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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Achtundvierzig Briefe von Johann Göttlich Fichte und seinen
Verwandten.
(Fortsetzung.)

Der folgende Brief mit der Aufschrift: "Meinen theuersten Eltern", also
ebenfalls durch Einschluß befördert, ist geschrieben aus dem Hause seines spätern
Schwiegervaters, der Klopstock's Schwester zur Frau hatte, des Waagmeisters
Rahn in Zürich, dessen Tochter Johanna Maria er schon vier Jahre früher,
als er in Zürich als Erzieher lebte, kennen gelernt und lieb gewonnen hatte
(I, 38 ff. 148; vgl. Fichte's eigene Aeußerungen über sie II, 154. 220. 256.
432. 503 ff. und ihre Briefe an Charlotte von Schiller II, 402 ff.). Er
hoffte schon im April 1831 sie wiederzusehen und sich ehelich mit ihr zu ver¬
binden; aber Verluste, die Rahn an seinem Vermögen erlitt, zerstörten diesen
Plan. Der Biograph scheint mit den Worten: "Jetzt nach manchen vereitel¬
ten Planen eilte er mit Sehnsucht dahin" (I, 116) die Vermuthung aussprechen
zu wollen, Fichte habe die Reise nach der Schweiz wirklich gemacht oder be¬
gonnen; mir ist dies aber ganz unwahrscheinlich, da Fichte nach obigem Briefe
am 5. März noch in Leipzig war und am 28. April bereits von da nach dem
Osten und Norden abreiste (I, it8).'


Theuerste Eltern,

Ich bin nach einer langen Reise glüklich und gesund in Zürich angekom¬
men, und habe meine Geliebte, ihren Vater, ihre Familie voll Liebe, Freund¬
schaft und Achtung für mich getroffen. Ein Umstand hat unsre wirkliche Ver¬
bindung aufgehalten, und hält sie leider! noch auf. Der Herr Pastor Wagner
wird Ihnen den erklären, und Sie vielleicht um eine schriftliche Einwilligung
in unsre Ehe bitten, die Sie mir mündlich schon gegeben haben.

Meine Geliebte grüßt Sie mit dem kindlichsten Herzen, und wünscht nichts
inniger, als daß auch sie einst dazu beitragen könne, Ihnen den Abend Ihres
Lebens zu versüßen -- Ich überzeuge mich immer mehr, welch'eine vvrrrefliche
Person sie ist, und erfahre zugleich in welch' eine ausgebreitete und große Ver¬
bindung mit allem was in Teutschland angesehen, und gros ist, ich durch diese
Heyrath komme -- ich, der ich schon auf meinen Reisen nicht unwichtige
Freundschaften geschlossen habe.


Grenzboten III. 1662. 16
Achtundvierzig Briefe von Johann Göttlich Fichte und seinen
Verwandten.
(Fortsetzung.)

Der folgende Brief mit der Aufschrift: „Meinen theuersten Eltern", also
ebenfalls durch Einschluß befördert, ist geschrieben aus dem Hause seines spätern
Schwiegervaters, der Klopstock's Schwester zur Frau hatte, des Waagmeisters
Rahn in Zürich, dessen Tochter Johanna Maria er schon vier Jahre früher,
als er in Zürich als Erzieher lebte, kennen gelernt und lieb gewonnen hatte
(I, 38 ff. 148; vgl. Fichte's eigene Aeußerungen über sie II, 154. 220. 256.
432. 503 ff. und ihre Briefe an Charlotte von Schiller II, 402 ff.). Er
hoffte schon im April 1831 sie wiederzusehen und sich ehelich mit ihr zu ver¬
binden; aber Verluste, die Rahn an seinem Vermögen erlitt, zerstörten diesen
Plan. Der Biograph scheint mit den Worten: „Jetzt nach manchen vereitel¬
ten Planen eilte er mit Sehnsucht dahin" (I, 116) die Vermuthung aussprechen
zu wollen, Fichte habe die Reise nach der Schweiz wirklich gemacht oder be¬
gonnen; mir ist dies aber ganz unwahrscheinlich, da Fichte nach obigem Briefe
am 5. März noch in Leipzig war und am 28. April bereits von da nach dem
Osten und Norden abreiste (I, it8).'


Theuerste Eltern,

Ich bin nach einer langen Reise glüklich und gesund in Zürich angekom¬
men, und habe meine Geliebte, ihren Vater, ihre Familie voll Liebe, Freund¬
schaft und Achtung für mich getroffen. Ein Umstand hat unsre wirkliche Ver¬
bindung aufgehalten, und hält sie leider! noch auf. Der Herr Pastor Wagner
wird Ihnen den erklären, und Sie vielleicht um eine schriftliche Einwilligung
in unsre Ehe bitten, die Sie mir mündlich schon gegeben haben.

Meine Geliebte grüßt Sie mit dem kindlichsten Herzen, und wünscht nichts
inniger, als daß auch sie einst dazu beitragen könne, Ihnen den Abend Ihres
Lebens zu versüßen — Ich überzeuge mich immer mehr, welch'eine vvrrrefliche
Person sie ist, und erfahre zugleich in welch' eine ausgebreitete und große Ver¬
bindung mit allem was in Teutschland angesehen, und gros ist, ich durch diese
Heyrath komme — ich, der ich schon auf meinen Reisen nicht unwichtige
Freundschaften geschlossen habe.


Grenzboten III. 1662. 16
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[0129] Achtundvierzig Briefe von Johann Göttlich Fichte und seinen Verwandten. (Fortsetzung.) Der folgende Brief mit der Aufschrift: „Meinen theuersten Eltern", also ebenfalls durch Einschluß befördert, ist geschrieben aus dem Hause seines spätern Schwiegervaters, der Klopstock's Schwester zur Frau hatte, des Waagmeisters Rahn in Zürich, dessen Tochter Johanna Maria er schon vier Jahre früher, als er in Zürich als Erzieher lebte, kennen gelernt und lieb gewonnen hatte (I, 38 ff. 148; vgl. Fichte's eigene Aeußerungen über sie II, 154. 220. 256. 432. 503 ff. und ihre Briefe an Charlotte von Schiller II, 402 ff.). Er hoffte schon im April 1831 sie wiederzusehen und sich ehelich mit ihr zu ver¬ binden; aber Verluste, die Rahn an seinem Vermögen erlitt, zerstörten diesen Plan. Der Biograph scheint mit den Worten: „Jetzt nach manchen vereitel¬ ten Planen eilte er mit Sehnsucht dahin" (I, 116) die Vermuthung aussprechen zu wollen, Fichte habe die Reise nach der Schweiz wirklich gemacht oder be¬ gonnen; mir ist dies aber ganz unwahrscheinlich, da Fichte nach obigem Briefe am 5. März noch in Leipzig war und am 28. April bereits von da nach dem Osten und Norden abreiste (I, it8).' Theuerste Eltern, Ich bin nach einer langen Reise glüklich und gesund in Zürich angekom¬ men, und habe meine Geliebte, ihren Vater, ihre Familie voll Liebe, Freund¬ schaft und Achtung für mich getroffen. Ein Umstand hat unsre wirkliche Ver¬ bindung aufgehalten, und hält sie leider! noch auf. Der Herr Pastor Wagner wird Ihnen den erklären, und Sie vielleicht um eine schriftliche Einwilligung in unsre Ehe bitten, die Sie mir mündlich schon gegeben haben. Meine Geliebte grüßt Sie mit dem kindlichsten Herzen, und wünscht nichts inniger, als daß auch sie einst dazu beitragen könne, Ihnen den Abend Ihres Lebens zu versüßen — Ich überzeuge mich immer mehr, welch'eine vvrrrefliche Person sie ist, und erfahre zugleich in welch' eine ausgebreitete und große Ver¬ bindung mit allem was in Teutschland angesehen, und gros ist, ich durch diese Heyrath komme — ich, der ich schon auf meinen Reisen nicht unwichtige Freundschaften geschlossen habe. Grenzboten III. 1662. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/129>, abgerufen am 25.08.2024.