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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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englische Cantate von Sterndalc-Bennett (Text von dem?ost I^Äureate Alfred
Tennyson), hat den großen Fehler, daß sie zu lang ist. Sie enthält einzelne
schöne musikalische Momente, namentlich im zweiten Chöre, einem langen Satze,
der dem Andenken des Prinzen Albert gewidmet ist, und im letzten beweg¬
teren Chore, wo sich die Musik in einigen glücklichen Steigerungen aus der
Schwerfälligkeit und Lahmheit, die das ganze Werk charakterisirt, etwas auf¬
rafft. Warum man Mcyerveer als Vertreter der deutschen Musik gewählt Katte,
ist mir unerklärlich, er schreibt meiner Meinung nach so wenig deutsche Musik
wie Beethoven italienische schrieb. Seine Ouvertüre in Form eines Marsches
entbehrt selbst des äußeren Glanzes, den man sonst in seinen Märschen zu fin¬
den gewohnt ist. Von Aubers großem Marsche endlich läßt sich nicht viel
Besseres sagen. So war trotz der außerordentlichen Anstrengungen der Com¬
mission der musikalische Theil der Eröffnungsfeierlichkeit nicht so erfolgreich, als
man hätte erwarten sollen.

Die gegenwärtige Zeit ist nun einmal, verglichen mit der hinter uns liegen¬
den musikalisch unproductiv. Der einzige Hallelujahchor aus Händels Messias,
der außerdem gesungen wurde, vernichtete durch seine Größe und Gewalt alles,
was vor ihm zu Gehör kam. bewies aber zugleich, wie die Mittel, die der Com¬
mission zur Verfügung standen, die besten waren und wie es nur eines andern
Programms bedurft hätte, um auch die musikalische Partie des Festes zu einer
imposanten zu machen. Die Ausführung dieser Musik war der saereä kiar-
mouie soeist^ übertragen, einem der größten und ältesten Gesangvereine in
London, der sich namentlich um die Wiederbelebung der Händelschen Musik hohe
Verdienste erworben hat. Der Verein besteht aus activen und inactiven , aber
zahlenden Mitgliedern. Die meisten Sänger und Sängerinnen bezahlen keinen
Beitrag und müssen sich einer Prüfung unterwerfen, bevor sie aufgenommen
werden. Exeterhall. einer der größten Concertsäle der Stadt, ist Eigenthum des
Vereins; hier hält er seine Concerte, die sich aber ausschließlich auf geistliche
Musik beschränken, und selbst auf diesem Gebiete ist sein Repertoire kein sehr
reiches. Der Messias, Israel in Aegypten, Samson, Salomon, Iephta, Josua,
Debora und Saul von Händel, Mendelssohns Elias, dessen Paulus und dessen
Lobgesang, Haydn's Schöpfung. Spohrs jüngstes Gericht und Rossini's 8da-
tirt zuuor ist ungefähr alles, was der Verein je gesungen hat und immer
wiederholt. Beethoven, Mozart und namentlich Bach sind dieser Gesellschaft,
die mehr oder weniger für alle Vereine dieser Art in England den Ton angibt
und bei dem großen Musiffeste in Norwich, Birmingham und Bradford den
Stamm bildet, gänzlich unbekannt. Ihr gegenwärtiger Dirigent ist der Ita¬
liener Caska, ein Mann, dessen Eigenschaften als Dirigent genugsam bekannt
sind. In der Woche vor Weihnachten und in der stillen Woche bringt der
Verein den Messias zur Aufführung; außerdem singt er ein Oratorium Anfang


englische Cantate von Sterndalc-Bennett (Text von dem?ost I^Äureate Alfred
Tennyson), hat den großen Fehler, daß sie zu lang ist. Sie enthält einzelne
schöne musikalische Momente, namentlich im zweiten Chöre, einem langen Satze,
der dem Andenken des Prinzen Albert gewidmet ist, und im letzten beweg¬
teren Chore, wo sich die Musik in einigen glücklichen Steigerungen aus der
Schwerfälligkeit und Lahmheit, die das ganze Werk charakterisirt, etwas auf¬
rafft. Warum man Mcyerveer als Vertreter der deutschen Musik gewählt Katte,
ist mir unerklärlich, er schreibt meiner Meinung nach so wenig deutsche Musik
wie Beethoven italienische schrieb. Seine Ouvertüre in Form eines Marsches
entbehrt selbst des äußeren Glanzes, den man sonst in seinen Märschen zu fin¬
den gewohnt ist. Von Aubers großem Marsche endlich läßt sich nicht viel
Besseres sagen. So war trotz der außerordentlichen Anstrengungen der Com¬
mission der musikalische Theil der Eröffnungsfeierlichkeit nicht so erfolgreich, als
man hätte erwarten sollen.

Die gegenwärtige Zeit ist nun einmal, verglichen mit der hinter uns liegen¬
den musikalisch unproductiv. Der einzige Hallelujahchor aus Händels Messias,
der außerdem gesungen wurde, vernichtete durch seine Größe und Gewalt alles,
was vor ihm zu Gehör kam. bewies aber zugleich, wie die Mittel, die der Com¬
mission zur Verfügung standen, die besten waren und wie es nur eines andern
Programms bedurft hätte, um auch die musikalische Partie des Festes zu einer
imposanten zu machen. Die Ausführung dieser Musik war der saereä kiar-
mouie soeist^ übertragen, einem der größten und ältesten Gesangvereine in
London, der sich namentlich um die Wiederbelebung der Händelschen Musik hohe
Verdienste erworben hat. Der Verein besteht aus activen und inactiven , aber
zahlenden Mitgliedern. Die meisten Sänger und Sängerinnen bezahlen keinen
Beitrag und müssen sich einer Prüfung unterwerfen, bevor sie aufgenommen
werden. Exeterhall. einer der größten Concertsäle der Stadt, ist Eigenthum des
Vereins; hier hält er seine Concerte, die sich aber ausschließlich auf geistliche
Musik beschränken, und selbst auf diesem Gebiete ist sein Repertoire kein sehr
reiches. Der Messias, Israel in Aegypten, Samson, Salomon, Iephta, Josua,
Debora und Saul von Händel, Mendelssohns Elias, dessen Paulus und dessen
Lobgesang, Haydn's Schöpfung. Spohrs jüngstes Gericht und Rossini's 8da-
tirt zuuor ist ungefähr alles, was der Verein je gesungen hat und immer
wiederholt. Beethoven, Mozart und namentlich Bach sind dieser Gesellschaft,
die mehr oder weniger für alle Vereine dieser Art in England den Ton angibt
und bei dem großen Musiffeste in Norwich, Birmingham und Bradford den
Stamm bildet, gänzlich unbekannt. Ihr gegenwärtiger Dirigent ist der Ita¬
liener Caska, ein Mann, dessen Eigenschaften als Dirigent genugsam bekannt
sind. In der Woche vor Weihnachten und in der stillen Woche bringt der
Verein den Messias zur Aufführung; außerdem singt er ein Oratorium Anfang


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[0192] englische Cantate von Sterndalc-Bennett (Text von dem?ost I^Äureate Alfred Tennyson), hat den großen Fehler, daß sie zu lang ist. Sie enthält einzelne schöne musikalische Momente, namentlich im zweiten Chöre, einem langen Satze, der dem Andenken des Prinzen Albert gewidmet ist, und im letzten beweg¬ teren Chore, wo sich die Musik in einigen glücklichen Steigerungen aus der Schwerfälligkeit und Lahmheit, die das ganze Werk charakterisirt, etwas auf¬ rafft. Warum man Mcyerveer als Vertreter der deutschen Musik gewählt Katte, ist mir unerklärlich, er schreibt meiner Meinung nach so wenig deutsche Musik wie Beethoven italienische schrieb. Seine Ouvertüre in Form eines Marsches entbehrt selbst des äußeren Glanzes, den man sonst in seinen Märschen zu fin¬ den gewohnt ist. Von Aubers großem Marsche endlich läßt sich nicht viel Besseres sagen. So war trotz der außerordentlichen Anstrengungen der Com¬ mission der musikalische Theil der Eröffnungsfeierlichkeit nicht so erfolgreich, als man hätte erwarten sollen. Die gegenwärtige Zeit ist nun einmal, verglichen mit der hinter uns liegen¬ den musikalisch unproductiv. Der einzige Hallelujahchor aus Händels Messias, der außerdem gesungen wurde, vernichtete durch seine Größe und Gewalt alles, was vor ihm zu Gehör kam. bewies aber zugleich, wie die Mittel, die der Com¬ mission zur Verfügung standen, die besten waren und wie es nur eines andern Programms bedurft hätte, um auch die musikalische Partie des Festes zu einer imposanten zu machen. Die Ausführung dieser Musik war der saereä kiar- mouie soeist^ übertragen, einem der größten und ältesten Gesangvereine in London, der sich namentlich um die Wiederbelebung der Händelschen Musik hohe Verdienste erworben hat. Der Verein besteht aus activen und inactiven , aber zahlenden Mitgliedern. Die meisten Sänger und Sängerinnen bezahlen keinen Beitrag und müssen sich einer Prüfung unterwerfen, bevor sie aufgenommen werden. Exeterhall. einer der größten Concertsäle der Stadt, ist Eigenthum des Vereins; hier hält er seine Concerte, die sich aber ausschließlich auf geistliche Musik beschränken, und selbst auf diesem Gebiete ist sein Repertoire kein sehr reiches. Der Messias, Israel in Aegypten, Samson, Salomon, Iephta, Josua, Debora und Saul von Händel, Mendelssohns Elias, dessen Paulus und dessen Lobgesang, Haydn's Schöpfung. Spohrs jüngstes Gericht und Rossini's 8da- tirt zuuor ist ungefähr alles, was der Verein je gesungen hat und immer wiederholt. Beethoven, Mozart und namentlich Bach sind dieser Gesellschaft, die mehr oder weniger für alle Vereine dieser Art in England den Ton angibt und bei dem großen Musiffeste in Norwich, Birmingham und Bradford den Stamm bildet, gänzlich unbekannt. Ihr gegenwärtiger Dirigent ist der Ita¬ liener Caska, ein Mann, dessen Eigenschaften als Dirigent genugsam bekannt sind. In der Woche vor Weihnachten und in der stillen Woche bringt der Verein den Messias zur Aufführung; außerdem singt er ein Oratorium Anfang

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/192>, abgerufen am 26.06.2024.