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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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zeug von einer andern, z. B, eine Fregatte von einer Corvette. Auch die See¬
mannsfreuden an Festtagen bringen ihn nicht aus seiner Apathie; er sieht dem
Tanzen und Springen der Matrosen zu, ohne sich zu betheiligen. Seine Ge¬
danken sind in der Heimath bei Ackerbau und Viehzucht. Dabei läßt er sich
aber kein Mißvergnügen merken, er erträgt harte, ja grausame Behandlung mit
der größten Ruhe, ist willig im Dienst und verrichtet die schwerste Arbeit,
wenn zu ihr nur Körperkräfte nöthig sind, mit unermüdlicher Ausdauer.

In der Flottenstation Carlscrona werden fortwährend 800 Bootsleute ge¬
halten, um die dort nöthigen Arbeiten zu verrichten. Da müssen sie Steine
karren, graben, Balken schleppen, Zimmermanns-, Maurer- und Schmiedearbeit
verrichten, oder in den Werkstätten Handlangerdienste thun. Sieht man die
Leute bei diesen unseemännischen Verrichtungen, so kann man sich schwer über¬
zeugen, daß sie der Stamm der schwedischen Kriegsflotte sein sollen, die im
Fall eines Krieges durch Seetüchtigkeit die Mängel der eintretenden Seewehr
verdeckt! Unter den 4000 Bootsleuten, welche der Station überhaupt zugetheilt
sind, ist kein einziger, der den Namen vollkommner Seemann verdient, und nicht
1000 besitzen eine so mittelmäßige Uebung und Ausbildung, wie sie vom ge¬
wöhnlichsten Mann auf einer Flotte verlangt werden.

Dem Staate kosten die Bootsleute sehr wenig; denn ein ganzes Jahr Löh¬
nung mit Portionskosten beträgt etwas über 200 Rdr.-rat. (ca. 80 Thaler);
doch muß der Notehalter, dessen Stellvertreter der Bootsmann ist, dazu außer¬
dem etwa 130 Mr.-rat (ca. SO Thlr.) bezahlen. Zieht man aber den geringen
Nutzen dieser Leute in Betracht, dann kommen sie dem Lande noch viel zu
theuer zu stehen.

Das Matrosencorps wird übrigens auch unbegreiflich schlecht bezahlt.
Außer 2 Pfund Brod täglich und jährlicher Bekleidung zum Werthe ,von 60
Rdr.-rat sowie jährlich 12 Rdr.-rat Einquartierungsgeld, erhalten 100 per
Mann täglich 75 Ocre (100 Ocre ^- 1 Rdr.), 100 per Mann täglich 65 Ocre,
200 Halbbesahrene per Mann täglich 39 Ocre. Mit 75 Ocre täglich kann ein
sparsamer Mann allenfalls sich durchschleppen; wie aber ein erwachsener Mensch
bei schwerer zehnstündiger Arbeit mit 39 Ocre auskommt, ist ein noch ungelöstes
Räthsel. Ein brauchbarer Matrose der Handelsflotte würde nimmermehr unter
2--3 Rdr. Löhnung täglich dieselbe Arbeit verrichten.

Außer dem bedeutenderen Kostenpreis gibt es noch einen Umstand, welcher
der Reorganisation der Flotte sehr hinderlich sein wird. Dies ist der Abscheu,
den die schwedischen Handelsmatrosen gegen den Dienst auf schwedischen Kriegs¬
schiffen hegen. Diese Fahrzeuge sind ihnen gleichbedeutend mit Zuchthaus,
während sie auf vielen fremden Kriegsmarinen gerne Dienste nehmen. Im
Jahre 1848, als das in Carlscrona ausgerüstete Geschwader Aussicht hatte in
See zu stechen, kam man zu der Ueberzeugung, daß es unmöglich sei, die Fahr-


zeug von einer andern, z. B, eine Fregatte von einer Corvette. Auch die See¬
mannsfreuden an Festtagen bringen ihn nicht aus seiner Apathie; er sieht dem
Tanzen und Springen der Matrosen zu, ohne sich zu betheiligen. Seine Ge¬
danken sind in der Heimath bei Ackerbau und Viehzucht. Dabei läßt er sich
aber kein Mißvergnügen merken, er erträgt harte, ja grausame Behandlung mit
der größten Ruhe, ist willig im Dienst und verrichtet die schwerste Arbeit,
wenn zu ihr nur Körperkräfte nöthig sind, mit unermüdlicher Ausdauer.

In der Flottenstation Carlscrona werden fortwährend 800 Bootsleute ge¬
halten, um die dort nöthigen Arbeiten zu verrichten. Da müssen sie Steine
karren, graben, Balken schleppen, Zimmermanns-, Maurer- und Schmiedearbeit
verrichten, oder in den Werkstätten Handlangerdienste thun. Sieht man die
Leute bei diesen unseemännischen Verrichtungen, so kann man sich schwer über¬
zeugen, daß sie der Stamm der schwedischen Kriegsflotte sein sollen, die im
Fall eines Krieges durch Seetüchtigkeit die Mängel der eintretenden Seewehr
verdeckt! Unter den 4000 Bootsleuten, welche der Station überhaupt zugetheilt
sind, ist kein einziger, der den Namen vollkommner Seemann verdient, und nicht
1000 besitzen eine so mittelmäßige Uebung und Ausbildung, wie sie vom ge¬
wöhnlichsten Mann auf einer Flotte verlangt werden.

Dem Staate kosten die Bootsleute sehr wenig; denn ein ganzes Jahr Löh¬
nung mit Portionskosten beträgt etwas über 200 Rdr.-rat. (ca. 80 Thaler);
doch muß der Notehalter, dessen Stellvertreter der Bootsmann ist, dazu außer¬
dem etwa 130 Mr.-rat (ca. SO Thlr.) bezahlen. Zieht man aber den geringen
Nutzen dieser Leute in Betracht, dann kommen sie dem Lande noch viel zu
theuer zu stehen.

Das Matrosencorps wird übrigens auch unbegreiflich schlecht bezahlt.
Außer 2 Pfund Brod täglich und jährlicher Bekleidung zum Werthe ,von 60
Rdr.-rat sowie jährlich 12 Rdr.-rat Einquartierungsgeld, erhalten 100 per
Mann täglich 75 Ocre (100 Ocre ^- 1 Rdr.), 100 per Mann täglich 65 Ocre,
200 Halbbesahrene per Mann täglich 39 Ocre. Mit 75 Ocre täglich kann ein
sparsamer Mann allenfalls sich durchschleppen; wie aber ein erwachsener Mensch
bei schwerer zehnstündiger Arbeit mit 39 Ocre auskommt, ist ein noch ungelöstes
Räthsel. Ein brauchbarer Matrose der Handelsflotte würde nimmermehr unter
2—3 Rdr. Löhnung täglich dieselbe Arbeit verrichten.

Außer dem bedeutenderen Kostenpreis gibt es noch einen Umstand, welcher
der Reorganisation der Flotte sehr hinderlich sein wird. Dies ist der Abscheu,
den die schwedischen Handelsmatrosen gegen den Dienst auf schwedischen Kriegs¬
schiffen hegen. Diese Fahrzeuge sind ihnen gleichbedeutend mit Zuchthaus,
während sie auf vielen fremden Kriegsmarinen gerne Dienste nehmen. Im
Jahre 1848, als das in Carlscrona ausgerüstete Geschwader Aussicht hatte in
See zu stechen, kam man zu der Ueberzeugung, daß es unmöglich sei, die Fahr-


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[0306] zeug von einer andern, z. B, eine Fregatte von einer Corvette. Auch die See¬ mannsfreuden an Festtagen bringen ihn nicht aus seiner Apathie; er sieht dem Tanzen und Springen der Matrosen zu, ohne sich zu betheiligen. Seine Ge¬ danken sind in der Heimath bei Ackerbau und Viehzucht. Dabei läßt er sich aber kein Mißvergnügen merken, er erträgt harte, ja grausame Behandlung mit der größten Ruhe, ist willig im Dienst und verrichtet die schwerste Arbeit, wenn zu ihr nur Körperkräfte nöthig sind, mit unermüdlicher Ausdauer. In der Flottenstation Carlscrona werden fortwährend 800 Bootsleute ge¬ halten, um die dort nöthigen Arbeiten zu verrichten. Da müssen sie Steine karren, graben, Balken schleppen, Zimmermanns-, Maurer- und Schmiedearbeit verrichten, oder in den Werkstätten Handlangerdienste thun. Sieht man die Leute bei diesen unseemännischen Verrichtungen, so kann man sich schwer über¬ zeugen, daß sie der Stamm der schwedischen Kriegsflotte sein sollen, die im Fall eines Krieges durch Seetüchtigkeit die Mängel der eintretenden Seewehr verdeckt! Unter den 4000 Bootsleuten, welche der Station überhaupt zugetheilt sind, ist kein einziger, der den Namen vollkommner Seemann verdient, und nicht 1000 besitzen eine so mittelmäßige Uebung und Ausbildung, wie sie vom ge¬ wöhnlichsten Mann auf einer Flotte verlangt werden. Dem Staate kosten die Bootsleute sehr wenig; denn ein ganzes Jahr Löh¬ nung mit Portionskosten beträgt etwas über 200 Rdr.-rat. (ca. 80 Thaler); doch muß der Notehalter, dessen Stellvertreter der Bootsmann ist, dazu außer¬ dem etwa 130 Mr.-rat (ca. SO Thlr.) bezahlen. Zieht man aber den geringen Nutzen dieser Leute in Betracht, dann kommen sie dem Lande noch viel zu theuer zu stehen. Das Matrosencorps wird übrigens auch unbegreiflich schlecht bezahlt. Außer 2 Pfund Brod täglich und jährlicher Bekleidung zum Werthe ,von 60 Rdr.-rat sowie jährlich 12 Rdr.-rat Einquartierungsgeld, erhalten 100 per Mann täglich 75 Ocre (100 Ocre ^- 1 Rdr.), 100 per Mann täglich 65 Ocre, 200 Halbbesahrene per Mann täglich 39 Ocre. Mit 75 Ocre täglich kann ein sparsamer Mann allenfalls sich durchschleppen; wie aber ein erwachsener Mensch bei schwerer zehnstündiger Arbeit mit 39 Ocre auskommt, ist ein noch ungelöstes Räthsel. Ein brauchbarer Matrose der Handelsflotte würde nimmermehr unter 2—3 Rdr. Löhnung täglich dieselbe Arbeit verrichten. Außer dem bedeutenderen Kostenpreis gibt es noch einen Umstand, welcher der Reorganisation der Flotte sehr hinderlich sein wird. Dies ist der Abscheu, den die schwedischen Handelsmatrosen gegen den Dienst auf schwedischen Kriegs¬ schiffen hegen. Diese Fahrzeuge sind ihnen gleichbedeutend mit Zuchthaus, während sie auf vielen fremden Kriegsmarinen gerne Dienste nehmen. Im Jahre 1848, als das in Carlscrona ausgerüstete Geschwader Aussicht hatte in See zu stechen, kam man zu der Ueberzeugung, daß es unmöglich sei, die Fahr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/306>, abgerufen am 06.01.2025.