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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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nisse der Presse, auf Bücher, Zeitungen und Monatsschriften, einheimische und
fremde erstreckt, bemerkt Edwards, das; dieselbe einheimischen Autoren in vielen
Stücken größere Freiheit zu lassen scheine, als ausländischen, was unsrer Ansicht
nach aber wohl nur von solchen Themen gilt, welche mit -den Absichten der
Negierung, z. B. der Emancipation der Leibeignen und der Reform des Bcam-
tenwesens zusammenfallen. Man kann sich in Petersburg und Moskau wie in
andern größeren Städten auf alle fremden Zeitungen abonniren, aber sehr oft
bekommt man dieselben mit den bekannten schwarzen Bierecken an den Stellen,
wo mißliebige Artikel standen. Selbst der "Nord", als er noch ein Organ für
russische Interessen war, und die "Jud6pendence Belge", die eine speciell für
Nußland angefertigte Ausgabe hat, bleiben nicht verschont. Diese schwarzen
Quadrate, welche das Werk der Petersburger Censoren sind, lassen eine Zei¬
tung von Weitem wie ein illustrirtes Blatt erscheinen, und ein russischer Herr,
welcher unserm Reisenden das erste Beispiel einer auf diese Art gemißhandelten
englischen Zeitung zeigte, händigte es ihm mit den Worten ein: "da sehen Sie
unsre russische Jllustrirte Zeitung." In Moskau pflegt der Censor nicht zu
schwärzen, sondern im buchstäblichem Sinn des Wortes zu radiren. Mit einem
P>äparat von Guttapercha und gepulvertem Glas reinigt er die "Times" von
einem Artikel oder den "Punch" von einem Witz in so sauberer Manier, daß
nicht die Spur von den Buchstaben und ebensowenig eine Andeutung von dem
Proceß übrig bleibt, durch den diese hinwegeöcamotirt wurden. Ein auf diese
Weise weißgewaschner Zeitungsmohr gleicht ebenfalls einer illustrirten Zeitung,
aber einer solchen, welche ihre Illustrationen erst empfangen soll, bei welcher
der Setzer nur die Schrift, noch nicht die Hoizstöckc in die Form gebracht hat.

"Ich muß", fährt Edwards fort, "den russischen Censoren die Gerechtigkeit
widerfahren lassen, zu sagen, daß sie ihre Aufmerksamkeit nicht auf Artikel rich¬
ten, welche Rußland im Allgemeinen angreifen, wie schwer und übelbegründet
die Anklagen auch sein mögen. So erschien im October 1856 in der "Mor-
ning Post" eine Reihe von Aufsätzen gegen den großen russischen Eisenbahn-
Plan, welche das Land in maßloser Weise mißhandelten. Sie gingen unver¬
ändert durch dre Censur, und desgleichen geschah mit den Auslassungen der
"Times" über denselben Gegenstand. "Galignanis Messenger" brachte nach der
Schlacht bei Jnkcrman eine ganze Masse von Korrespondenzen über dieses Ereig¬
nis;, die meist in der ersten Hitze des Moments nach diesem großen und theuer
erkauften Siege geschrieben waren und natürlich starke Dinge über die russische
Armee, die Aufregung der Soldaten durch Religion und Alkohol, das Verräthe¬
rische Verhalten der Generale u. s. w. enthielten. Alles dies konnte man in
Moskau so gut wie in Paris und London lesen".

Die Censoren sind durch ihre Instruction angewiesen "alle solche Werke
zu unterdrücken, welche in einem der rechtgläubigen griechischen Kirche seindieli-


nisse der Presse, auf Bücher, Zeitungen und Monatsschriften, einheimische und
fremde erstreckt, bemerkt Edwards, das; dieselbe einheimischen Autoren in vielen
Stücken größere Freiheit zu lassen scheine, als ausländischen, was unsrer Ansicht
nach aber wohl nur von solchen Themen gilt, welche mit -den Absichten der
Negierung, z. B. der Emancipation der Leibeignen und der Reform des Bcam-
tenwesens zusammenfallen. Man kann sich in Petersburg und Moskau wie in
andern größeren Städten auf alle fremden Zeitungen abonniren, aber sehr oft
bekommt man dieselben mit den bekannten schwarzen Bierecken an den Stellen,
wo mißliebige Artikel standen. Selbst der „Nord", als er noch ein Organ für
russische Interessen war, und die „Jud6pendence Belge", die eine speciell für
Nußland angefertigte Ausgabe hat, bleiben nicht verschont. Diese schwarzen
Quadrate, welche das Werk der Petersburger Censoren sind, lassen eine Zei¬
tung von Weitem wie ein illustrirtes Blatt erscheinen, und ein russischer Herr,
welcher unserm Reisenden das erste Beispiel einer auf diese Art gemißhandelten
englischen Zeitung zeigte, händigte es ihm mit den Worten ein: „da sehen Sie
unsre russische Jllustrirte Zeitung." In Moskau pflegt der Censor nicht zu
schwärzen, sondern im buchstäblichem Sinn des Wortes zu radiren. Mit einem
P>äparat von Guttapercha und gepulvertem Glas reinigt er die „Times" von
einem Artikel oder den „Punch" von einem Witz in so sauberer Manier, daß
nicht die Spur von den Buchstaben und ebensowenig eine Andeutung von dem
Proceß übrig bleibt, durch den diese hinwegeöcamotirt wurden. Ein auf diese
Weise weißgewaschner Zeitungsmohr gleicht ebenfalls einer illustrirten Zeitung,
aber einer solchen, welche ihre Illustrationen erst empfangen soll, bei welcher
der Setzer nur die Schrift, noch nicht die Hoizstöckc in die Form gebracht hat.

„Ich muß", fährt Edwards fort, „den russischen Censoren die Gerechtigkeit
widerfahren lassen, zu sagen, daß sie ihre Aufmerksamkeit nicht auf Artikel rich¬
ten, welche Rußland im Allgemeinen angreifen, wie schwer und übelbegründet
die Anklagen auch sein mögen. So erschien im October 1856 in der „Mor-
ning Post" eine Reihe von Aufsätzen gegen den großen russischen Eisenbahn-
Plan, welche das Land in maßloser Weise mißhandelten. Sie gingen unver¬
ändert durch dre Censur, und desgleichen geschah mit den Auslassungen der
„Times" über denselben Gegenstand. „Galignanis Messenger" brachte nach der
Schlacht bei Jnkcrman eine ganze Masse von Korrespondenzen über dieses Ereig¬
nis;, die meist in der ersten Hitze des Moments nach diesem großen und theuer
erkauften Siege geschrieben waren und natürlich starke Dinge über die russische
Armee, die Aufregung der Soldaten durch Religion und Alkohol, das Verräthe¬
rische Verhalten der Generale u. s. w. enthielten. Alles dies konnte man in
Moskau so gut wie in Paris und London lesen".

Die Censoren sind durch ihre Instruction angewiesen „alle solche Werke
zu unterdrücken, welche in einem der rechtgläubigen griechischen Kirche seindieli-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/350>, abgerufen am 08.01.2025.