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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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bei einander ist; und wenn ich Ihnen allso, welches ich nicht weiß, einen schö¬
nen Brief geschrieben bade. Sie daraus gar nicht so gütig schließen müßen,
daß ich eine schöne Seele habe; überhaupt sehe ich aus Ihr. Lieben Brief,
daß Sie mich viel beßer glauben als ich nicht bin; und das sezt miet in große
Verlegenheit, wenn Sie mit solch guter Meinung zu uns kommen, und dann
durch die Erfahrung belehrt sehen, daß ich das bey weitem nicht bin, was
Sie glaubten, daß ich sein würde, und auch sein könnte, so muß ich in Ihren
Augen gewaltig verliehren; und das würde mir dann weh thun; auch müßen
Sie nicht glauben eine schöne Schwester bekommen zu haben; denn ich weiß
wohl, die Lieben Männer sehn auch das gern, drum laßen Sie Sich nun er-
zehlen wie ich aussehe: vors erste bin ich klein, und war im 16. Jahre sehr
fett, da ich seit der Zeit nun um ein merkliches gemagert bin, so hat die ein¬
mahl zu' stark ausgedehnte Haut, viele Runzeln bekommen, dazu gab mir die
Natur ein wiedrig langes Kinn; und was nun das ärgste von allem ist, so
hab ich wegen heftigen Zahnschmerzen, (welches fast alle Leute in der Schweiz
haben,) mir meine obern Zähne ausziehen laßen; nun überlaße ich Ihrer eig¬
nen Einbildungskraft, mich so conisch darzustellen, als ich wirklich bin.

Nachdem, was Sie mein Lieber, was mein Mann, mir von unsern Vatter
gesagt hat, fühl ich viele Achtung für Ihn, und ich bitte Sie, ihn herzlich in
meinem Namen zu grüßen; ich hätte schon an Ihn geschrieben, hielte mich nicht
der Gedanke, der guten Mutter davon ab, denn ich muß Ihnen gestehen, daß,
nachdem, was ich von ihr gehört, ich Sie wirtlich fürchte; Wir wollen Sie
ssoll natürlich heißen: sie.I Lieber Bruder, als gute Kinder ehren, und nicht
vergehen was sie während ihrem mühsamen Leben, an ihren Kindern gethan
hat; auch kennen wir ihre Erziehung nicht, wißen nicht, wie das alles so kam;
und vielleicht nach ihrer Lage kommen mußte.

Ja Lieber, es wird einst auch ein gutes Geschöpf für Sie dasein, daß Sie
aufrichtig Lieben wird; und ich will es denn zu seiner Zeit mit Ihnen suchen;
ich biete mich darum zu Ihrer 1iiZ.tIrgeberin. über diesen wichtigen Schritt, an,
weil wir Weiber tiefer in die Seele unsers Geschlechts hineinbUken, als oft
die klügsten Männer nicht thun; und denn, weil ich Sie gerne glüklich sehn
möchte.....Stiche Punkte stehen im Originals Sie sind mein Lieber
Bruder, und wollen, und werden gewis ein vrafer Mann werden, und darum
lieb ich Sie sehr.

Sage" Sie mir nichts guter Lieber, von unsern gegenseitigen Verhältnißen,
von Wohlthaten, wie Sie es nennen; wir wollen wie gute Kinder sein, welche
mit einander theilen, und durch dieses theilen, ihrem eignen Herzen eine Wohl¬
that erzeigen.

Mein theurer Batter, welcher, ich darf es sagen, an Güte des Herzens
uns alle übertrift, grüßt Sie von ganzer Seele, und freut sich recht daraus


bei einander ist; und wenn ich Ihnen allso, welches ich nicht weiß, einen schö¬
nen Brief geschrieben bade. Sie daraus gar nicht so gütig schließen müßen,
daß ich eine schöne Seele habe; überhaupt sehe ich aus Ihr. Lieben Brief,
daß Sie mich viel beßer glauben als ich nicht bin; und das sezt miet in große
Verlegenheit, wenn Sie mit solch guter Meinung zu uns kommen, und dann
durch die Erfahrung belehrt sehen, daß ich das bey weitem nicht bin, was
Sie glaubten, daß ich sein würde, und auch sein könnte, so muß ich in Ihren
Augen gewaltig verliehren; und das würde mir dann weh thun; auch müßen
Sie nicht glauben eine schöne Schwester bekommen zu haben; denn ich weiß
wohl, die Lieben Männer sehn auch das gern, drum laßen Sie Sich nun er-
zehlen wie ich aussehe: vors erste bin ich klein, und war im 16. Jahre sehr
fett, da ich seit der Zeit nun um ein merkliches gemagert bin, so hat die ein¬
mahl zu' stark ausgedehnte Haut, viele Runzeln bekommen, dazu gab mir die
Natur ein wiedrig langes Kinn; und was nun das ärgste von allem ist, so
hab ich wegen heftigen Zahnschmerzen, (welches fast alle Leute in der Schweiz
haben,) mir meine obern Zähne ausziehen laßen; nun überlaße ich Ihrer eig¬
nen Einbildungskraft, mich so conisch darzustellen, als ich wirklich bin.

Nachdem, was Sie mein Lieber, was mein Mann, mir von unsern Vatter
gesagt hat, fühl ich viele Achtung für Ihn, und ich bitte Sie, ihn herzlich in
meinem Namen zu grüßen; ich hätte schon an Ihn geschrieben, hielte mich nicht
der Gedanke, der guten Mutter davon ab, denn ich muß Ihnen gestehen, daß,
nachdem, was ich von ihr gehört, ich Sie wirtlich fürchte; Wir wollen Sie
ssoll natürlich heißen: sie.I Lieber Bruder, als gute Kinder ehren, und nicht
vergehen was sie während ihrem mühsamen Leben, an ihren Kindern gethan
hat; auch kennen wir ihre Erziehung nicht, wißen nicht, wie das alles so kam;
und vielleicht nach ihrer Lage kommen mußte.

Ja Lieber, es wird einst auch ein gutes Geschöpf für Sie dasein, daß Sie
aufrichtig Lieben wird; und ich will es denn zu seiner Zeit mit Ihnen suchen;
ich biete mich darum zu Ihrer 1iiZ.tIrgeberin. über diesen wichtigen Schritt, an,
weil wir Weiber tiefer in die Seele unsers Geschlechts hineinbUken, als oft
die klügsten Männer nicht thun; und denn, weil ich Sie gerne glüklich sehn
möchte.....Stiche Punkte stehen im Originals Sie sind mein Lieber
Bruder, und wollen, und werden gewis ein vrafer Mann werden, und darum
lieb ich Sie sehr.

Sage» Sie mir nichts guter Lieber, von unsern gegenseitigen Verhältnißen,
von Wohlthaten, wie Sie es nennen; wir wollen wie gute Kinder sein, welche
mit einander theilen, und durch dieses theilen, ihrem eignen Herzen eine Wohl¬
that erzeigen.

Mein theurer Batter, welcher, ich darf es sagen, an Güte des Herzens
uns alle übertrift, grüßt Sie von ganzer Seele, und freut sich recht daraus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/140>, abgerufen am 25.08.2024.