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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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werde. Wir glauben, daß die dazu erforderliche Summe weit passender einer
Gemeinde in Posen oder Ostpreußen zur Verfügung gestellt werden würde.
Atmadscha ist eine 1848 gegründete deutsche Kolonie protestantischen Bekennt¬
nisses in der Dobrudscha, deren Bewohner aus Bessarabien eingewanderte Preußen
und Würtenberger sind. Die Absicht derselben, sich eine neue Kirche zu bauen,
ist vom evangelischen Oberkirchenrath in Berlin angelegentlich der Unter¬
stützung empfohlen, wir aber meinen auch in Bezug hierauf, daß die Diaspora
unter den Polen uns viel näher liegt, als die unter Türken und Tartaren.

Dasselbe gilt in noch höherem Grade von den protestantischen Gemeinden
in der asiatischen Türkei, die sämmtlich Mehr oder minder künstliche Pflan¬
zungen der Berliner Romantik und deren Geistliche, wie wir aus eigner An¬
schauung wissen, ohne Ausnahme behaglichst versorgt sind, während ihre Amts-
bruder in Posen und Oberschlesien, dann in Mähren und Ungarn bei doppelter
Arbeit oft nicht den zehnten Theil des Einkommens haben, dessen jene im Orient
ziemlich überflüssigen Herren sich erfreuen. Das bezieht sich auf alle Gemeinden,
die der uns vorliegende Bericht aufführt, auf Beirut, wo der Pfarrer Nut 62 Pro¬
testanten auf der Gemcindeliste bat, und aus Jerusalem am meisten. Bon
letzterem hat man zwar dem CentralvorstaNd allerlei Vortheilhaftes geschrieben,
aber nur was von der Diakonissenanstalt gesagt ist, verdient vollen Glauben.
Daß man Mohammedaner zu belehren Aussicht habe, ist mit Recht in dem Be¬
richt sehr vorsichtig ausgedrückt. Mari wird Unter den Moslemin keine Pro-
selyten machen, wenigstens nicht eher, als bis die dortigen Christen durch ihr
Leben beweisen, daß ihre Lehre Liebe und Frieden wirkt. Ueber die sonstigen
Zustände der evangelischen Gemeinde Jerusalems Möge man die Mittheilung
d. Bl. im Jahrgang 1859 (II. Sem. S. '36l ff.) oder M. Busch "Eine
Wallfahrt nach Jerusalem" 2. Bd. nachlesen*). Man wird daraus !und
werden, daß die protestantische Gemeinde der heiligen Stadt im Wesentlichen
eine Intermission ohne erheblichen Erfolg ist, in welcher sich AccöinModation im
jüdisches Wesen init englischem Coinlnonprayerbovks-Christenthum Und deutschem
Conventikel-Pietismus mischt, wozu int Jahr 1859 noch ein sehr bedenklicher
aus Amerika Mportirter ChlliasMüs getreten wär. Für Missionen Unter Türken
Und Juden aber würde uns unser Gewissen, selbst wenn sie Erfolg versprachen,
nicht eher beizutragen gestatten, als bis die große Mission des Gustav-Adolf-
Vereins in Deutschland, in den außetdeUischen Provinzen Preußens, in Oest¬
reich und dann in der gesammten protestantischen Diaspora erfüllt wäre.

In Aegypten gibt es protestantische Gemeinden in Alexandrien kiekt
Kairo; erstere hat etwa 140 Mitglieder, letztere kann deren kannt mehr als 30



'') Sechzig, 1ö62, bei U Ärünoiv.

werde. Wir glauben, daß die dazu erforderliche Summe weit passender einer
Gemeinde in Posen oder Ostpreußen zur Verfügung gestellt werden würde.
Atmadscha ist eine 1848 gegründete deutsche Kolonie protestantischen Bekennt¬
nisses in der Dobrudscha, deren Bewohner aus Bessarabien eingewanderte Preußen
und Würtenberger sind. Die Absicht derselben, sich eine neue Kirche zu bauen,
ist vom evangelischen Oberkirchenrath in Berlin angelegentlich der Unter¬
stützung empfohlen, wir aber meinen auch in Bezug hierauf, daß die Diaspora
unter den Polen uns viel näher liegt, als die unter Türken und Tartaren.

Dasselbe gilt in noch höherem Grade von den protestantischen Gemeinden
in der asiatischen Türkei, die sämmtlich Mehr oder minder künstliche Pflan¬
zungen der Berliner Romantik und deren Geistliche, wie wir aus eigner An¬
schauung wissen, ohne Ausnahme behaglichst versorgt sind, während ihre Amts-
bruder in Posen und Oberschlesien, dann in Mähren und Ungarn bei doppelter
Arbeit oft nicht den zehnten Theil des Einkommens haben, dessen jene im Orient
ziemlich überflüssigen Herren sich erfreuen. Das bezieht sich auf alle Gemeinden,
die der uns vorliegende Bericht aufführt, auf Beirut, wo der Pfarrer Nut 62 Pro¬
testanten auf der Gemcindeliste bat, und aus Jerusalem am meisten. Bon
letzterem hat man zwar dem CentralvorstaNd allerlei Vortheilhaftes geschrieben,
aber nur was von der Diakonissenanstalt gesagt ist, verdient vollen Glauben.
Daß man Mohammedaner zu belehren Aussicht habe, ist mit Recht in dem Be¬
richt sehr vorsichtig ausgedrückt. Mari wird Unter den Moslemin keine Pro-
selyten machen, wenigstens nicht eher, als bis die dortigen Christen durch ihr
Leben beweisen, daß ihre Lehre Liebe und Frieden wirkt. Ueber die sonstigen
Zustände der evangelischen Gemeinde Jerusalems Möge man die Mittheilung
d. Bl. im Jahrgang 1859 (II. Sem. S. '36l ff.) oder M. Busch „Eine
Wallfahrt nach Jerusalem" 2. Bd. nachlesen*). Man wird daraus !und
werden, daß die protestantische Gemeinde der heiligen Stadt im Wesentlichen
eine Intermission ohne erheblichen Erfolg ist, in welcher sich AccöinModation im
jüdisches Wesen init englischem Coinlnonprayerbovks-Christenthum Und deutschem
Conventikel-Pietismus mischt, wozu int Jahr 1859 noch ein sehr bedenklicher
aus Amerika Mportirter ChlliasMüs getreten wär. Für Missionen Unter Türken
Und Juden aber würde uns unser Gewissen, selbst wenn sie Erfolg versprachen,
nicht eher beizutragen gestatten, als bis die große Mission des Gustav-Adolf-
Vereins in Deutschland, in den außetdeUischen Provinzen Preußens, in Oest¬
reich und dann in der gesammten protestantischen Diaspora erfüllt wäre.

In Aegypten gibt es protestantische Gemeinden in Alexandrien kiekt
Kairo; erstere hat etwa 140 Mitglieder, letztere kann deren kannt mehr als 30



'') Sechzig, 1ö62, bei U Ärünoiv.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/118>, abgerufen am 24.08.2024.