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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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einer schwierigen politischen Aufgabe in keiner Weise gewachsen war, ist ein¬
leuchtend. Und schon hatten sich die Wolken eines schweren Conflictes, der
einige Jahre lang Europa in Athem halten sollte, im Osten aufgethürmt.
Die orientalische Frage, diesmal in viel drohenderer Gestalt, als 1833, da sie
sich nicht vertagen ließ, sondern gebieterisch eine definitive Losung heischte, trat
von Neuem auf die Tagesordnung der europäischen Politik.

IM Mai 1839 hatte eine türkische Armee den Euphrat überschritten und
Ibrahim Pascha angegriffen. Dieser Bruch des Friedens von Kutaieh ver¬
fehlte nicht/ in allen Cabineten große Aufregung hervorzurufen. Auch Lord
Pinne-rsion konnte nicht umhin, officiell den Schritt des Sultans zu mißbilligen,
wenngleich Zweifel an der Aufrichtigkeit des Tadels sehr gerechtfertigt sind.
Wenigstens blieb Ponsonby, der die Pforte in ihrem Vorgehen indirect dadmch
ermuthigt hatte, daß er sich, als die Pläne des Sultans klar hervortraten, den
Vorstellungen der Gesandten an die ottvmcmische Regierung Nicht angeschlossen
hatte, auf seinem Posten. Wenn der französische Gesandte in London behaup¬
tet, daß nur Parteirücksichten Palmerston abgehalten hätten, Lord Ponsonby
abzurufen, so beweist dies nur, daß die französische Politik von Beginn des
Conflictes an sich den größten Illusionen hingab. L0rd Ponsonby blieb des¬
halb auf seinem Posten, weil er der energischste Vertreter der Ansichten und
Pläne Lord Palmerstons war. Uebrigens trat die Rechtsfrage, wer für den
Friedensbruch verantwortlich sei, sehr schnell in den Hintergrund gegen die po¬
litischen Erwägungen, zu Venen das Ereigniß alle Cabinete aufforderte.

Zunächst, ehe die Frage über die den Streitenden aufzuerlegenden Be¬
dingungen verhandelt wurde, herrschte zwischen Frankreich und England ein
Einverständnis^, welches die französische Negierung in ihren Hoffnungen, den
Conflict zu Gunsten Mohamet Ali's auszubeuten, bestärkte. In dem einen
Bestreben, Rußland zu hindern, die Konsequenzen des Traetaics von Unkiar
Stelessi zu ziehen, waren alle Mächte einig. Daher erklärt sich denn auch
Palmerston ganz einverstanden mit dem Vorschlage Soults. sofort e'me fran¬
zösische und englische Flotte, mit der ein östreichisches Geschwader sich zu ver¬
einigen haben würde, in die Gewässer der Levante zu schicken, in der aus¬
gesprochenen Absicht, dem Sultan, für den Fall des Erscheinens russischer Streit-
kräfte, ihre Hilfe anzubieten oder aufzuzwingen.

Indessen dauerte die Einigkeit, die das französische Cabinet (Soult, ob¬
gleich er den Namen hergab, war als Politiker zu wenig bedeutend, um für
den Urheber der von ihm vertretenen Politik zu gelten, was wir hier ein für
allemal bemerken wollen; wenn wir daber von Soults Politik sprechen, so meinen
wir dies durchaus nicht in dem Sinne, wie Man voll einet Politik Metiernichs
oder Palmerstons spricht) durch die Energie seiner Sprache Und Rüstungen M
sichtlich , wie es scheint, zur Schau stellen wollte, genau so lange, als es sich


einer schwierigen politischen Aufgabe in keiner Weise gewachsen war, ist ein¬
leuchtend. Und schon hatten sich die Wolken eines schweren Conflictes, der
einige Jahre lang Europa in Athem halten sollte, im Osten aufgethürmt.
Die orientalische Frage, diesmal in viel drohenderer Gestalt, als 1833, da sie
sich nicht vertagen ließ, sondern gebieterisch eine definitive Losung heischte, trat
von Neuem auf die Tagesordnung der europäischen Politik.

IM Mai 1839 hatte eine türkische Armee den Euphrat überschritten und
Ibrahim Pascha angegriffen. Dieser Bruch des Friedens von Kutaieh ver¬
fehlte nicht/ in allen Cabineten große Aufregung hervorzurufen. Auch Lord
Pinne-rsion konnte nicht umhin, officiell den Schritt des Sultans zu mißbilligen,
wenngleich Zweifel an der Aufrichtigkeit des Tadels sehr gerechtfertigt sind.
Wenigstens blieb Ponsonby, der die Pforte in ihrem Vorgehen indirect dadmch
ermuthigt hatte, daß er sich, als die Pläne des Sultans klar hervortraten, den
Vorstellungen der Gesandten an die ottvmcmische Regierung Nicht angeschlossen
hatte, auf seinem Posten. Wenn der französische Gesandte in London behaup¬
tet, daß nur Parteirücksichten Palmerston abgehalten hätten, Lord Ponsonby
abzurufen, so beweist dies nur, daß die französische Politik von Beginn des
Conflictes an sich den größten Illusionen hingab. L0rd Ponsonby blieb des¬
halb auf seinem Posten, weil er der energischste Vertreter der Ansichten und
Pläne Lord Palmerstons war. Uebrigens trat die Rechtsfrage, wer für den
Friedensbruch verantwortlich sei, sehr schnell in den Hintergrund gegen die po¬
litischen Erwägungen, zu Venen das Ereigniß alle Cabinete aufforderte.

Zunächst, ehe die Frage über die den Streitenden aufzuerlegenden Be¬
dingungen verhandelt wurde, herrschte zwischen Frankreich und England ein
Einverständnis^, welches die französische Negierung in ihren Hoffnungen, den
Conflict zu Gunsten Mohamet Ali's auszubeuten, bestärkte. In dem einen
Bestreben, Rußland zu hindern, die Konsequenzen des Traetaics von Unkiar
Stelessi zu ziehen, waren alle Mächte einig. Daher erklärt sich denn auch
Palmerston ganz einverstanden mit dem Vorschlage Soults. sofort e'me fran¬
zösische und englische Flotte, mit der ein östreichisches Geschwader sich zu ver¬
einigen haben würde, in die Gewässer der Levante zu schicken, in der aus¬
gesprochenen Absicht, dem Sultan, für den Fall des Erscheinens russischer Streit-
kräfte, ihre Hilfe anzubieten oder aufzuzwingen.

Indessen dauerte die Einigkeit, die das französische Cabinet (Soult, ob¬
gleich er den Namen hergab, war als Politiker zu wenig bedeutend, um für
den Urheber der von ihm vertretenen Politik zu gelten, was wir hier ein für
allemal bemerken wollen; wenn wir daber von Soults Politik sprechen, so meinen
wir dies durchaus nicht in dem Sinne, wie Man voll einet Politik Metiernichs
oder Palmerstons spricht) durch die Energie seiner Sprache Und Rüstungen M
sichtlich , wie es scheint, zur Schau stellen wollte, genau so lange, als es sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/38>, abgerufen am 06.01.2025.