Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Kostbarsten des Orts nennen wir noch die (beiläufig an den Absätzen stark Was die Mönche betrifft, so tragen sie schwarze Kaftane und die Pvpen- Kostbarsten des Orts nennen wir noch die (beiläufig an den Absätzen stark Was die Mönche betrifft, so tragen sie schwarze Kaftane und die Pvpen- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114222"/> <p xml:id="ID_1418" prev="#ID_1417"> Kostbarsten des Orts nennen wir noch die (beiläufig an den Absätzen stark<lb/> schiefgelaufenen) Schuhe des heiligen Sergius, einen blauen Kaftan, den Iwan<lb/> der Schreckliche getragen, den Zügel des Pferdes, welches Fürst Pojarski in<lb/> einer siegreichen Schlacht gegen die Polen geritten, einen Brief von Kaiser Paul,<lb/> in welchem er den Archimandriten Plato von der Geburt des Großfürsten Ni-<lb/> colaus benachrichtigt, und vor Allem die „natürliche" (nach dem Glauben der<lb/> Andächtigen durch ein Wunder gebildete, also eigentlich unnatürliche) Panagia."<lb/> Letztere ist, wenn auch kein Wunder, doch auf alle Fälle ein sehr wunderliches<lb/> Naturspiel. Es ist das außerordentlich deutlich ausgeprägte Bild eines Mönchs,<lb/> der vor einem Crucifix t'niet, gebildet von den Adern eines halbdurchsichtigen<lb/> Agats, der im Uralgebirg gefunden worden sein soll. Der Stein, von eirunder<lb/> Gestalt Und etwa vier Zoll doch, ist wie eine Broche mit einer Einfassung von<lb/> Perlen und Diamanten umgeben, die eine Glorie bildet, und von einer Krone<lb/> umschlossen, die mit sechs Perlen, jede so groß wie eine Pistvlentugel. geschmückt<lb/> ist. Das Bild befindet sich augenscheinlich im Herzen des Steins. Es sieht<lb/> auf der einen Seite matt Und dunkel aus, auf der andern dagegen ist es hell<lb/> und klar, und Man kann selbst die Augen des knieenden Mönchs deutlich er¬<lb/> kennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1419" next="#ID_1420"> Was die Mönche betrifft, so tragen sie schwarze Kaftane und die Pvpen-<lb/> mütze, die wie ein modischer Cylinderhut ohne Krämpe aussieht. Hin¬<lb/> ten hängt ein langer schwarzer Schleier herab, meist auch langes schwarzes<lb/> Haar. „Sie waren," sagt Edwards, „gerade beim Essen im Alltagsrcfectorium<lb/> (es gibt ein hübscheres für die Sonntage), aßen, tranken, plauderten und ver¬<lb/> gnügten sich augenscheinlich unter einander, mit Ausnahme eines, der ihnen<lb/> Mit großer Zungenfertigkeit und offenbar" mit dem Bewußtsein vorlas, daß<lb/> Niemand auf ihn hörte. Es waren da Mönche in der Kirche, die in zwei<lb/> langen Reihen die Litanei abhangen, ein prächtiger Chor. Dann waren da<lb/> Mönche in ihren Zellen und Mönche in einer der Kapellen, welche das Wetsch-<lb/> noiu Pamyat" (ewiges Gedächtniß) für eine abgeschiedene Seele anstimmten,<lb/> und Mönche in der Kirche der heiligen Dreieinigkeit vor dem Altar des heiligen<lb/> Sergius, die einen Dankgottesdienst für einen genesenen Pilger abhielten. Es<lb/> war jetzt nicht die Wallfahrtssaison, dennoch waren die Kirchen voll Pilger und<lb/> winselnder Bettler, die sich anboten für sie zu beten. Der Altar des Heiligen,<lb/> welcher den „uuverwesten Leichnam" desselben,, das eigentliche Ziel dieser Pitg-er-<lb/> fahrten enthält, hat die Form einer ungeheuren Bettstelle (von etwa 20 Fuß<lb/> Höhe) und ist von gediegenem Silber. Die Wallfahrer, denen der „unverweste<lb/> Leichnam" gezeigt wurde, warfen sich beim Anblick desselben zu Boden,<lb/> schluchzten Und schlugen sich an ti,e Brust. Für sie war es der wirkliche Hei¬<lb/> lige, der die Tartaren geschlagen und über dem Kloster schwebend die PoKn<lb/> und später mit seiner Armee schwarzer Mönche die Franzosen zurückgeschreckt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0442]
Kostbarsten des Orts nennen wir noch die (beiläufig an den Absätzen stark
schiefgelaufenen) Schuhe des heiligen Sergius, einen blauen Kaftan, den Iwan
der Schreckliche getragen, den Zügel des Pferdes, welches Fürst Pojarski in
einer siegreichen Schlacht gegen die Polen geritten, einen Brief von Kaiser Paul,
in welchem er den Archimandriten Plato von der Geburt des Großfürsten Ni-
colaus benachrichtigt, und vor Allem die „natürliche" (nach dem Glauben der
Andächtigen durch ein Wunder gebildete, also eigentlich unnatürliche) Panagia."
Letztere ist, wenn auch kein Wunder, doch auf alle Fälle ein sehr wunderliches
Naturspiel. Es ist das außerordentlich deutlich ausgeprägte Bild eines Mönchs,
der vor einem Crucifix t'niet, gebildet von den Adern eines halbdurchsichtigen
Agats, der im Uralgebirg gefunden worden sein soll. Der Stein, von eirunder
Gestalt Und etwa vier Zoll doch, ist wie eine Broche mit einer Einfassung von
Perlen und Diamanten umgeben, die eine Glorie bildet, und von einer Krone
umschlossen, die mit sechs Perlen, jede so groß wie eine Pistvlentugel. geschmückt
ist. Das Bild befindet sich augenscheinlich im Herzen des Steins. Es sieht
auf der einen Seite matt Und dunkel aus, auf der andern dagegen ist es hell
und klar, und Man kann selbst die Augen des knieenden Mönchs deutlich er¬
kennen.
Was die Mönche betrifft, so tragen sie schwarze Kaftane und die Pvpen-
mütze, die wie ein modischer Cylinderhut ohne Krämpe aussieht. Hin¬
ten hängt ein langer schwarzer Schleier herab, meist auch langes schwarzes
Haar. „Sie waren," sagt Edwards, „gerade beim Essen im Alltagsrcfectorium
(es gibt ein hübscheres für die Sonntage), aßen, tranken, plauderten und ver¬
gnügten sich augenscheinlich unter einander, mit Ausnahme eines, der ihnen
Mit großer Zungenfertigkeit und offenbar" mit dem Bewußtsein vorlas, daß
Niemand auf ihn hörte. Es waren da Mönche in der Kirche, die in zwei
langen Reihen die Litanei abhangen, ein prächtiger Chor. Dann waren da
Mönche in ihren Zellen und Mönche in einer der Kapellen, welche das Wetsch-
noiu Pamyat" (ewiges Gedächtniß) für eine abgeschiedene Seele anstimmten,
und Mönche in der Kirche der heiligen Dreieinigkeit vor dem Altar des heiligen
Sergius, die einen Dankgottesdienst für einen genesenen Pilger abhielten. Es
war jetzt nicht die Wallfahrtssaison, dennoch waren die Kirchen voll Pilger und
winselnder Bettler, die sich anboten für sie zu beten. Der Altar des Heiligen,
welcher den „uuverwesten Leichnam" desselben,, das eigentliche Ziel dieser Pitg-er-
fahrten enthält, hat die Form einer ungeheuren Bettstelle (von etwa 20 Fuß
Höhe) und ist von gediegenem Silber. Die Wallfahrer, denen der „unverweste
Leichnam" gezeigt wurde, warfen sich beim Anblick desselben zu Boden,
schluchzten Und schlugen sich an ti,e Brust. Für sie war es der wirkliche Hei¬
lige, der die Tartaren geschlagen und über dem Kloster schwebend die PoKn
und später mit seiner Armee schwarzer Mönche die Franzosen zurückgeschreckt
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