich habe just heute, einen Nußen,
zum Glük einen gesitteten, zur Einquartirung.

Bei allen Unangenehmen was mich dieses Jahres betroffen hat ist mir
immer sehr bange um Sie und die Ihrigen gewesen, und habe zu Gott um
Ihre Erhaltung geseufzet. Ich freue mich, und danke es Gott von Hertzen,
daß er größeres Unglük in Gnaden von uns abgewendet hat.

Da es die Zeit nicht gestattet daß Harrtmanns ihrer Tochter Nachricht
mit beylegen könnten, so sagen Sie Hannchen zu ihrem Troste folgendes:

1) Ihre Wohnung stehet noch unversehrt, ob es schon in Pulßnitz fürch¬
terlich zugieng (die Stadt wurde sieben mahl genommen und wiedergenommen)
so brach doch kein Feuer aus.

2) Wegen der Plünderungen hatten sie Schuz, sie müsten vor Militair
baten und hatten Salvegarden im Hause, dabey gieng es drum nicht so genau
ab, es ward ihnen noch manches genommen, und die Umzäunung des Gartens
ward im Biviak verbrämte.

3) Ihr Bruder, ist in seinen Lernen sehr gestört worden, er hat in Dres¬
den bei der Blokade müßen Hunger leiden, ist alsdenn eine Zeit bey seinen
Aeltern gewesen, und ist jetzo wieder in Dresden.

4) Die Epidemie hatt sie noch nicht ergriffen, vor wenigen Tagen war die
gantze Familie noch gesund.

5) Dore bey ihren Aeltern.

Gott nehme Sie alle in seinen Schuz, vielleicht erlebe ich noch die Freude
daß Sie mich vor meinem Ende künftiges Früjahr noch einmal besuchen


Ihre treue liebende Mutter Maria Dorothea verwittwete Fichte

Die ganze Reihenfolge der Briefe schließt, nach dem Hinscheiden der grei¬
sen Mutter und dem bald darauf, am 27. Januar 1814, erfolgten Tode des
rüstigen Sohnes, mit einem Briefe des Bruders an die hinterlassene Wittwe.


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[0236] auch finden sich von Zeit zu Zeit, immer mehr unangenehme körperliche Empfin¬ dungen, ich liege nicht beständig ich mache mir Bewegung, ich habe einen Stuhl im Gange vor welchen ich zubereite, bey dieser Lebensart bleiben meine Glieder und mein Blut in wohltätigerer Bewegung, den Kram habe ich abgegeben, indem mein Körper darzu nicht mehr fähig ist (und daß besonders bey kalter Jahreszeit.) Nur bedaure ich, wenn ich nach Gottes Willen noch eine Zeit lang leben soll, daß mein Magen so sehr schwach ist, ich tan fast gar nichts genießen, mich damit zu stärken und zu erquiken. Die gewaltthätigen kriege¬ rischen Eräugniße, welche sehr schädlich auf meine schwachen Geisteskräfte wirk¬ ten, haben sich, (Gott sey es Dank) vermindert, ich habe just heute, einen Nußen, zum Glük einen gesitteten, zur Einquartirung. Bei allen Unangenehmen was mich dieses Jahres betroffen hat ist mir immer sehr bange um Sie und die Ihrigen gewesen, und habe zu Gott um Ihre Erhaltung geseufzet. Ich freue mich, und danke es Gott von Hertzen, daß er größeres Unglük in Gnaden von uns abgewendet hat. Da es die Zeit nicht gestattet daß Harrtmanns ihrer Tochter Nachricht mit beylegen könnten, so sagen Sie Hannchen zu ihrem Troste folgendes: 1) Ihre Wohnung stehet noch unversehrt, ob es schon in Pulßnitz fürch¬ terlich zugieng (die Stadt wurde sieben mahl genommen und wiedergenommen) so brach doch kein Feuer aus. 2) Wegen der Plünderungen hatten sie Schuz, sie müsten vor Militair baten und hatten Salvegarden im Hause, dabey gieng es drum nicht so genau ab, es ward ihnen noch manches genommen, und die Umzäunung des Gartens ward im Biviak verbrämte. 3) Ihr Bruder, ist in seinen Lernen sehr gestört worden, er hat in Dres¬ den bei der Blokade müßen Hunger leiden, ist alsdenn eine Zeit bey seinen Aeltern gewesen, und ist jetzo wieder in Dresden. 4) Die Epidemie hatt sie noch nicht ergriffen, vor wenigen Tagen war die gantze Familie noch gesund. 5) Dore bey ihren Aeltern. Gott nehme Sie alle in seinen Schuz, vielleicht erlebe ich noch die Freude daß Sie mich vor meinem Ende künftiges Früjahr noch einmal besuchen Ihre treue liebende Mutter Maria Dorothea verwittwete Fichte Die ganze Reihenfolge der Briefe schließt, nach dem Hinscheiden der grei¬ sen Mutter und dem bald darauf, am 27. Januar 1814, erfolgten Tode des rüstigen Sohnes, mit einem Briefe des Bruders an die hinterlassene Wittwe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/236>, abgerufen am 24.08.2024.