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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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mein besserer, und wie ich glaubte, vernünftigerer Bruder, trägst kein Bedenken,
mir dies zu schreiben, als ob Du halb, und halb derselben Meinung zugethan
wärest?


Grüsse mir herzlich den Bater, und lebe wohl.
Dein treuer Bruder I. G. Fichte. .........

Indem ich den Brief schliessen will, fällt mir ein. daß es doch sichrer ist,
ihn anderwärts hin, als nach Rammenau, zu addressiren; und ich fehlte ihn
daher durch Einschlag an Bursche zu Pulßnitz.

Das Specielle, was Fichte's Mutter betrifft, ist nirgends genau bezeichnet
und kann deshalb nicht aufgeklärt werden. Nach einer Stelle am Schlüsse des
Briefes muh Fichte einige seiner Berwandten besucht haben; die folgenden Briefe
aber lehren, daß er in Nammenau nicht gewesen ist.

Der nächste Brief ist nach dem bezeichneten Alter seines Sohnes, der am
18. Juli geboren wurde, vielleicht an demselben 11. October 1797 geschrieben,
wie der an des Kindes Pathen Johann Erich von Berger gerichtete (II. 479),
oder doch an einem der nächsten Tage.


22.

Mein lieber Bruder,

Ich habe bis jezt so viel Arbeit gehabt, daß ich nicht habe schreiben kön¬
nen. Deiner Bitte um Geld konnte ich nicht willfahren, weil ich das verlangte
nicht entbehren konnte. Ich habe das Haus, das ich in Jena bewohnte, und
welches Du kennst, gekauft. Das kostet mehr, als das Deinige. Nun ist
das zwar nicht von meinem, sondern von meiner Frau Gelde geschehen: aber
theils habe ich Borschüsse machen müssen: theils lasse ich auch fortgesezt darin
bauen, und dies geht von meinem Gelde. Da kannst Du nun berechnen, ob
viel baares Geld bei mir seyn mag. Ferner, habe ich diesen Sommer Kind¬
taufe gehabt. Ja: es ist mir ein herrlicher, gesunder, starker Knabe gebohren,
der jezt in die 13. Woche geht. Sage das unsern guten Eltern, die ich da¬
durch zu GroßEltern gemacht habe.

Ueber eine Reise nach Hause habe ich hin und her gedacht: aber es ist
nicht möglich gewesen. Zeit ist mir das edelste Gut, und ich konnte ihrer für
diesmal nicht so viel verlieren, als dazu gehört hätte. Gewiß versprochen
habe ich es nicht. -- Ich hoffe, es künftige Ostern möglich zu machen. Ver¬
tröste den guten, trefflichen Bater. Gewiß werde ich ihn sehen, und mehrmals,
hoffe ich, sehen. Meine Frau will sich's nicht ausreden lassen, mich, mit ihrem
Kinde, zu begleiten. Ich gestehe, daß ich dies in mancher Rüksicht nicht gern
sehe; und auch das hat mich bisher abgehalten.

Ferner ist solch eine Reise unter hundert, und mehr Thalern nicht gemacht
und auch diese habe ich nicht so geradezu zu verlieren. Die glückliche Zeit ist


mein besserer, und wie ich glaubte, vernünftigerer Bruder, trägst kein Bedenken,
mir dies zu schreiben, als ob Du halb, und halb derselben Meinung zugethan
wärest?


Grüsse mir herzlich den Bater, und lebe wohl.
Dein treuer Bruder I. G. Fichte. .........

Indem ich den Brief schliessen will, fällt mir ein. daß es doch sichrer ist,
ihn anderwärts hin, als nach Rammenau, zu addressiren; und ich fehlte ihn
daher durch Einschlag an Bursche zu Pulßnitz.

Das Specielle, was Fichte's Mutter betrifft, ist nirgends genau bezeichnet
und kann deshalb nicht aufgeklärt werden. Nach einer Stelle am Schlüsse des
Briefes muh Fichte einige seiner Berwandten besucht haben; die folgenden Briefe
aber lehren, daß er in Nammenau nicht gewesen ist.

Der nächste Brief ist nach dem bezeichneten Alter seines Sohnes, der am
18. Juli geboren wurde, vielleicht an demselben 11. October 1797 geschrieben,
wie der an des Kindes Pathen Johann Erich von Berger gerichtete (II. 479),
oder doch an einem der nächsten Tage.


22.

Mein lieber Bruder,

Ich habe bis jezt so viel Arbeit gehabt, daß ich nicht habe schreiben kön¬
nen. Deiner Bitte um Geld konnte ich nicht willfahren, weil ich das verlangte
nicht entbehren konnte. Ich habe das Haus, das ich in Jena bewohnte, und
welches Du kennst, gekauft. Das kostet mehr, als das Deinige. Nun ist
das zwar nicht von meinem, sondern von meiner Frau Gelde geschehen: aber
theils habe ich Borschüsse machen müssen: theils lasse ich auch fortgesezt darin
bauen, und dies geht von meinem Gelde. Da kannst Du nun berechnen, ob
viel baares Geld bei mir seyn mag. Ferner, habe ich diesen Sommer Kind¬
taufe gehabt. Ja: es ist mir ein herrlicher, gesunder, starker Knabe gebohren,
der jezt in die 13. Woche geht. Sage das unsern guten Eltern, die ich da¬
durch zu GroßEltern gemacht habe.

Ueber eine Reise nach Hause habe ich hin und her gedacht: aber es ist
nicht möglich gewesen. Zeit ist mir das edelste Gut, und ich konnte ihrer für
diesmal nicht so viel verlieren, als dazu gehört hätte. Gewiß versprochen
habe ich es nicht. — Ich hoffe, es künftige Ostern möglich zu machen. Ver¬
tröste den guten, trefflichen Bater. Gewiß werde ich ihn sehen, und mehrmals,
hoffe ich, sehen. Meine Frau will sich's nicht ausreden lassen, mich, mit ihrem
Kinde, zu begleiten. Ich gestehe, daß ich dies in mancher Rüksicht nicht gern
sehe; und auch das hat mich bisher abgehalten.

Ferner ist solch eine Reise unter hundert, und mehr Thalern nicht gemacht
und auch diese habe ich nicht so geradezu zu verlieren. Die glückliche Zeit ist


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[0174] mein besserer, und wie ich glaubte, vernünftigerer Bruder, trägst kein Bedenken, mir dies zu schreiben, als ob Du halb, und halb derselben Meinung zugethan wärest? Grüsse mir herzlich den Bater, und lebe wohl. Dein treuer Bruder I. G. Fichte. ......... Indem ich den Brief schliessen will, fällt mir ein. daß es doch sichrer ist, ihn anderwärts hin, als nach Rammenau, zu addressiren; und ich fehlte ihn daher durch Einschlag an Bursche zu Pulßnitz. Das Specielle, was Fichte's Mutter betrifft, ist nirgends genau bezeichnet und kann deshalb nicht aufgeklärt werden. Nach einer Stelle am Schlüsse des Briefes muh Fichte einige seiner Berwandten besucht haben; die folgenden Briefe aber lehren, daß er in Nammenau nicht gewesen ist. Der nächste Brief ist nach dem bezeichneten Alter seines Sohnes, der am 18. Juli geboren wurde, vielleicht an demselben 11. October 1797 geschrieben, wie der an des Kindes Pathen Johann Erich von Berger gerichtete (II. 479), oder doch an einem der nächsten Tage. 22. Mein lieber Bruder, Ich habe bis jezt so viel Arbeit gehabt, daß ich nicht habe schreiben kön¬ nen. Deiner Bitte um Geld konnte ich nicht willfahren, weil ich das verlangte nicht entbehren konnte. Ich habe das Haus, das ich in Jena bewohnte, und welches Du kennst, gekauft. Das kostet mehr, als das Deinige. Nun ist das zwar nicht von meinem, sondern von meiner Frau Gelde geschehen: aber theils habe ich Borschüsse machen müssen: theils lasse ich auch fortgesezt darin bauen, und dies geht von meinem Gelde. Da kannst Du nun berechnen, ob viel baares Geld bei mir seyn mag. Ferner, habe ich diesen Sommer Kind¬ taufe gehabt. Ja: es ist mir ein herrlicher, gesunder, starker Knabe gebohren, der jezt in die 13. Woche geht. Sage das unsern guten Eltern, die ich da¬ durch zu GroßEltern gemacht habe. Ueber eine Reise nach Hause habe ich hin und her gedacht: aber es ist nicht möglich gewesen. Zeit ist mir das edelste Gut, und ich konnte ihrer für diesmal nicht so viel verlieren, als dazu gehört hätte. Gewiß versprochen habe ich es nicht. — Ich hoffe, es künftige Ostern möglich zu machen. Ver¬ tröste den guten, trefflichen Bater. Gewiß werde ich ihn sehen, und mehrmals, hoffe ich, sehen. Meine Frau will sich's nicht ausreden lassen, mich, mit ihrem Kinde, zu begleiten. Ich gestehe, daß ich dies in mancher Rüksicht nicht gern sehe; und auch das hat mich bisher abgehalten. Ferner ist solch eine Reise unter hundert, und mehr Thalern nicht gemacht und auch diese habe ich nicht so geradezu zu verlieren. Die glückliche Zeit ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/174>, abgerufen am 26.06.2024.