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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Gegend nicht mehr zu haben, alle Vorräthe sind ruinirt und verwüstet, keine
Zuführe ist nicht möglich.

Den 24. Octbr ist sie. mit einer Gelegenheitsfuhre zu Hauße gefahren,
denn es ist etwas ruhiger geworden, die Salvegarden halten die herumstrnfe-
ten Kosaken im Zaume. Das Hauß unserer Mutter ist zum Glük nicht so
total runirt als sehr viele andere, (zwei oder 3 Fenster sind eingeschlagen,)
viele Häuser in Rammenau sind gantz unbewohnbar gemacht geworden; viele
Ortschaften sind, ohne das sie weg gebrannt sind, ganz runirt. da giebt es
Bauern, besonders an der Straße von Bautzen nach Dresden, die kein Brodt.
keinen Saamen, kein Vieh, kein Geschirre gar nichts, alle kranke Körper haben,
Z. B. vom 16. bis 28 May. sind bloß im Bauzner und Görlitzer Kreyse 71
Dörfer in Asche gelegt wurden, das.Unglük hatt aber seit dieser Zeit täglich
continuirt

Unsere liebe Mutter läßet Dich, Deine liebe Frau Deinen lieben Herrmann
und Hannen von Hertzen grüßen und wünschet daß diese Krieges Uebel von
Euch entfernt bleiben mögen, auch grüße Diese alle von mir und den Meinigen
hertzlich.


Lebe gesund mit den Deinigen. Ich binDein treuer Bruder.
I. G. F.

Auch von der alternden Mutter ist uns ein Brief aufbehalten, mit sicherer
Hand in regelmäßigen Zügen geschrieben.


47.

d. 2. vsedr. 1813.


Innig geliebte Tochter,

Ich habe sogleich Ihr werthes Schreiben vom 20 Nov. mit lui. zwey
Stük I.ouisäoi' richtig erhalten, ich danke Ihnen von Hertzen; nicht mit Gleich¬
gültigkeit, sondern mit inniger Rührung, mit Gebets und Dank zu Gott erkenne
ich die göttliche Wohlthat daß mir die Vorsehung so eine gute Seele zur
Tochter gegeben hat. Ich fühle und bedaure. daß Sie mich nicht blos mit
Entbehrlichkeit unterstützen, sondern, da ich den Druk der Zeit, und die vielen
Aufopferungen kenne, und den sichern Schluß machen kan. daß auch mein lieber
Sohn in seinem Erwerb beträchtlich zurük gesezt ist. so kan ich einsehen, daß
Sie, aus Liebe zu mir, manches entbehren werden.

Ihre guten Nachrichten, daß Sie Gott, bey den überhandnehmenden Krank¬
heiten gesund erhalten, und daß Sie ihren lieben Sohn bey sich haben, freuet
und tröstet mich.

Meine Gesundheitsumstände haben sich nicht gebeßert, meine Kräffte nehmen
allmählich ab, ich spüre daß ich seit- etlichen Wochen viel schwächer geworden,


29*

Gegend nicht mehr zu haben, alle Vorräthe sind ruinirt und verwüstet, keine
Zuführe ist nicht möglich.

Den 24. Octbr ist sie. mit einer Gelegenheitsfuhre zu Hauße gefahren,
denn es ist etwas ruhiger geworden, die Salvegarden halten die herumstrnfe-
ten Kosaken im Zaume. Das Hauß unserer Mutter ist zum Glük nicht so
total runirt als sehr viele andere, (zwei oder 3 Fenster sind eingeschlagen,)
viele Häuser in Rammenau sind gantz unbewohnbar gemacht geworden; viele
Ortschaften sind, ohne das sie weg gebrannt sind, ganz runirt. da giebt es
Bauern, besonders an der Straße von Bautzen nach Dresden, die kein Brodt.
keinen Saamen, kein Vieh, kein Geschirre gar nichts, alle kranke Körper haben,
Z. B. vom 16. bis 28 May. sind bloß im Bauzner und Görlitzer Kreyse 71
Dörfer in Asche gelegt wurden, das.Unglük hatt aber seit dieser Zeit täglich
continuirt

Unsere liebe Mutter läßet Dich, Deine liebe Frau Deinen lieben Herrmann
und Hannen von Hertzen grüßen und wünschet daß diese Krieges Uebel von
Euch entfernt bleiben mögen, auch grüße Diese alle von mir und den Meinigen
hertzlich.


Lebe gesund mit den Deinigen. Ich binDein treuer Bruder.
I. G. F.

Auch von der alternden Mutter ist uns ein Brief aufbehalten, mit sicherer
Hand in regelmäßigen Zügen geschrieben.


47.

d. 2. vsedr. 1813.


Innig geliebte Tochter,

Ich habe sogleich Ihr werthes Schreiben vom 20 Nov. mit lui. zwey
Stük I.ouisäoi' richtig erhalten, ich danke Ihnen von Hertzen; nicht mit Gleich¬
gültigkeit, sondern mit inniger Rührung, mit Gebets und Dank zu Gott erkenne
ich die göttliche Wohlthat daß mir die Vorsehung so eine gute Seele zur
Tochter gegeben hat. Ich fühle und bedaure. daß Sie mich nicht blos mit
Entbehrlichkeit unterstützen, sondern, da ich den Druk der Zeit, und die vielen
Aufopferungen kenne, und den sichern Schluß machen kan. daß auch mein lieber
Sohn in seinem Erwerb beträchtlich zurük gesezt ist. so kan ich einsehen, daß
Sie, aus Liebe zu mir, manches entbehren werden.

Ihre guten Nachrichten, daß Sie Gott, bey den überhandnehmenden Krank¬
heiten gesund erhalten, und daß Sie ihren lieben Sohn bey sich haben, freuet
und tröstet mich.

Meine Gesundheitsumstände haben sich nicht gebeßert, meine Kräffte nehmen
allmählich ab, ich spüre daß ich seit- etlichen Wochen viel schwächer geworden,


29*
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[0235] Gegend nicht mehr zu haben, alle Vorräthe sind ruinirt und verwüstet, keine Zuführe ist nicht möglich. Den 24. Octbr ist sie. mit einer Gelegenheitsfuhre zu Hauße gefahren, denn es ist etwas ruhiger geworden, die Salvegarden halten die herumstrnfe- ten Kosaken im Zaume. Das Hauß unserer Mutter ist zum Glük nicht so total runirt als sehr viele andere, (zwei oder 3 Fenster sind eingeschlagen,) viele Häuser in Rammenau sind gantz unbewohnbar gemacht geworden; viele Ortschaften sind, ohne das sie weg gebrannt sind, ganz runirt. da giebt es Bauern, besonders an der Straße von Bautzen nach Dresden, die kein Brodt. keinen Saamen, kein Vieh, kein Geschirre gar nichts, alle kranke Körper haben, Z. B. vom 16. bis 28 May. sind bloß im Bauzner und Görlitzer Kreyse 71 Dörfer in Asche gelegt wurden, das.Unglük hatt aber seit dieser Zeit täglich continuirt Unsere liebe Mutter läßet Dich, Deine liebe Frau Deinen lieben Herrmann und Hannen von Hertzen grüßen und wünschet daß diese Krieges Uebel von Euch entfernt bleiben mögen, auch grüße Diese alle von mir und den Meinigen hertzlich. Lebe gesund mit den Deinigen. Ich binDein treuer Bruder. I. G. F. Auch von der alternden Mutter ist uns ein Brief aufbehalten, mit sicherer Hand in regelmäßigen Zügen geschrieben. 47. d. 2. vsedr. 1813. Innig geliebte Tochter, Ich habe sogleich Ihr werthes Schreiben vom 20 Nov. mit lui. zwey Stük I.ouisäoi' richtig erhalten, ich danke Ihnen von Hertzen; nicht mit Gleich¬ gültigkeit, sondern mit inniger Rührung, mit Gebets und Dank zu Gott erkenne ich die göttliche Wohlthat daß mir die Vorsehung so eine gute Seele zur Tochter gegeben hat. Ich fühle und bedaure. daß Sie mich nicht blos mit Entbehrlichkeit unterstützen, sondern, da ich den Druk der Zeit, und die vielen Aufopferungen kenne, und den sichern Schluß machen kan. daß auch mein lieber Sohn in seinem Erwerb beträchtlich zurük gesezt ist. so kan ich einsehen, daß Sie, aus Liebe zu mir, manches entbehren werden. Ihre guten Nachrichten, daß Sie Gott, bey den überhandnehmenden Krank¬ heiten gesund erhalten, und daß Sie ihren lieben Sohn bey sich haben, freuet und tröstet mich. Meine Gesundheitsumstände haben sich nicht gebeßert, meine Kräffte nehmen allmählich ab, ich spüre daß ich seit- etlichen Wochen viel schwächer geworden, 29*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/235>, abgerufen am 24.08.2024.