Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.inne werden und gewiß nicht ohne dringende Gründe die moralische Un¬ Was trennt uns denn praktisch den muthmaßlichen Aufgaben der nächsten "Die Auffassung des Staats", sagt unsre Schrift, "aus welcher in den Mit Recht bezeichnet der Verfasser diese Programme als Erzeugnisse einer inne werden und gewiß nicht ohne dringende Gründe die moralische Un¬ Was trennt uns denn praktisch den muthmaßlichen Aufgaben der nächsten „Die Auffassung des Staats", sagt unsre Schrift, „aus welcher in den Mit Recht bezeichnet der Verfasser diese Programme als Erzeugnisse einer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114049"/> <p xml:id="ID_790" prev="#ID_789"> inne werden und gewiß nicht ohne dringende Gründe die moralische Un¬<lb/> terstützung entbehren wollen, wMe die Fraction Grabow, auch als Minorität, dem<lb/> Lande und der Regierung gegenüber den liberalen Parteien zuführt. Sollten<lb/> dagegen unsre nähern politischen Freunde die Majorität der liberalen Partei<lb/> haben (ein Fall, der diesmal nicht eintreten dürfte), so dürfen auch sie nicht<lb/> ohne unabweisbare Gründe sich die Unterstützung entgehen lassen, welche ihnen<lb/> die Fortschrittspartei im Lande und in der Presse gewährt.</p><lb/> <p xml:id="ID_791"> Was trennt uns denn praktisch den muthmaßlichen Aufgaben der nächsten<lb/> Session gegenüber? Zunächst der Unterschied in der Auffassung der Militärfrage,<lb/> denn die Fortschrittspartei hat sich noch nicht darüber erklärt, ob sie unter allen<lb/> Umständen aus dem grundsätzlichen Widerspruch gegen die Heeresreform zu be¬<lb/> harren und jede Vermehrung der Linie, jede Ausdehnung der Reservepflicht fort<lb/> und fort zu bekämpfen gedenkt. Wir müssen wünschen, daß sie den Standpunkt<lb/> der Fraction Grabow einnimmt, die technische Nothwendigkeit der Militärre¬<lb/> form anzuerkennen oder wenigstens der Heeresleitung anheimzugeben und sich<lb/> darauf zu beschränken, daß übermäßige finanzielle Opfer abgewehrt werden.<lb/> Doch ist diese Schwierigkeit einer Verständigung nicht von dauernder Bedeu¬<lb/> tung. Wichtiger ist der Gegensatz der beiden liberalen Parteien, der in einem<lb/> vorübergehenden Unterschied in der Auffassung des Staates seinen Ursprung<lb/> hat. An diesem Gegensatze sind im Lauf der Zeit, zum Theil zufällig, immer<lb/> neue Gegensätze angeschossen, und so kann er dauernde Bedeutung gewinnen.<lb/> Aber er kann auch überwunden werden, wenn die Ueberwindung Noth thut.</p><lb/> <p xml:id="ID_792"> „Die Auffassung des Staats", sagt unsre Schrift, „aus welcher in den<lb/> vierziger Jahren der Gegensatz einer demokratischen und liberalen Partei ent¬<lb/> sprang, war auf beiden Seiten eine schablonenhafte. Aus der einen Seite ein<lb/> Schema von bevorzugten Wählern, durch Census des Besitzes von der Nation<lb/> ausgesondert, ein sogenanntes I^al, eine Wahlkammer mit Majoritäts¬<lb/> herrschaft über die Verwaltung und mit einer aus allerlei Reliquien zusammen¬<lb/> gesetzten Ersten Kammer neben sich, die wesentlich als Rococomöbel bei den<lb/> repräsentativen Acten des Parlamentarismus verwendet wird. Dazu ein König,<lb/> um die Thronrede zu verlesen. Auf der andern Seite hatte man eine Scha¬<lb/> blone, die keine Rococomöbel dulden wollte und den nationalen Willen, d. h.<lb/> die active Regierung, anstatt in das pg^s in die Masse der Erwachsenen<lb/> verlegte, ohne im Mindesten nach der Beschaffenheit dieser Masse zu fragen."</p><lb/> <p xml:id="ID_793" next="#ID_794"> Mit Recht bezeichnet der Verfasser diese Programme als Erzeugnisse einer<lb/> unreifen politischen Studentenzeit. Wir sind in der That aus politischen Stu¬<lb/> denten Männer geworden, welche die ehrenvolle Aufgabe haben, aus lebendigen<lb/> Elementen einen lebendigen Staat zu bilden, und wenn wir die sittliche und<lb/> historische Natur des Staats, der Gesellschaft, der Zeit, an denen und in denen<lb/> wir arbeiten, gewissenhaft studiren, so muß es uns gelingen, in der Wahr-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0269]
inne werden und gewiß nicht ohne dringende Gründe die moralische Un¬
terstützung entbehren wollen, wMe die Fraction Grabow, auch als Minorität, dem
Lande und der Regierung gegenüber den liberalen Parteien zuführt. Sollten
dagegen unsre nähern politischen Freunde die Majorität der liberalen Partei
haben (ein Fall, der diesmal nicht eintreten dürfte), so dürfen auch sie nicht
ohne unabweisbare Gründe sich die Unterstützung entgehen lassen, welche ihnen
die Fortschrittspartei im Lande und in der Presse gewährt.
Was trennt uns denn praktisch den muthmaßlichen Aufgaben der nächsten
Session gegenüber? Zunächst der Unterschied in der Auffassung der Militärfrage,
denn die Fortschrittspartei hat sich noch nicht darüber erklärt, ob sie unter allen
Umständen aus dem grundsätzlichen Widerspruch gegen die Heeresreform zu be¬
harren und jede Vermehrung der Linie, jede Ausdehnung der Reservepflicht fort
und fort zu bekämpfen gedenkt. Wir müssen wünschen, daß sie den Standpunkt
der Fraction Grabow einnimmt, die technische Nothwendigkeit der Militärre¬
form anzuerkennen oder wenigstens der Heeresleitung anheimzugeben und sich
darauf zu beschränken, daß übermäßige finanzielle Opfer abgewehrt werden.
Doch ist diese Schwierigkeit einer Verständigung nicht von dauernder Bedeu¬
tung. Wichtiger ist der Gegensatz der beiden liberalen Parteien, der in einem
vorübergehenden Unterschied in der Auffassung des Staates seinen Ursprung
hat. An diesem Gegensatze sind im Lauf der Zeit, zum Theil zufällig, immer
neue Gegensätze angeschossen, und so kann er dauernde Bedeutung gewinnen.
Aber er kann auch überwunden werden, wenn die Ueberwindung Noth thut.
„Die Auffassung des Staats", sagt unsre Schrift, „aus welcher in den
vierziger Jahren der Gegensatz einer demokratischen und liberalen Partei ent¬
sprang, war auf beiden Seiten eine schablonenhafte. Aus der einen Seite ein
Schema von bevorzugten Wählern, durch Census des Besitzes von der Nation
ausgesondert, ein sogenanntes I^al, eine Wahlkammer mit Majoritäts¬
herrschaft über die Verwaltung und mit einer aus allerlei Reliquien zusammen¬
gesetzten Ersten Kammer neben sich, die wesentlich als Rococomöbel bei den
repräsentativen Acten des Parlamentarismus verwendet wird. Dazu ein König,
um die Thronrede zu verlesen. Auf der andern Seite hatte man eine Scha¬
blone, die keine Rococomöbel dulden wollte und den nationalen Willen, d. h.
die active Regierung, anstatt in das pg^s in die Masse der Erwachsenen
verlegte, ohne im Mindesten nach der Beschaffenheit dieser Masse zu fragen."
Mit Recht bezeichnet der Verfasser diese Programme als Erzeugnisse einer
unreifen politischen Studentenzeit. Wir sind in der That aus politischen Stu¬
denten Männer geworden, welche die ehrenvolle Aufgabe haben, aus lebendigen
Elementen einen lebendigen Staat zu bilden, und wenn wir die sittliche und
historische Natur des Staats, der Gesellschaft, der Zeit, an denen und in denen
wir arbeiten, gewissenhaft studiren, so muß es uns gelingen, in der Wahr-
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