Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.obenan unter den verbrecherischen Geheimbünden -- die Vereine, welche in den Mag es sein, daß Fichte's nervige Faust den Bogen zu heftig spannte und obenan unter den verbrecherischen Geheimbünden — die Vereine, welche in den Mag es sein, daß Fichte's nervige Faust den Bogen zu heftig spannte und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114176"/> <p xml:id="ID_1255" prev="#ID_1254"> obenan unter den verbrecherischen Geheimbünden — die Vereine, welche in den<lb/> Jahren 1807—13 sich gebildet zum Zwecke der Vertreibung der Franzosen, und<lb/> die Liste der Verdächtigen ward eröffnet mit den erlauchten Namen von —<lb/> Fichte und Schleiermacher.</p><lb/> <p xml:id="ID_1256" next="#ID_1257"> Mag es sein, daß Fichte's nervige Faust den Bogen zu heftig spannte und<lb/> über das Ziel hinausschoß; in der Richtung nach dem Ziele ist sicherlich sein<lb/> Pfeil geflogen-, die Zeit wird kommen die Sehergabe des Denkers zu preisen,<lb/> der Preußen die Wahl sollte unterzugehen oder fortzuschreiten zum Reiche. Mag<lb/> es sein, daß der verwegene Idealist oftmals abirrte in der nüchternen Welt der<lb/> Erfahrung: — ein Vorbild des Bürgermuthes ist er uns geworden, der lieber<lb/> gar nicht sein wollte als der Laune unterworfen und nicht dem Gesch. Und<lb/> auch das praktisch Mögliche hat der Theoretiker dann immer getroffen, wenn er<lb/> handelt von den sittlichen Grundlagen des staatlichen Lebens. Alle Vorwcuide<lb/> der Zagheit, all das träge Harren auf ein unvorhergesehenes, glückliches Ereig¬<lb/> nis) — wie schneidend weist er sie zurück, wenn er versichert, keiner der beste¬<lb/> henden Landesherren „könne Deutsche machen," nur aus der Bildung des<lb/> deutschen Volksgeistes werde das Reich erwachsen. Wenn wir nullig diesem<lb/> Worte glauben, so hoffen wir dagegen — oder vielmehr wir müssen es<lb/> wollen, daß ein anderer Zukunftsspruch des Denkers nicht in Erfüllung<lb/> gehe. Schon einmal sahen wir ihn, nach der Weise der Propheten, sich<lb/> täuschen in der Zeit: sechs Jahre schon nach den Reden an die deutsche<lb/> Nation erhebt sich das Geschlecht, das er gänzlich aufgegeben. Sorgen<lb/> wir, daß dies Volk nochmals rascher lebe als Fichte meinte, daß wir<lb/> mit eigenen Augen das einige deutsche Reich erblicken, welches er bescheiden<lb/> bis in das 22. Jahrhundert verschob. — Wieder ist den Deutschen die Zeit<lb/> des Kampfes erschienen; wieder steht nicht der Gedanke gerüstet gegen den Ge¬<lb/> danken, nicht die Begeisterung wider die Begeisterung. Die Idee streitet gegen<lb/> das Interesse, die Idee daß dieses Volk zum Volke werde, wider das Sonder-<lb/> interesse von Wenigen, die an das nicht glauben, was sie vertheidigen.<lb/> Wenn die Langsamkeit dieses Streites, der uns aus sittlichen noch mehr denn<lb/> aus politischen Beweggninden zu den Fahnen ruft, uns oft lähmend auf die<lb/> Seele fällt, dann mögen wir uns aufrichten an dem Fichteschen Worte der<lb/> Verheißung, daß in Deutschland erstehen werde ein wahrhaftes Reich des Rechts,<lb/> der persönlichen Freiheit, gegründet auf die Gleichheit alles dessen, was Men-<lb/> schenangcsicht trägt. Damit, fürwahr, sind bezeichnet die bescheidensten, die-ge¬<lb/> rechtesten Erwartungen der Deutschen. Nur die Ueberhebung, die Unwissenheit<lb/> träumt von der ungeheuern Machtentfaltung des einigen Deutschlands. Sind<lb/> doch die gesegneten Länder der Welt, die Herrschaft der Meere längst vertheilt<lb/> unter glücklichere Völker. Was die Deutschen, wenn sie den Einmuth finden<lb/> ihren Staat zu gründen, bei mäßiger Macht dennoch hoch stellen wird in der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0396]
obenan unter den verbrecherischen Geheimbünden — die Vereine, welche in den
Jahren 1807—13 sich gebildet zum Zwecke der Vertreibung der Franzosen, und
die Liste der Verdächtigen ward eröffnet mit den erlauchten Namen von —
Fichte und Schleiermacher.
Mag es sein, daß Fichte's nervige Faust den Bogen zu heftig spannte und
über das Ziel hinausschoß; in der Richtung nach dem Ziele ist sicherlich sein
Pfeil geflogen-, die Zeit wird kommen die Sehergabe des Denkers zu preisen,
der Preußen die Wahl sollte unterzugehen oder fortzuschreiten zum Reiche. Mag
es sein, daß der verwegene Idealist oftmals abirrte in der nüchternen Welt der
Erfahrung: — ein Vorbild des Bürgermuthes ist er uns geworden, der lieber
gar nicht sein wollte als der Laune unterworfen und nicht dem Gesch. Und
auch das praktisch Mögliche hat der Theoretiker dann immer getroffen, wenn er
handelt von den sittlichen Grundlagen des staatlichen Lebens. Alle Vorwcuide
der Zagheit, all das träge Harren auf ein unvorhergesehenes, glückliches Ereig¬
nis) — wie schneidend weist er sie zurück, wenn er versichert, keiner der beste¬
henden Landesherren „könne Deutsche machen," nur aus der Bildung des
deutschen Volksgeistes werde das Reich erwachsen. Wenn wir nullig diesem
Worte glauben, so hoffen wir dagegen — oder vielmehr wir müssen es
wollen, daß ein anderer Zukunftsspruch des Denkers nicht in Erfüllung
gehe. Schon einmal sahen wir ihn, nach der Weise der Propheten, sich
täuschen in der Zeit: sechs Jahre schon nach den Reden an die deutsche
Nation erhebt sich das Geschlecht, das er gänzlich aufgegeben. Sorgen
wir, daß dies Volk nochmals rascher lebe als Fichte meinte, daß wir
mit eigenen Augen das einige deutsche Reich erblicken, welches er bescheiden
bis in das 22. Jahrhundert verschob. — Wieder ist den Deutschen die Zeit
des Kampfes erschienen; wieder steht nicht der Gedanke gerüstet gegen den Ge¬
danken, nicht die Begeisterung wider die Begeisterung. Die Idee streitet gegen
das Interesse, die Idee daß dieses Volk zum Volke werde, wider das Sonder-
interesse von Wenigen, die an das nicht glauben, was sie vertheidigen.
Wenn die Langsamkeit dieses Streites, der uns aus sittlichen noch mehr denn
aus politischen Beweggninden zu den Fahnen ruft, uns oft lähmend auf die
Seele fällt, dann mögen wir uns aufrichten an dem Fichteschen Worte der
Verheißung, daß in Deutschland erstehen werde ein wahrhaftes Reich des Rechts,
der persönlichen Freiheit, gegründet auf die Gleichheit alles dessen, was Men-
schenangcsicht trägt. Damit, fürwahr, sind bezeichnet die bescheidensten, die-ge¬
rechtesten Erwartungen der Deutschen. Nur die Ueberhebung, die Unwissenheit
träumt von der ungeheuern Machtentfaltung des einigen Deutschlands. Sind
doch die gesegneten Länder der Welt, die Herrschaft der Meere längst vertheilt
unter glücklichere Völker. Was die Deutschen, wenn sie den Einmuth finden
ihren Staat zu gründen, bei mäßiger Macht dennoch hoch stellen wird in der
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