Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.aggressiver Tendenzen gegen die katholische Kirche, während zu heißblutige Pro¬ Andere Heilige dieser Gattung meinen sich von dem Vereine fernhalten zu Das protestantische Volk im Großen und Ganzen hat sich durch solche aggressiver Tendenzen gegen die katholische Kirche, während zu heißblutige Pro¬ Andere Heilige dieser Gattung meinen sich von dem Vereine fernhalten zu Das protestantische Volk im Großen und Ganzen hat sich durch solche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114291"/> <p xml:id="ID_1645" prev="#ID_1644"> aggressiver Tendenzen gegen die katholische Kirche, während zu heißblutige Pro¬<lb/> testanten ihn zu vorsichtig und ängstlich finden wollten. Die Zionswächter-<lb/> schaft des bornirten Stockluthcrthums (das beiläufig auch am Ort der Entstehung<lb/> des Vereins in bekannter widerlicher Weise die längst erstorbenen und begra¬<lb/> benen confessionellen Unterschiede in der evangelischen Weit auszuscharren und<lb/> wieder zu beleben bemüht ist) verdrehte die Augen, und rief Anathema, daß die<lb/> Stiftung Beiträge aller Protestanten, gleichviel ob lutherisch, reformirt oder<lb/> unirt, annehmen, von allen verwaltet werden, allen gleichmäßig zu Gute kommen<lb/> sollte. Nicht selten kann man noch jetzt Aeußerungen hören, die dem aus be¬<lb/> rühmtem Munde erflossenen Blödsinn verwandt sind, daß das Geld Reformirter<lb/> lutherischen, das Geld Lutherischer reformirten Gemeinden nur zum Unsegen<lb/> gereichen könne.</p><lb/> <p xml:id="ID_1646"> Andere Heilige dieser Gattung meinen sich von dem Vereine fernhalten zu<lb/> müssen, weil er „in die Gefahr bringe, die eigne Gerechtigkeit zu nähren", was<lb/> nur denen verständlich sein wird, die in die Phraseologie der Herren vom weißen<lb/> Halstuch eingeweiht sind und wissen, welche Verschrobenheit und was für eine<lb/> kleine Seele sich hinter ihr birgt. Endlich ist selbst die Ansicht zu bekämpfen<lb/> gewesen, daß es besser sei, die in der Zerstreuung lebenden Evangelischen nicht<lb/> zu unterstützen und sie ruhig in die herrschende Kirche aufgehen zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1647" next="#ID_1648"> Das protestantische Volk im Großen und Ganzen hat sich durch solche<lb/> Spitzfindigkeiten, Beschränktheiten und Verkehrtheiten des modernen Pfaffenthums<lb/> nicht beirren lassen. Der Verein ebenso wenig. Unbekümmert um alle An¬<lb/> feindungen, höchstens schmerzlich berührt von besonders starker und lauter Ver¬<lb/> blendung, ist er rüstig auf der durch das ursprüngliche Programm vorgezeich¬<lb/> neten Bahn fortgeschritten und. wie die letzten Berichte darthun, von Jahr zu<lb/> Jahr besser gediehen. Während er anfangs nur im Königreich Sachsen und<lb/> in Schweden wirksamen Anklang bei Volk und Regierung fand, hat er jetzt<lb/> beinahe in sämmtlichen zum deutschen Bunde gehörenden Ländern seine Zweig¬<lb/> vereine, zählt er mehre deutsche Fürsten zu Gönnern, ist ihm seit dem Um¬<lb/> schwung des Jahres 1860 sogar Oestreich bis auf Weiteres geöffnet, wirkt er<lb/> gegenwärtig >n ungefähr tausend Zweigvereine gegliedert bis in die Gebiete<lb/> an der untern Donau, bis nach Syrien und Algerien, bis in die transatlan¬<lb/> tische Welt hinein. Während er früher nur über sehr mäßige Mittel verfügte,<lb/> sein Budget noch vor einem Decennium weniger als fünfzigtausend Thaler<lb/> umfaßte, unterstützte er in den beiden letzten Verwaltungsjahren die nothleiden¬<lb/> den Gemeinden der protestantischen Diaspora mit mehr als dreimalhunderttau-<lb/> send Thalern. Viele Hunderte von alten Gemeinden dieser Art, die aus Mangel<lb/> an äußern Mitteln am Absterben waren, segnen ihn als Wohlthäter und Ret¬<lb/> ter, andere neu entstandene als kräftigen Förderer ihres Gedeihens. Tausende<lb/> von Kindern evangelischer Eltern wurden durch ihn der katholischen Schule, in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0511]
aggressiver Tendenzen gegen die katholische Kirche, während zu heißblutige Pro¬
testanten ihn zu vorsichtig und ängstlich finden wollten. Die Zionswächter-
schaft des bornirten Stockluthcrthums (das beiläufig auch am Ort der Entstehung
des Vereins in bekannter widerlicher Weise die längst erstorbenen und begra¬
benen confessionellen Unterschiede in der evangelischen Weit auszuscharren und
wieder zu beleben bemüht ist) verdrehte die Augen, und rief Anathema, daß die
Stiftung Beiträge aller Protestanten, gleichviel ob lutherisch, reformirt oder
unirt, annehmen, von allen verwaltet werden, allen gleichmäßig zu Gute kommen
sollte. Nicht selten kann man noch jetzt Aeußerungen hören, die dem aus be¬
rühmtem Munde erflossenen Blödsinn verwandt sind, daß das Geld Reformirter
lutherischen, das Geld Lutherischer reformirten Gemeinden nur zum Unsegen
gereichen könne.
Andere Heilige dieser Gattung meinen sich von dem Vereine fernhalten zu
müssen, weil er „in die Gefahr bringe, die eigne Gerechtigkeit zu nähren", was
nur denen verständlich sein wird, die in die Phraseologie der Herren vom weißen
Halstuch eingeweiht sind und wissen, welche Verschrobenheit und was für eine
kleine Seele sich hinter ihr birgt. Endlich ist selbst die Ansicht zu bekämpfen
gewesen, daß es besser sei, die in der Zerstreuung lebenden Evangelischen nicht
zu unterstützen und sie ruhig in die herrschende Kirche aufgehen zu lassen.
Das protestantische Volk im Großen und Ganzen hat sich durch solche
Spitzfindigkeiten, Beschränktheiten und Verkehrtheiten des modernen Pfaffenthums
nicht beirren lassen. Der Verein ebenso wenig. Unbekümmert um alle An¬
feindungen, höchstens schmerzlich berührt von besonders starker und lauter Ver¬
blendung, ist er rüstig auf der durch das ursprüngliche Programm vorgezeich¬
neten Bahn fortgeschritten und. wie die letzten Berichte darthun, von Jahr zu
Jahr besser gediehen. Während er anfangs nur im Königreich Sachsen und
in Schweden wirksamen Anklang bei Volk und Regierung fand, hat er jetzt
beinahe in sämmtlichen zum deutschen Bunde gehörenden Ländern seine Zweig¬
vereine, zählt er mehre deutsche Fürsten zu Gönnern, ist ihm seit dem Um¬
schwung des Jahres 1860 sogar Oestreich bis auf Weiteres geöffnet, wirkt er
gegenwärtig >n ungefähr tausend Zweigvereine gegliedert bis in die Gebiete
an der untern Donau, bis nach Syrien und Algerien, bis in die transatlan¬
tische Welt hinein. Während er früher nur über sehr mäßige Mittel verfügte,
sein Budget noch vor einem Decennium weniger als fünfzigtausend Thaler
umfaßte, unterstützte er in den beiden letzten Verwaltungsjahren die nothleiden¬
den Gemeinden der protestantischen Diaspora mit mehr als dreimalhunderttau-
send Thalern. Viele Hunderte von alten Gemeinden dieser Art, die aus Mangel
an äußern Mitteln am Absterben waren, segnen ihn als Wohlthäter und Ret¬
ter, andere neu entstandene als kräftigen Förderer ihres Gedeihens. Tausende
von Kindern evangelischer Eltern wurden durch ihn der katholischen Schule, in
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |