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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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große, langdauernde und beträchtlichen Schaden anrichtende Überschwem¬
mungen vor.

Ein anderes unabwendbares Uebel der Weltstadt waren große Thcurungen,
die bisweilen sich zu furchtbarer Hungersnoth steigerten. Auch die angelegent¬
lichste Fürsorge der Kaiser vermochte nicht immer die Zufälle abzuwenden,
welche in der überfüllten, ganz auf den Ertrag finnischer, ägyptischer und an¬
derer überseeischer Ernten angewiesenen Stadt Mangel und Theurung und mit
diesen die Gefahr des Aufruhrs herbeiführten. Bei einer zum Theil in Folge
des Austretens des Tiber ausgebrochnen Getreidenoth, die während der Jahre
6 bis 8 herrschte, stieg der Preis des Brotkorns in Rom auf das Sechsfache
des gewöhnlichen. Sklaven und Fremde wurden in Masse ausgewiesen, um
für die Uebrigen das Nothdürftigste zu sichern, und nur durch außerordentliche
Anstrengungen beugte man dem Ausbruch von Unruhen vor. Unter Claudius
war zweimal, 41 und 52, große Theurung. Das zweite Mal, wo nur noch
auf zwei Wochen Getreide vorhanden war, kam es zum Aufstand des
wüthenden Volkes, dem der Kaiser nur mit Mühe auswich. Andere Fälle
großer Hungersnoth werden aus den Jahren 69, 138, 166 und 188 berichtet.

Endlich hafteten auch die Keime verheerender Volkskrankheiten von jeher
im Boden Roms. Schon die ältesten Ansiedler hatten dem Geist des Fiebers
Altäre errichtet, und das Fieber ist zu allen Zeiten in Rom endemisch gewesen.
Dazu erzeugten sich in einer so gedrängt wohnenden Bevölkerung schädliche
Einflüsse andrer Art in Menge. Eine schwere Luft lagerte über der Stadt
und ihren engen Gassen, geschwängert von den Düften unzähliger Küchen und
rauchender Herde, deren Qualm sich mit Staubwolken mischte. Sobald man
die Stadt im Rücken hatte, fühlte man sich erleichtert. Im kaiserlichen wie
im republikanischen Rom haben große Epidemien, oft in erschreckend kurzen
Zwischenräumen einander folgend, zahllose Opfer hingerafft. Bei der schrecklichen
Seuche des Jahres 65 blieb kein Geschlecht, kein Alter noch Stand verschont,
die Häuser waren voll Todte, die Straßen voll Leichenzuge, allein in die
Bücher der Libitina wurden in diesem Herbst dreißigtausend Bestallungen ein¬
getragen. Auch auf den großen Ausbruch des Vesuv, der 79 n. Chr. statt¬
fand, folgte eine verheerende Volkskrankheit, bei welcher nach Eusebius, der
indeß hier gewiß ungeheuer übertreibt, manche Tage zehntausend Todesfälle
gemeldet worden sein sollen.

Die größte aller Epidemien aber, und zwar nicht blos die größte Roms,
sondern der ganzen alten Welt überhaupt wurde von dem mit L. Verus aus
dem Morgenland zurückkehrenden Heer 166 n. Chr. in den Westen eingeschleppt.
Sie wüthete im ganzen Kaiserreich und ergriff zuletzt auch Rom, wo sie, ver¬
muthlich in den folgenden Jahren bald stärker bald schwächer auftretend, unter
Commodus -- etwa 187 bis 189 -- mit furchtbarster Heftigkeit ausbrach.


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große, langdauernde und beträchtlichen Schaden anrichtende Überschwem¬
mungen vor.

Ein anderes unabwendbares Uebel der Weltstadt waren große Thcurungen,
die bisweilen sich zu furchtbarer Hungersnoth steigerten. Auch die angelegent¬
lichste Fürsorge der Kaiser vermochte nicht immer die Zufälle abzuwenden,
welche in der überfüllten, ganz auf den Ertrag finnischer, ägyptischer und an¬
derer überseeischer Ernten angewiesenen Stadt Mangel und Theurung und mit
diesen die Gefahr des Aufruhrs herbeiführten. Bei einer zum Theil in Folge
des Austretens des Tiber ausgebrochnen Getreidenoth, die während der Jahre
6 bis 8 herrschte, stieg der Preis des Brotkorns in Rom auf das Sechsfache
des gewöhnlichen. Sklaven und Fremde wurden in Masse ausgewiesen, um
für die Uebrigen das Nothdürftigste zu sichern, und nur durch außerordentliche
Anstrengungen beugte man dem Ausbruch von Unruhen vor. Unter Claudius
war zweimal, 41 und 52, große Theurung. Das zweite Mal, wo nur noch
auf zwei Wochen Getreide vorhanden war, kam es zum Aufstand des
wüthenden Volkes, dem der Kaiser nur mit Mühe auswich. Andere Fälle
großer Hungersnoth werden aus den Jahren 69, 138, 166 und 188 berichtet.

Endlich hafteten auch die Keime verheerender Volkskrankheiten von jeher
im Boden Roms. Schon die ältesten Ansiedler hatten dem Geist des Fiebers
Altäre errichtet, und das Fieber ist zu allen Zeiten in Rom endemisch gewesen.
Dazu erzeugten sich in einer so gedrängt wohnenden Bevölkerung schädliche
Einflüsse andrer Art in Menge. Eine schwere Luft lagerte über der Stadt
und ihren engen Gassen, geschwängert von den Düften unzähliger Küchen und
rauchender Herde, deren Qualm sich mit Staubwolken mischte. Sobald man
die Stadt im Rücken hatte, fühlte man sich erleichtert. Im kaiserlichen wie
im republikanischen Rom haben große Epidemien, oft in erschreckend kurzen
Zwischenräumen einander folgend, zahllose Opfer hingerafft. Bei der schrecklichen
Seuche des Jahres 65 blieb kein Geschlecht, kein Alter noch Stand verschont,
die Häuser waren voll Todte, die Straßen voll Leichenzuge, allein in die
Bücher der Libitina wurden in diesem Herbst dreißigtausend Bestallungen ein¬
getragen. Auch auf den großen Ausbruch des Vesuv, der 79 n. Chr. statt¬
fand, folgte eine verheerende Volkskrankheit, bei welcher nach Eusebius, der
indeß hier gewiß ungeheuer übertreibt, manche Tage zehntausend Todesfälle
gemeldet worden sein sollen.

Die größte aller Epidemien aber, und zwar nicht blos die größte Roms,
sondern der ganzen alten Welt überhaupt wurde von dem mit L. Verus aus
dem Morgenland zurückkehrenden Heer 166 n. Chr. in den Westen eingeschleppt.
Sie wüthete im ganzen Kaiserreich und ergriff zuletzt auch Rom, wo sie, ver¬
muthlich in den folgenden Jahren bald stärker bald schwächer auftretend, unter
Commodus — etwa 187 bis 189 — mit furchtbarster Heftigkeit ausbrach.


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[0379] große, langdauernde und beträchtlichen Schaden anrichtende Überschwem¬ mungen vor. Ein anderes unabwendbares Uebel der Weltstadt waren große Thcurungen, die bisweilen sich zu furchtbarer Hungersnoth steigerten. Auch die angelegent¬ lichste Fürsorge der Kaiser vermochte nicht immer die Zufälle abzuwenden, welche in der überfüllten, ganz auf den Ertrag finnischer, ägyptischer und an¬ derer überseeischer Ernten angewiesenen Stadt Mangel und Theurung und mit diesen die Gefahr des Aufruhrs herbeiführten. Bei einer zum Theil in Folge des Austretens des Tiber ausgebrochnen Getreidenoth, die während der Jahre 6 bis 8 herrschte, stieg der Preis des Brotkorns in Rom auf das Sechsfache des gewöhnlichen. Sklaven und Fremde wurden in Masse ausgewiesen, um für die Uebrigen das Nothdürftigste zu sichern, und nur durch außerordentliche Anstrengungen beugte man dem Ausbruch von Unruhen vor. Unter Claudius war zweimal, 41 und 52, große Theurung. Das zweite Mal, wo nur noch auf zwei Wochen Getreide vorhanden war, kam es zum Aufstand des wüthenden Volkes, dem der Kaiser nur mit Mühe auswich. Andere Fälle großer Hungersnoth werden aus den Jahren 69, 138, 166 und 188 berichtet. Endlich hafteten auch die Keime verheerender Volkskrankheiten von jeher im Boden Roms. Schon die ältesten Ansiedler hatten dem Geist des Fiebers Altäre errichtet, und das Fieber ist zu allen Zeiten in Rom endemisch gewesen. Dazu erzeugten sich in einer so gedrängt wohnenden Bevölkerung schädliche Einflüsse andrer Art in Menge. Eine schwere Luft lagerte über der Stadt und ihren engen Gassen, geschwängert von den Düften unzähliger Küchen und rauchender Herde, deren Qualm sich mit Staubwolken mischte. Sobald man die Stadt im Rücken hatte, fühlte man sich erleichtert. Im kaiserlichen wie im republikanischen Rom haben große Epidemien, oft in erschreckend kurzen Zwischenräumen einander folgend, zahllose Opfer hingerafft. Bei der schrecklichen Seuche des Jahres 65 blieb kein Geschlecht, kein Alter noch Stand verschont, die Häuser waren voll Todte, die Straßen voll Leichenzuge, allein in die Bücher der Libitina wurden in diesem Herbst dreißigtausend Bestallungen ein¬ getragen. Auch auf den großen Ausbruch des Vesuv, der 79 n. Chr. statt¬ fand, folgte eine verheerende Volkskrankheit, bei welcher nach Eusebius, der indeß hier gewiß ungeheuer übertreibt, manche Tage zehntausend Todesfälle gemeldet worden sein sollen. Die größte aller Epidemien aber, und zwar nicht blos die größte Roms, sondern der ganzen alten Welt überhaupt wurde von dem mit L. Verus aus dem Morgenland zurückkehrenden Heer 166 n. Chr. in den Westen eingeschleppt. Sie wüthete im ganzen Kaiserreich und ergriff zuletzt auch Rom, wo sie, ver¬ muthlich in den folgenden Jahren bald stärker bald schwächer auftretend, unter Commodus — etwa 187 bis 189 — mit furchtbarster Heftigkeit ausbrach. 47*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/379>, abgerufen am 06.01.2025.