Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.den Farben des Heeres, an der Flagge jedes Schiffs im Hafen, an den tau¬ Das heutige Fest ist unsrer sächsischen Heimath eine liebe Pflicht; denn den Farben des Heeres, an der Flagge jedes Schiffs im Hafen, an den tau¬ Das heutige Fest ist unsrer sächsischen Heimath eine liebe Pflicht; denn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114161"/> <p xml:id="ID_1226" prev="#ID_1225"> den Farben des Heeres, an der Flagge jedes Schiffs im Hafen, an den tau¬<lb/> send sichtbaren Zeichen, womit der Staat den Bürger überzeugt, daß er ein Va¬<lb/> terland hat. Nur im Gedanken lebt dies Land; erarbeiten, erleben muß der<lb/> Deutsche die Idee des Vaterlandes. Die Mehrzahl hinter der Anwesenden ge¬<lb/> denkt noch jener Jahre, da ihnen im Verkehr mit Deutschen aus aller Herren<lb/> Ländern die Erkenntniß anbrach was deutsches Wesen sei, bis endlich der Ge¬<lb/> danke, daß es ein Deutschland gebe, vor ihrer Seele stand mit einer unmittel¬<lb/> baren Gewißheit, die jedes Beweises und jedes Streites spottet. Wachsen wir<lb/> so erst im Verkehr mit den Lebendigen zu Deutschen heran, so begreift sich das<lb/> Volk als ein Ganzes in seiner Geschichte. Und das ist der Sinn jener Feste,<lb/> deren die politisch tiefbewegte Gegenwart nicht müde wird, daß wir, rückschauend<lb/> auf die starken Männer, die unsres Geistes Züge tragen, erfrischen das Be¬<lb/> wußtsein unsres Volksthums und stärken den Entschluß, daß aus dieser idealen<lb/> Gemeinschaft die Gemeinschaft der Wirklichkeit, der deutsche Staat erwachse.<lb/> Darum fällt die Feier solcher Tage vornehmlich Jenen als ein unbestrittenes<lb/> schönes Vorrecht zu, die sich nicht genügen lassen an dem leeren Worte von der<lb/> Einigkeit der Deutschen, sondern Kopf und Hände regen zum Aufbau des deut¬<lb/> schen Staates. — Und das auch ist ein rühmliches Zeichen für das lebende<lb/> Geschlecht, daß aus der langen Reihe von Jahrhunderten , welche dies alte<lb/> Volk hinter sich liegen siebt und in der Gegenwart gleichsam neu durchlebt,<lb/> keine Epoche uns so traulich zum Herzen redet, uns so das Innerste bewegt,<lb/> wie jene 70 Jahre seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, da unser Volk<lb/> sich losrang zuerst von der Geistesherrschaft, dann von dem politischen Joche<lb/> unheimischer Gewalten. Erst heute werden die Helden jener Zeit von ihrem<lb/> Volke verstanden, besser oft verstanden als von den Zeitgenossen; und wenn<lb/> es ein Herrliches war eine Zeit zuschauen, die einen Stein und Goethe ge¬<lb/> bar, so mögen wir es auch als ein Glück preisen, in Tagen zu leben, die die¬<lb/> sen Männern ganz gerecht geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1227" next="#ID_1228"> Das heutige Fest ist unsrer sächsischen Heimath eine liebe Pflicht; denn<lb/> uns ziemt es dem todten Johann Gottlieb Fichte den Zoll der Ehren<lb/> darzubringen, den dem Lebenden die Heimath kalt versagte. Ein gesegneter<lb/> Winkel des obcrsächsischen Landes fürwahr, der in kaum hundert Jahren den<lb/> Deutschen Lessing. Fichte. Rietschel schenkte — drei Geister im Innersten ver¬<lb/> wandt, wie fremd sie sich scheinen, der kühne Zcrtvümmercr der französischen<lb/> Regeln unsrer Dichtung, der tapfere Redner und der weiche sinnige Bildhauer — jeder<lb/> in seiner Weise ein Träger der besten deutschen Tugend, der Wahrhaftigkeit.<lb/> Leicht erklärt es sich aus dem Wesen solcher Misch- und Gr.enzstämme, daß<lb/> dieser Deutsche Stamm, den die Nachbarn necken ob seiner höflichen Schmieg¬<lb/> samkeit, dennoch jederzeit reich war an schroffen.und schneidigen Charakteren..<lb/> Solch' eines scharfen massigen Geistes voll war auch der Dorfwebersohn, der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
den Farben des Heeres, an der Flagge jedes Schiffs im Hafen, an den tau¬
send sichtbaren Zeichen, womit der Staat den Bürger überzeugt, daß er ein Va¬
terland hat. Nur im Gedanken lebt dies Land; erarbeiten, erleben muß der
Deutsche die Idee des Vaterlandes. Die Mehrzahl hinter der Anwesenden ge¬
denkt noch jener Jahre, da ihnen im Verkehr mit Deutschen aus aller Herren
Ländern die Erkenntniß anbrach was deutsches Wesen sei, bis endlich der Ge¬
danke, daß es ein Deutschland gebe, vor ihrer Seele stand mit einer unmittel¬
baren Gewißheit, die jedes Beweises und jedes Streites spottet. Wachsen wir
so erst im Verkehr mit den Lebendigen zu Deutschen heran, so begreift sich das
Volk als ein Ganzes in seiner Geschichte. Und das ist der Sinn jener Feste,
deren die politisch tiefbewegte Gegenwart nicht müde wird, daß wir, rückschauend
auf die starken Männer, die unsres Geistes Züge tragen, erfrischen das Be¬
wußtsein unsres Volksthums und stärken den Entschluß, daß aus dieser idealen
Gemeinschaft die Gemeinschaft der Wirklichkeit, der deutsche Staat erwachse.
Darum fällt die Feier solcher Tage vornehmlich Jenen als ein unbestrittenes
schönes Vorrecht zu, die sich nicht genügen lassen an dem leeren Worte von der
Einigkeit der Deutschen, sondern Kopf und Hände regen zum Aufbau des deut¬
schen Staates. — Und das auch ist ein rühmliches Zeichen für das lebende
Geschlecht, daß aus der langen Reihe von Jahrhunderten , welche dies alte
Volk hinter sich liegen siebt und in der Gegenwart gleichsam neu durchlebt,
keine Epoche uns so traulich zum Herzen redet, uns so das Innerste bewegt,
wie jene 70 Jahre seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, da unser Volk
sich losrang zuerst von der Geistesherrschaft, dann von dem politischen Joche
unheimischer Gewalten. Erst heute werden die Helden jener Zeit von ihrem
Volke verstanden, besser oft verstanden als von den Zeitgenossen; und wenn
es ein Herrliches war eine Zeit zuschauen, die einen Stein und Goethe ge¬
bar, so mögen wir es auch als ein Glück preisen, in Tagen zu leben, die die¬
sen Männern ganz gerecht geworden.
Das heutige Fest ist unsrer sächsischen Heimath eine liebe Pflicht; denn
uns ziemt es dem todten Johann Gottlieb Fichte den Zoll der Ehren
darzubringen, den dem Lebenden die Heimath kalt versagte. Ein gesegneter
Winkel des obcrsächsischen Landes fürwahr, der in kaum hundert Jahren den
Deutschen Lessing. Fichte. Rietschel schenkte — drei Geister im Innersten ver¬
wandt, wie fremd sie sich scheinen, der kühne Zcrtvümmercr der französischen
Regeln unsrer Dichtung, der tapfere Redner und der weiche sinnige Bildhauer — jeder
in seiner Weise ein Träger der besten deutschen Tugend, der Wahrhaftigkeit.
Leicht erklärt es sich aus dem Wesen solcher Misch- und Gr.enzstämme, daß
dieser Deutsche Stamm, den die Nachbarn necken ob seiner höflichen Schmieg¬
samkeit, dennoch jederzeit reich war an schroffen.und schneidigen Charakteren..
Solch' eines scharfen massigen Geistes voll war auch der Dorfwebersohn, der
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