Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Mittel zum diplomatischen Handeln fehlte. Am 15. Juli 1840 Wurde durch In Frankreich brachte begreiflicher Weise der Tractat große Aufregung Den jetzt unvermeidlichen Rückzug suchte Thiers durch eine Möglichst Mittel zum diplomatischen Handeln fehlte. Am 15. Juli 1840 Wurde durch In Frankreich brachte begreiflicher Weise der Tractat große Aufregung Den jetzt unvermeidlichen Rückzug suchte Thiers durch eine Möglichst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113825"/> <p xml:id="ID_91" prev="#ID_90"> Mittel zum diplomatischen Handeln fehlte. Am 15. Juli 1840 Wurde durch<lb/> einen wider Wissen Frankreichs abgeschlossenen Tractat endgiltig über die<lb/> orientalische Frage entschieden. Man kam überein, sofort und ohne erst die<lb/> Ratifikationen abzuwarten, Zwangsmaßregeln gegen den Pascha anzuwenden,<lb/> wenn er sich der an ihn gerichteten Forderung/Syrien zu räumen, nicht fügen<lb/> würde. Der Widerstand des Pascha war schwächer, als man erwartet hatte,<lb/> und schon am 27. November unterwarf er sich durch eine zu Alexandria mit<lb/> dem Commodore Napier abgeschlossene Convention den gestellten Bedingungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_92"> In Frankreich brachte begreiflicher Weise der Tractat große Aufregung<lb/> hervor. Thiers, seit dem 1. März 1840 Präsident des Conseils und Minister<lb/> des Auswärtigen, beklagt sich bitter, daß man vor dem Abschluß nicht Frank¬<lb/> reich um 'einen Beitritt befragt habe. Die Vernachlässigung war allerdings<lb/> empfindlich, aber doch nur eine natürliche Folge der von Frankreich eingenom¬<lb/> menen Stellung, da die französische Negierung allen Aufforderungen zur Mit¬<lb/> wirkung gegenüber, wie Thiers selbst zugibt,'wiederholt sowohl in der Terri-<lb/> torialfragc ihren Standpunkt festgehalten," als auch unzweideutig erklärt hatte,<lb/> daß sie sich unter keinen Umständen an einer Maßregel beteiligen werde, die<lb/> zur Anwendung von Waffengewalt wider den Vicekönig führen könnte. Jeder<lb/> erneute, voraussichtlich völlig vergebliche Versuch, Frankreich zu gewinnen,<lb/> würde zu Weiterungen geführt baden, die Palmerston um jeden Preis zu ver¬<lb/> meiden wünschte. Gewiß waren Lord Palmeiston und der Kaiser Nikolaus<lb/> sehr erfreut darüber, Frankreich verletzend behandeln und demüthigen zu kön¬<lb/> nen. Aber die Klagen Thiers über eine rücksichtslose Behandlung' waren ob¬<lb/> jectiv dennoch unbegründet.</p><lb/> <p xml:id="ID_93"> Den jetzt unvermeidlichen Rückzug suchte Thiers durch eine Möglichst<lb/> kriegerische und drohende Haltung zu verdecken. Während er in Frankreich<lb/> den kriegerischen Leidenschaften alle Zügel schießen ließ, während er den Rhein<lb/> zu bedrohen schien und ganz Europa mit dem Lärm seiner Rüstungen füllte,<lb/> und so die Blicke des Publicums von der Frage, um die es sich' eigentlich<lb/> handelte, ablenkte, gab er in einer Note vom 8. Oct. Syrien auf, fügte in¬<lb/> dessen, um doch scheinbar einen positiven Standpunkt festzuhalten, eine nichts¬<lb/> sagende Drohung hinzu, indem er erklärte, daß er in keinem Falle einen An¬<lb/> griff auf Acgypten dulden werde. Man hat Thiers wegen seines Verhaltens<lb/> in dir damaligen Krisis vielfach jede staatsmännische Befähigung abgesprochen:<lb/> wie uns scheint Mit Unrecht. An einen propagandistischen Krieg hat er gar nicht<lb/> gedacht. Wohl aber nöthigte ihn die aufgeregte Stimmung der Gemüther, den<lb/> Anschein kriegerischer Tendenzen anzunehmen, um den Staat aus einer Lage<lb/> zu ziehen, in die er ihn nicht gebracht hatte. Natürlich machte der innere<lb/> Widerspruch seiner Politik, die z. Th. nur auf den Schein berechnet war, seine<lb/> Stellung als Minister unhaltbar: die Kriegslustigen suchten ihn in Bahnen zu<lb/> drängen, die zu betreten erfgar nicht beabsichtigte-, die friedliebende Bourgeoisie<lb/> betrachtete ihn wegen des von ihm hervorgerufenett Kriegslärms Mit äußerstem<lb/> Mißtrauen. So zog er sich zurück, und überließ es Guizot an der Spike dös<lb/> Ministeriums vom 29. Oct. 1840. die von ihm durch die Noten vom 8. Oct.<lb/> angebahnte diplomatische Rehabilitirung Frankreichs weiter zU Verfolger und<lb/> zum Ziele zu führen. Die unheilvollen Folgen, welche diese diplomatische Ka¬<lb/> tastrophe auf die äußeren und mittelbar auch aUf die inneren Verhältnisse der<lb/> Julimonarchie ausgeübt hat. beabsichtigen wir später in einem anderen Zu¬<lb/><note type="byline"> G. Z.</note> sammenhange zu entwickeln. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
Mittel zum diplomatischen Handeln fehlte. Am 15. Juli 1840 Wurde durch
einen wider Wissen Frankreichs abgeschlossenen Tractat endgiltig über die
orientalische Frage entschieden. Man kam überein, sofort und ohne erst die
Ratifikationen abzuwarten, Zwangsmaßregeln gegen den Pascha anzuwenden,
wenn er sich der an ihn gerichteten Forderung/Syrien zu räumen, nicht fügen
würde. Der Widerstand des Pascha war schwächer, als man erwartet hatte,
und schon am 27. November unterwarf er sich durch eine zu Alexandria mit
dem Commodore Napier abgeschlossene Convention den gestellten Bedingungen.
In Frankreich brachte begreiflicher Weise der Tractat große Aufregung
hervor. Thiers, seit dem 1. März 1840 Präsident des Conseils und Minister
des Auswärtigen, beklagt sich bitter, daß man vor dem Abschluß nicht Frank¬
reich um 'einen Beitritt befragt habe. Die Vernachlässigung war allerdings
empfindlich, aber doch nur eine natürliche Folge der von Frankreich eingenom¬
menen Stellung, da die französische Negierung allen Aufforderungen zur Mit¬
wirkung gegenüber, wie Thiers selbst zugibt,'wiederholt sowohl in der Terri-
torialfragc ihren Standpunkt festgehalten," als auch unzweideutig erklärt hatte,
daß sie sich unter keinen Umständen an einer Maßregel beteiligen werde, die
zur Anwendung von Waffengewalt wider den Vicekönig führen könnte. Jeder
erneute, voraussichtlich völlig vergebliche Versuch, Frankreich zu gewinnen,
würde zu Weiterungen geführt baden, die Palmerston um jeden Preis zu ver¬
meiden wünschte. Gewiß waren Lord Palmeiston und der Kaiser Nikolaus
sehr erfreut darüber, Frankreich verletzend behandeln und demüthigen zu kön¬
nen. Aber die Klagen Thiers über eine rücksichtslose Behandlung' waren ob¬
jectiv dennoch unbegründet.
Den jetzt unvermeidlichen Rückzug suchte Thiers durch eine Möglichst
kriegerische und drohende Haltung zu verdecken. Während er in Frankreich
den kriegerischen Leidenschaften alle Zügel schießen ließ, während er den Rhein
zu bedrohen schien und ganz Europa mit dem Lärm seiner Rüstungen füllte,
und so die Blicke des Publicums von der Frage, um die es sich' eigentlich
handelte, ablenkte, gab er in einer Note vom 8. Oct. Syrien auf, fügte in¬
dessen, um doch scheinbar einen positiven Standpunkt festzuhalten, eine nichts¬
sagende Drohung hinzu, indem er erklärte, daß er in keinem Falle einen An¬
griff auf Acgypten dulden werde. Man hat Thiers wegen seines Verhaltens
in dir damaligen Krisis vielfach jede staatsmännische Befähigung abgesprochen:
wie uns scheint Mit Unrecht. An einen propagandistischen Krieg hat er gar nicht
gedacht. Wohl aber nöthigte ihn die aufgeregte Stimmung der Gemüther, den
Anschein kriegerischer Tendenzen anzunehmen, um den Staat aus einer Lage
zu ziehen, in die er ihn nicht gebracht hatte. Natürlich machte der innere
Widerspruch seiner Politik, die z. Th. nur auf den Schein berechnet war, seine
Stellung als Minister unhaltbar: die Kriegslustigen suchten ihn in Bahnen zu
drängen, die zu betreten erfgar nicht beabsichtigte-, die friedliebende Bourgeoisie
betrachtete ihn wegen des von ihm hervorgerufenett Kriegslärms Mit äußerstem
Mißtrauen. So zog er sich zurück, und überließ es Guizot an der Spike dös
Ministeriums vom 29. Oct. 1840. die von ihm durch die Noten vom 8. Oct.
angebahnte diplomatische Rehabilitirung Frankreichs weiter zU Verfolger und
zum Ziele zu führen. Die unheilvollen Folgen, welche diese diplomatische Ka¬
tastrophe auf die äußeren und mittelbar auch aUf die inneren Verhältnisse der
Julimonarchie ausgeübt hat. beabsichtigen wir später in einem anderen Zu¬
G. Z. sammenhange zu entwickeln.
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