Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Macht und Herrschaft werden zu lassen, da ferner ein Bündniß mit dem einzigen Noch im Laufe des Juni berichtet der französische Gesandte, daß die Sprache In Rußlands Haltung tritt indessen ein Widerspruch ein. den Guizot nicht Unter dem Drange der Umstände zeigte die Pforte sich bereit, ausfolgen¬ Grenzbotm II. 1S62. 5
Macht und Herrschaft werden zu lassen, da ferner ein Bündniß mit dem einzigen Noch im Laufe des Juni berichtet der französische Gesandte, daß die Sprache In Rußlands Haltung tritt indessen ein Widerspruch ein. den Guizot nicht Unter dem Drange der Umstände zeigte die Pforte sich bereit, ausfolgen¬ Grenzbotm II. 1S62. 5
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113821"/> <p xml:id="ID_78" prev="#ID_77"> Macht und Herrschaft werden zu lassen, da ferner ein Bündniß mit dem einzigen<lb/> Staate, mit dein man sich über die zu erreichenden Ziele hätte verständigen ton¬<lb/> nen, mit Frankreich, aus denselben Gründen wie 1833, unmöglich war, so<lb/> lag es zunächst in Rußlands Interesse, überhaupt jeden Conflict im Orient<lb/> zu verHuten. Da dies nicht mehr möglich war. so blieb dem Kaiser Nikolaus<lb/> Nichts übrig, als auf seine großen und weitaussehenden Entwürfe wenigstens<lb/> vorläufig zu verzichten und womöglich alt den übrigen Mächten gemeinschaft¬<lb/> lich zu handeln. Stand dieser Entschluß, der nach der Lage der Hinge unver¬<lb/> meidlich war. einmal fest, so konnte es sich nur noch um einen ehrenvollen<lb/> Weg des Einlenkens handeln. Den öffnete aber Frankreichs doppelseitige Stel¬<lb/> lung in dem Conflicte. Statt gegen Europa die eigenen Particularinteressen<lb/> zu verfechten, beschloß man. im"Verein mit Europas den Particularinteressen<lb/> Frankreichs entgegenzutreten. Die Bekämpfung eines gemeinschaftlichen Geg¬<lb/> ners mußte den eigenen Rückzug decken. Dies scheint die einfachste und natür¬<lb/> lichste Erklärung für die Haltung Rußlands. Sehen wir, wie )van diese «Auf¬<lb/> fassung von England durch die von Guizot mitgetheilten Thatsachen begründet wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_79"> Noch im Laufe des Juni berichtet der französische Gesandte, daß die Sprache<lb/> der russischen Diplomaten in London, so wie der vielen dort ab und zu gehen¬<lb/> den vornehmen Russen erkennen lasse, daß Nußland extreme Schritte zu ver¬<lb/> meiden wünsche. Diese Ansicht wird durch dje InAructioncn, die der russische<lb/> Gesandte in London vom Grafen Nesselrode erlsält. bestätigt. Und am 8. Juli<lb/> theilet Lord Clanricarde Palmerston aus Se. Petersburg 'mit, daß Nesselrode<lb/> bei jeder Gelegenheit versichere, der erste Wunsch des russischen Cabinets sei.<lb/> die Möglichkeit eines e^u? t'oeäsri? in Folge des Tractates von UnLiar Ske-<lb/> lessi zu vermeiden. So schloß sich Rußland auch ohne Zaudern dem von Met-<lb/> ternich an das kaiserliche Cabinet gerichteten Vorschlage gemeinsamer Berathun¬<lb/> gen ,h.er fünf Großmächte an. Charakteristisch für die Situation ist das schon<lb/> damals bei .all,e,N Mächten hervortretende Mißtrauen gegen die Absichten Frank¬<lb/> reichs. MeUernich bittet das englische Cabinet. Frankreich auch zum Beitritte<lb/> zu der Vereinigung der.übrigen Mächte zu überreden. So erscheint Frankreich<lb/> .schon halb isolirt 'in einem Augenblicke, wo es noch vollständig an d.i,e unver¬<lb/> meidliche Jsolirung Rußlands glaubt und in derselben den wirksamen Hebel<lb/> .für seine Molitik zu finden hofft.'</p><lb/> <p xml:id="ID_80"> In Rußlands Haltung tritt indessen ein Widerspruch ein. den Guizot nicht<lb/> genug beachtet, und ?den er unerklärt gelassen hat. Wir wollen wenigstens den<lb/> Versuch einer Lösung nicht scheuen.</p><lb/> <p xml:id="ID_81" next="#ID_82"> Unter dem Drange der Umstände zeigte die Pforte sich bereit, ausfolgen¬<lb/> den Grundlagen mit Mohamet Ali direct' zu unterhandeln. 1) Mohamet Ali<lb/> erhält Aegypten erblich; 2) Ibrahim erhält Syrien; 3) nach Mohamet Ali's<lb/> Tode succedirt Ibrahim in Aegypten, Syrien fällt an die Pforte zurück. Soult<lb/> (26. Indi) .erklärt sich mit den friedlichen Dispositionen der Pforte einver¬<lb/> standen, hebt aber hervor, daß Alles darauf ankomme, Rußland im Zaume zu<lb/> halten; man müsse daher die Pforte anhalten, nur durch Vermittelung der<lb/> Mächte mit dem Pascha zu unterhandeln. Das französische Cabinet ist also<lb/> entschlossn, die Frage des russischen Protectorates ein für allemal zur Entschei¬<lb/> dung zu bringen und Nußland völlig zu demüthigen. .Wie man.den Plan, «die<lb/> Angelegenheit'durch die europäischen Cabinete regeln zulassen, mit dem Wunsche,<lb/> Mohamet Ali zu unterstüticn. vereinigen wollte, ist allerdings, da man die «dem<lb/> Pascha ungünstige Stimmunq der Mächte kannte, «schwer zu begreifen; und in<lb/> Bezug auf diesen Punkt ist Louis Blancs Kritik «treffend. Man hoffte indessen<lb/> «(Und diese Hoffnung zieht sich trotz «wiederholter Täuschungen durch alle Ver¬<lb/> handlungen hindurch), daß der vorausgesetzt.estarre Widerstand Rußlands Eng-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotm II. 1S62. 5</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
Macht und Herrschaft werden zu lassen, da ferner ein Bündniß mit dem einzigen
Staate, mit dein man sich über die zu erreichenden Ziele hätte verständigen ton¬
nen, mit Frankreich, aus denselben Gründen wie 1833, unmöglich war, so
lag es zunächst in Rußlands Interesse, überhaupt jeden Conflict im Orient
zu verHuten. Da dies nicht mehr möglich war. so blieb dem Kaiser Nikolaus
Nichts übrig, als auf seine großen und weitaussehenden Entwürfe wenigstens
vorläufig zu verzichten und womöglich alt den übrigen Mächten gemeinschaft¬
lich zu handeln. Stand dieser Entschluß, der nach der Lage der Hinge unver¬
meidlich war. einmal fest, so konnte es sich nur noch um einen ehrenvollen
Weg des Einlenkens handeln. Den öffnete aber Frankreichs doppelseitige Stel¬
lung in dem Conflicte. Statt gegen Europa die eigenen Particularinteressen
zu verfechten, beschloß man. im"Verein mit Europas den Particularinteressen
Frankreichs entgegenzutreten. Die Bekämpfung eines gemeinschaftlichen Geg¬
ners mußte den eigenen Rückzug decken. Dies scheint die einfachste und natür¬
lichste Erklärung für die Haltung Rußlands. Sehen wir, wie )van diese «Auf¬
fassung von England durch die von Guizot mitgetheilten Thatsachen begründet wird.
Noch im Laufe des Juni berichtet der französische Gesandte, daß die Sprache
der russischen Diplomaten in London, so wie der vielen dort ab und zu gehen¬
den vornehmen Russen erkennen lasse, daß Nußland extreme Schritte zu ver¬
meiden wünsche. Diese Ansicht wird durch dje InAructioncn, die der russische
Gesandte in London vom Grafen Nesselrode erlsält. bestätigt. Und am 8. Juli
theilet Lord Clanricarde Palmerston aus Se. Petersburg 'mit, daß Nesselrode
bei jeder Gelegenheit versichere, der erste Wunsch des russischen Cabinets sei.
die Möglichkeit eines e^u? t'oeäsri? in Folge des Tractates von UnLiar Ske-
lessi zu vermeiden. So schloß sich Rußland auch ohne Zaudern dem von Met-
ternich an das kaiserliche Cabinet gerichteten Vorschlage gemeinsamer Berathun¬
gen ,h.er fünf Großmächte an. Charakteristisch für die Situation ist das schon
damals bei .all,e,N Mächten hervortretende Mißtrauen gegen die Absichten Frank¬
reichs. MeUernich bittet das englische Cabinet. Frankreich auch zum Beitritte
zu der Vereinigung der.übrigen Mächte zu überreden. So erscheint Frankreich
.schon halb isolirt 'in einem Augenblicke, wo es noch vollständig an d.i,e unver¬
meidliche Jsolirung Rußlands glaubt und in derselben den wirksamen Hebel
.für seine Molitik zu finden hofft.'
In Rußlands Haltung tritt indessen ein Widerspruch ein. den Guizot nicht
genug beachtet, und ?den er unerklärt gelassen hat. Wir wollen wenigstens den
Versuch einer Lösung nicht scheuen.
Unter dem Drange der Umstände zeigte die Pforte sich bereit, ausfolgen¬
den Grundlagen mit Mohamet Ali direct' zu unterhandeln. 1) Mohamet Ali
erhält Aegypten erblich; 2) Ibrahim erhält Syrien; 3) nach Mohamet Ali's
Tode succedirt Ibrahim in Aegypten, Syrien fällt an die Pforte zurück. Soult
(26. Indi) .erklärt sich mit den friedlichen Dispositionen der Pforte einver¬
standen, hebt aber hervor, daß Alles darauf ankomme, Rußland im Zaume zu
halten; man müsse daher die Pforte anhalten, nur durch Vermittelung der
Mächte mit dem Pascha zu unterhandeln. Das französische Cabinet ist also
entschlossn, die Frage des russischen Protectorates ein für allemal zur Entschei¬
dung zu bringen und Nußland völlig zu demüthigen. .Wie man.den Plan, «die
Angelegenheit'durch die europäischen Cabinete regeln zulassen, mit dem Wunsche,
Mohamet Ali zu unterstüticn. vereinigen wollte, ist allerdings, da man die «dem
Pascha ungünstige Stimmunq der Mächte kannte, «schwer zu begreifen; und in
Bezug auf diesen Punkt ist Louis Blancs Kritik «treffend. Man hoffte indessen
«(Und diese Hoffnung zieht sich trotz «wiederholter Täuschungen durch alle Ver¬
handlungen hindurch), daß der vorausgesetzt.estarre Widerstand Rußlands Eng-
Grenzbotm II. 1S62. 5
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