Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.stimmig durch Wahlen geantwortet, welche den entschiedensten Protest gegen Die hessische Regierung konnte einen solchen Schritt nur in der Absicht, Es ist möglich, daß der eine und der andere Bundesgenosse des Kurfürsten stimmig durch Wahlen geantwortet, welche den entschiedensten Protest gegen Die hessische Regierung konnte einen solchen Schritt nur in der Absicht, Es ist möglich, daß der eine und der andere Bundesgenosse des Kurfürsten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114100"/> <p xml:id="ID_976" prev="#ID_975"> stimmig durch Wahlen geantwortet, welche den entschiedensten Protest gegen<lb/> diese Versuche einlegten. Preußen hat sich von Beginn der Regierung seines<lb/> jetzigen Königs an bald mehr, bald weniger energisch bemüht, dem hessischen Volk<lb/> zu dem ihm gebührenden Rechte zu verhelfen, ihm die Verfassung von 1831 wie¬<lb/> der zu verschaffen, und es ist in diesem Bestreben nicht ohne Erfolge geblieben.<lb/> Mehre deutsche Regierungen wurden für die preußische Auffassung gewonnen,<lb/> und.nachdem auch Oestreich sich derselben angeschlossen, war kaum noch zu<lb/> zweifeln, daß man in Kassel nachgeben werde. Gegen alle Erwartung — die<lb/> Erwartung derer vielleicht ausgenommen, welche an eine doppelte östreichische<lb/> Politik, eine officielle in Berlin und Frankfurt und eine stille in Kassel, glau¬<lb/> ben mochten — gaben der Kurfürst und sein Ministerium auch dieser Conjunc-<lb/> tur nicht nach. Während Preußen und Oestreich sich geeinigt, am Bunde einen<lb/> Austrag des Verfassungsstreites auf Grund der Verfassung von 1831 herbei¬<lb/> zuführen, und der darauf gerichtete Antrag der beiden Großmächte alle Aus¬<lb/> sicht hatte, durchzudringen, erging von der kurfürstlichen Regierung die bekannte<lb/> Wahlverordnung, durch welche allen denjenigen, die nicht von vornherein aus¬<lb/> drücklich ihre' Anerkennung der octroyirten Verfassung erklärten, das Recht zu<lb/> wählen abgesprochen wurde. Bei der Stimmung des Landes konnte es mit<lb/> dieser gegen alle politische Moral, allen constitutionellen Brauch und alle Lo¬<lb/> gik verstoßenden Maßregel lediglich auf Minoritätswahlcn. auf einen Land¬<lb/> tag bestehend aus einigen durch angedrohte Geldstrafen genothwendigten Wider¬<lb/> willigen und jenen seltsamen Schwärmern abgesehen sein, die nach dem Glau¬<lb/> bensbekenntniß: Jesus Christus unser himmlischer, Kurfürst Wilhelm unser ir¬<lb/> discher Herr, unser Hort und Horn des Heils die octroyirte Verfassung, Politik<lb/> treiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_977"> Die hessische Regierung konnte einen solchen Schritt nur in der Absicht,<lb/> Preußen zu beleidigen, oder in der Voraussetzung wagen, daß die preußische<lb/> Politik in den Märztagen d. I. ihre Grundsätze völlig geändert habe, daß das<lb/> neue Ministerium die Ziele des bis dahin am Ruder befindlichen nicht weiter<lb/> verfolgen werde. Oder wäre es denkbar, daß sie geglaubt hätte, der durch<lb/> ihre Wahlverordnung beabsichtigte Landtag werde vor den Augen der Bundes¬<lb/> regierungen als Ausdruck der Ueberzeugung des Landes und nicht viel mehr<lb/> als neuer Beweis für die in demselben herrschende beispiellose Willkür gelten,<lb/> ein künstlich durch offnen Zwang zusammengebrachtes parlamentarisches Votum<lb/> zu ihren Gunsten werde sich als Stimme des Volks darstellen lassen, eine in<lb/> Kassel als Landtag eröffnete Versammlung von Mitgliedern des „Hessenvereins"<lb/> werde als befriedigende Lösung der Verfassungswirren angesehen werden?</p><lb/> <p xml:id="ID_978" next="#ID_979"> Es ist möglich, daß der eine und der andere Bundesgenosse des Kurfürsten<lb/> sich unter andern Verhältnissen das Ansehen geben würde, als ob er solchen<lb/> Schein für Wahrheit hielte. Unter den gegenwärtigen Umständen, den ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0320]
stimmig durch Wahlen geantwortet, welche den entschiedensten Protest gegen
diese Versuche einlegten. Preußen hat sich von Beginn der Regierung seines
jetzigen Königs an bald mehr, bald weniger energisch bemüht, dem hessischen Volk
zu dem ihm gebührenden Rechte zu verhelfen, ihm die Verfassung von 1831 wie¬
der zu verschaffen, und es ist in diesem Bestreben nicht ohne Erfolge geblieben.
Mehre deutsche Regierungen wurden für die preußische Auffassung gewonnen,
und.nachdem auch Oestreich sich derselben angeschlossen, war kaum noch zu
zweifeln, daß man in Kassel nachgeben werde. Gegen alle Erwartung — die
Erwartung derer vielleicht ausgenommen, welche an eine doppelte östreichische
Politik, eine officielle in Berlin und Frankfurt und eine stille in Kassel, glau¬
ben mochten — gaben der Kurfürst und sein Ministerium auch dieser Conjunc-
tur nicht nach. Während Preußen und Oestreich sich geeinigt, am Bunde einen
Austrag des Verfassungsstreites auf Grund der Verfassung von 1831 herbei¬
zuführen, und der darauf gerichtete Antrag der beiden Großmächte alle Aus¬
sicht hatte, durchzudringen, erging von der kurfürstlichen Regierung die bekannte
Wahlverordnung, durch welche allen denjenigen, die nicht von vornherein aus¬
drücklich ihre' Anerkennung der octroyirten Verfassung erklärten, das Recht zu
wählen abgesprochen wurde. Bei der Stimmung des Landes konnte es mit
dieser gegen alle politische Moral, allen constitutionellen Brauch und alle Lo¬
gik verstoßenden Maßregel lediglich auf Minoritätswahlcn. auf einen Land¬
tag bestehend aus einigen durch angedrohte Geldstrafen genothwendigten Wider¬
willigen und jenen seltsamen Schwärmern abgesehen sein, die nach dem Glau¬
bensbekenntniß: Jesus Christus unser himmlischer, Kurfürst Wilhelm unser ir¬
discher Herr, unser Hort und Horn des Heils die octroyirte Verfassung, Politik
treiben.
Die hessische Regierung konnte einen solchen Schritt nur in der Absicht,
Preußen zu beleidigen, oder in der Voraussetzung wagen, daß die preußische
Politik in den Märztagen d. I. ihre Grundsätze völlig geändert habe, daß das
neue Ministerium die Ziele des bis dahin am Ruder befindlichen nicht weiter
verfolgen werde. Oder wäre es denkbar, daß sie geglaubt hätte, der durch
ihre Wahlverordnung beabsichtigte Landtag werde vor den Augen der Bundes¬
regierungen als Ausdruck der Ueberzeugung des Landes und nicht viel mehr
als neuer Beweis für die in demselben herrschende beispiellose Willkür gelten,
ein künstlich durch offnen Zwang zusammengebrachtes parlamentarisches Votum
zu ihren Gunsten werde sich als Stimme des Volks darstellen lassen, eine in
Kassel als Landtag eröffnete Versammlung von Mitgliedern des „Hessenvereins"
werde als befriedigende Lösung der Verfassungswirren angesehen werden?
Es ist möglich, daß der eine und der andere Bundesgenosse des Kurfürsten
sich unter andern Verhältnissen das Ansehen geben würde, als ob er solchen
Schein für Wahrheit hielte. Unter den gegenwärtigen Umständen, den ver-
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