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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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geschleckt vertilgen, welches bei Eindruck jener Diluvicilfluth noch nicht aus
der Hand des Schöpfers hervorgegangen war."

So Cuvier. Es wurde seinem Scharfsinn nicht schwer, das Irrthümliche
früherer, der seinigen entgegenstehender Auffassungen aufzudecken: Auffassungen,
die nur zu oft den Spott herausforderten. Von vielen Beispielen eins: Ein
von der berühmten Fundstätte von Versteinerungen Oeningen herrührendes
Skelet war von einem Züricher Forscher, Scheuchzer, für das eines Menschen,
"eines Zeugen der Sündfluth" erklärt worden. Scheuchzer fühlte sich durch
seinen-Fund zu einen fromm ermahnenden Gedickte angeregt, welches anhebt-. "Be¬
trübtes Beingerüst von einem alten Sünder". Cuvier zeigte, daß dieses Bein¬
gerüst keinem Menschen, sondern einem großen Erdsalamander angehört habe.

Seine Anschauung weiter entwickelnd, suchte Cuvier aus Beobachtungen
über das Wachsen der Anschwemmungen an Flußmündungen, das Vorrücken
der Dünen ins Innere des Landes und über ähnliche seit dem Eintritt der
jetzigen Vertheilung des Festen und Flüssigen auf der Erdoberfläche stetig wir¬
kende Vorgänge den Nachweis zu führen, daß die gegenwärtige Gestaltung der
Continente überhaupt kein hohes Alter haben könne. Er setzt die Zeit der
letzten, großartigen und plötzlichen Umwälzung der Erdrinde nicht weiter zurück,
als etwa fünf- bis sechstausend Jahre.

Das Vorgehen zweier englischer Forscher. Lyell und Edo. Forbes, hat der
neueren Geologie das Streben aufgeprägt, die Veränderungen, welche die Erd¬
rinde in der Vorzeit erlitt, soweit irgend thunlich aus Ursachen zu erklären,
welche noch in der Gegenwart thätig sind. Die oft mißbrauchte Annahme ge¬
waltsamer ungeheurer Katastrophen, des plötzlichen Vcrsinkens ganzer Konti¬
nente, des reißend schnellen Hervorquellens feurig-flüssiger Alpengebirge aus wei¬
ten Klüften der Erdrinde wird gern ersetzt durch die Annahme der langsamen,
in kurzen Zeitabschnitten kaum merkbaren, aber sehr lange Zeiträume hindurch
thätigen Senkungen und Hebungen, Auswaschungen und Anschwemmungen,
wie sie noch heute häusig beobachtet werden. Die langsame Hebung z. B. im
allmäligen Steigen Norwegens, die langsame Senkung an den Koralleninseln
der Südsee. Diese Ringe steiler, in mehreren Tausenden von Fußen erst älte¬
rem Gestein aufsitzender Felsen mit fast senkrechten Außenwänden bestehen in
der ganzen Masse aus den Gehäusen von Korallenthiercn. welche noch heute in
der Nähe der Meeresoberfläche thätig sind, aber nur bis zu wenigen Faden
Tiefe. In größeren Tiefen kann der felsbildende Korallenpolyp nicht leben.
Es ist einleuchtend, daß die Entstehung solcher Koralleninseln nur in der Weise
denkbar ist, daß die Ringe aus kaum über die Meeresoberfläche ragenden In¬
seln einst Riffe waren, welche mäßig große Inseln, Gebirgsgipfel eines längst
versunkenen Festlandes, umsäumten, und daß diese Ningriffe in demselben Maße
höher wuchsen, als die sie tragenden Inseln langsam immer tiefer sanken, end-


geschleckt vertilgen, welches bei Eindruck jener Diluvicilfluth noch nicht aus
der Hand des Schöpfers hervorgegangen war."

So Cuvier. Es wurde seinem Scharfsinn nicht schwer, das Irrthümliche
früherer, der seinigen entgegenstehender Auffassungen aufzudecken: Auffassungen,
die nur zu oft den Spott herausforderten. Von vielen Beispielen eins: Ein
von der berühmten Fundstätte von Versteinerungen Oeningen herrührendes
Skelet war von einem Züricher Forscher, Scheuchzer, für das eines Menschen,
„eines Zeugen der Sündfluth" erklärt worden. Scheuchzer fühlte sich durch
seinen-Fund zu einen fromm ermahnenden Gedickte angeregt, welches anhebt-. „Be¬
trübtes Beingerüst von einem alten Sünder". Cuvier zeigte, daß dieses Bein¬
gerüst keinem Menschen, sondern einem großen Erdsalamander angehört habe.

Seine Anschauung weiter entwickelnd, suchte Cuvier aus Beobachtungen
über das Wachsen der Anschwemmungen an Flußmündungen, das Vorrücken
der Dünen ins Innere des Landes und über ähnliche seit dem Eintritt der
jetzigen Vertheilung des Festen und Flüssigen auf der Erdoberfläche stetig wir¬
kende Vorgänge den Nachweis zu führen, daß die gegenwärtige Gestaltung der
Continente überhaupt kein hohes Alter haben könne. Er setzt die Zeit der
letzten, großartigen und plötzlichen Umwälzung der Erdrinde nicht weiter zurück,
als etwa fünf- bis sechstausend Jahre.

Das Vorgehen zweier englischer Forscher. Lyell und Edo. Forbes, hat der
neueren Geologie das Streben aufgeprägt, die Veränderungen, welche die Erd¬
rinde in der Vorzeit erlitt, soweit irgend thunlich aus Ursachen zu erklären,
welche noch in der Gegenwart thätig sind. Die oft mißbrauchte Annahme ge¬
waltsamer ungeheurer Katastrophen, des plötzlichen Vcrsinkens ganzer Konti¬
nente, des reißend schnellen Hervorquellens feurig-flüssiger Alpengebirge aus wei¬
ten Klüften der Erdrinde wird gern ersetzt durch die Annahme der langsamen,
in kurzen Zeitabschnitten kaum merkbaren, aber sehr lange Zeiträume hindurch
thätigen Senkungen und Hebungen, Auswaschungen und Anschwemmungen,
wie sie noch heute häusig beobachtet werden. Die langsame Hebung z. B. im
allmäligen Steigen Norwegens, die langsame Senkung an den Koralleninseln
der Südsee. Diese Ringe steiler, in mehreren Tausenden von Fußen erst älte¬
rem Gestein aufsitzender Felsen mit fast senkrechten Außenwänden bestehen in
der ganzen Masse aus den Gehäusen von Korallenthiercn. welche noch heute in
der Nähe der Meeresoberfläche thätig sind, aber nur bis zu wenigen Faden
Tiefe. In größeren Tiefen kann der felsbildende Korallenpolyp nicht leben.
Es ist einleuchtend, daß die Entstehung solcher Koralleninseln nur in der Weise
denkbar ist, daß die Ringe aus kaum über die Meeresoberfläche ragenden In¬
seln einst Riffe waren, welche mäßig große Inseln, Gebirgsgipfel eines längst
versunkenen Festlandes, umsäumten, und daß diese Ningriffe in demselben Maße
höher wuchsen, als die sie tragenden Inseln langsam immer tiefer sanken, end-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/450>, abgerufen am 06.01.2025.