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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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lischen Pfarrer verrichten 'zu lassen. 1627 war auf diesem Wege die Katholi
sirung der Stadt vollständig durchgeführt.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts befanden sich jedoch wieder so
viele Protestanten in Donauwörth, daß für sie in einem Zimmer des Rathhauses
ein eigner Gottesdienst gehalten wurde. Lange scheint diese Duldung indeß
nicht bestanden zu haben; wenigstens kam in den letzten siebzig Jahren kein
solcher Gottesdienst in der Stadt mehr vor, und die evangelischen Einwohner
waren gezwungen, entweder auf kirchliches Leben zu verzichten oder sich zu der
zwei Stunden von Donauwörth entfernten Gemeinde Ebcrmergcn zu halten.
Mittlerweile ist die Zahl derselben beträchtlich gewachsen. Es befinden sich
jetzt in der Stadt und deren unmittelbarer Nachbarschaft wieder über 300
Protestanten, und es steht zu erwarten, daß in Folge der günstigen Lage
Donauwörths an einem großen Fluß und einer vielbefahrenen Eisenbahn diese
Zahl sich noch bedeutend vermehren wird, wenn erst dem Bedürfniß nach evan¬
gelischem Gottesdienst und evangelischer Seelsorge ausreichend abgeholfen ist.

Zur Zeit gehen der protestantischen Kirche hier noch manche Glieder ver¬
loren, und zwar selbst Kinder aus rein protestantischen Ehen. Die Kinder,
jetzt etwa dreißig, besuchen die katholische Schule und erhalten erst kurz vor
der Confirmation einige Unterweisung in ihrem Bekenntniß. Ein Theil der
hiesigen Protestanten besteht aus alten Soldaten, die in der Veteranenanstalt
untergebracht sind, und aus deren Frauen und Wittwen, die den weiten Weg
zur Kirche nicht wohl mehr unternehmen können. Ebenso entbehren die beim
Donauwörther Bezirksgericht Jnhaftirten und die Kranken des geistlichen Zu¬
spruchs. In Berücksichtigung dieses Bedürfnisses hat die kirchliche Oberbehörde
die Anstellung eines ständigen Pfarrvicars verfügt, dem zugleich der Religions¬
unterricht der Jugend obliegt. Aber für den Gottesdienst hat man nur ein
wenig passendes Privatlokal erlangen können. Ein städtisches war (wie es
scheint, weil man in Donauwörth katholischerseits im vorigen Jahrhundert humaner
empfand als heutzutage) nicht zu erlangen. So denkt man an den Bau einer
eignen kleinen .Kirche nebst Pfarre und Schule, doch erfordert die Ausführung
dieser Absicht jedenfalls kräftigen Beistand von Außen.

In Würtemberg hatte der uns zum Anhalt dienende Bericht Is zer¬
streute protestantische Gemeinden als mehr oder minder der Unterstützung be¬
dürftig zu verzeichnen, in Baden 17. Wie übel es auch hier hin und wieder
bestellt ist, mögen zwei Beispiele darthun.

In dem alten Städtchen Säckingen fand die Reformation lange keinen
Anklang. Erst in neuester Zeit hat sich in Folge der Anlegung von Fabriken
und Eisenbahnen eine starke Anzahl von Evangelischen hier niedergelassen. Die¬
selben besuchten Anfangs in Ermangelung protestantischen Gottesdienstes die
katholische Kirche, bis ihnen dies durch das Benehmen der Geistlichen und den


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lischen Pfarrer verrichten 'zu lassen. 1627 war auf diesem Wege die Katholi
sirung der Stadt vollständig durchgeführt.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts befanden sich jedoch wieder so
viele Protestanten in Donauwörth, daß für sie in einem Zimmer des Rathhauses
ein eigner Gottesdienst gehalten wurde. Lange scheint diese Duldung indeß
nicht bestanden zu haben; wenigstens kam in den letzten siebzig Jahren kein
solcher Gottesdienst in der Stadt mehr vor, und die evangelischen Einwohner
waren gezwungen, entweder auf kirchliches Leben zu verzichten oder sich zu der
zwei Stunden von Donauwörth entfernten Gemeinde Ebcrmergcn zu halten.
Mittlerweile ist die Zahl derselben beträchtlich gewachsen. Es befinden sich
jetzt in der Stadt und deren unmittelbarer Nachbarschaft wieder über 300
Protestanten, und es steht zu erwarten, daß in Folge der günstigen Lage
Donauwörths an einem großen Fluß und einer vielbefahrenen Eisenbahn diese
Zahl sich noch bedeutend vermehren wird, wenn erst dem Bedürfniß nach evan¬
gelischem Gottesdienst und evangelischer Seelsorge ausreichend abgeholfen ist.

Zur Zeit gehen der protestantischen Kirche hier noch manche Glieder ver¬
loren, und zwar selbst Kinder aus rein protestantischen Ehen. Die Kinder,
jetzt etwa dreißig, besuchen die katholische Schule und erhalten erst kurz vor
der Confirmation einige Unterweisung in ihrem Bekenntniß. Ein Theil der
hiesigen Protestanten besteht aus alten Soldaten, die in der Veteranenanstalt
untergebracht sind, und aus deren Frauen und Wittwen, die den weiten Weg
zur Kirche nicht wohl mehr unternehmen können. Ebenso entbehren die beim
Donauwörther Bezirksgericht Jnhaftirten und die Kranken des geistlichen Zu¬
spruchs. In Berücksichtigung dieses Bedürfnisses hat die kirchliche Oberbehörde
die Anstellung eines ständigen Pfarrvicars verfügt, dem zugleich der Religions¬
unterricht der Jugend obliegt. Aber für den Gottesdienst hat man nur ein
wenig passendes Privatlokal erlangen können. Ein städtisches war (wie es
scheint, weil man in Donauwörth katholischerseits im vorigen Jahrhundert humaner
empfand als heutzutage) nicht zu erlangen. So denkt man an den Bau einer
eignen kleinen .Kirche nebst Pfarre und Schule, doch erfordert die Ausführung
dieser Absicht jedenfalls kräftigen Beistand von Außen.

In Würtemberg hatte der uns zum Anhalt dienende Bericht Is zer¬
streute protestantische Gemeinden als mehr oder minder der Unterstützung be¬
dürftig zu verzeichnen, in Baden 17. Wie übel es auch hier hin und wieder
bestellt ist, mögen zwei Beispiele darthun.

In dem alten Städtchen Säckingen fand die Reformation lange keinen
Anklang. Erst in neuester Zeit hat sich in Folge der Anlegung von Fabriken
und Eisenbahnen eine starke Anzahl von Evangelischen hier niedergelassen. Die¬
selben besuchten Anfangs in Ermangelung protestantischen Gottesdienstes die
katholische Kirche, bis ihnen dies durch das Benehmen der Geistlichen und den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/107>, abgerufen am 25.08.2024.