Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

drei bisher maskirte Batterien ihre Feuerschlünde gegen uns, einen Hagel von
Granaten und Kartätschen in unsere Reihen schleudernd. Siegel überzeugte sich
nun/daß,, wenn wir länger fortkämpfen wollten, unser ganzes Regiment ver¬
nichtet werden würde, und ließ deshalb zum Rückzug blasen. Hierbei gingen uns
noch 5 Geschütze verloren, da die feindlichen Schützen die Kanoniere wie auch
die Pferde niederschössen. Mein Nebenmann stürzte, vom tödtlichen Blei ge¬
troffen, ein anderer erhielt eine Kugel in den Hals, ein Dritter eine in den
Arm.

Ich war endlich zu erschöpft, um dem immer eiliger werdenden Rückzug
folgen zu können; zum Tode gehetzt, sprang ich auf einen Munitionswagen,
der eben Heransuhr und mit einigen Artilleristen besetzt war. Aber noch nicht
lange hatte ich meinen eben nicht sehr bequemen Sitz eingenommen, als mein
vis s, vis einen Schuß auf die Brust bekam, wodurch ihm mehrere Rippen zer¬
schlagen wurden. Wir gaben dem schwer Verletzten sofort kaltes Wasser und
waren ihm sonst so viel als möglich behilflich, als ihn eine zweite Kugel in
den Hinterkopf traf, die seinem Leben sofort ein Ende machte. Der weitere
Aufenthalt^aus dem verhängnißvollen Fuhrwerk wurde mir dadurch so verleidet,
daß ich es verließ und lieber meine äußersten Kräfte zum Weiterlaufen an¬
wenden wollte.

Lange währte es nicht mehr, so wurden wir, die wir nur noch einige un¬
geordnete, verworrene Knäuel bildeten, von den feindlichen Tirailleurs und der
Reiterei ganz umzingelt und von allen Seiten unbarmherzig beschossen. Alles
stob nun vollends auseinander und verlief sich, um im Walde, den wir eben erreicht
hatten, auf eigene Faust fo gut als möglich zu entkommen. Unter dem Schutze
einer dichten Baumgruppe war ich mit einem reitenden Artilleristen unserer Com¬
pagnie, der aber jetzt ebenfalls den Schustersrappen ritt, stehen geblieben, um Athem
zu schöpfen, aber plötzlich sah ich mich mit diesem ganz vereinsamt, nicht eine
Spur von meinem Regiment war mehr zu sehen. Wir hielten leise einen kur¬
zen Kriegsrath, der dahin entschied, auf gut Glück gradaus zu gehen. Wir
kamen so aus dem Walde und betraten einen Weg. Aber noch nicht lange be¬
fanden wir uns auf diesem, als etwa 30 Secessionisten, Texas-Rangers, ange¬
rannt kamen, die uns auch sofort umzingelten. Sie riefen uns zu: unsere
Waffen auf den Boden zu legen und uns zu ergeben. Es wäre eine Thor¬
heit gewesen, hier noch einen Widerstand zu versuchen, wir mußten uns in
unser Schicksal fügen und dem Machtspruch unserer Gegner gehorchen.

Es währte nicht lange, so bekamen wir auf unserem traurigen Gange Ge¬
sellschaft, und Abends bestand die Zahl der Gefangenen auf dieser Seite aus
nicht weniger als 250 Mann, darunter auch unser Oberstlieutenant Albert und
einige andere Infanterie- und Artillerieoffiziere. EinZ andrer Theil des Re¬
giments wendete sich nach Little-Uork und gelangte von hier glücklich nach


drei bisher maskirte Batterien ihre Feuerschlünde gegen uns, einen Hagel von
Granaten und Kartätschen in unsere Reihen schleudernd. Siegel überzeugte sich
nun/daß,, wenn wir länger fortkämpfen wollten, unser ganzes Regiment ver¬
nichtet werden würde, und ließ deshalb zum Rückzug blasen. Hierbei gingen uns
noch 5 Geschütze verloren, da die feindlichen Schützen die Kanoniere wie auch
die Pferde niederschössen. Mein Nebenmann stürzte, vom tödtlichen Blei ge¬
troffen, ein anderer erhielt eine Kugel in den Hals, ein Dritter eine in den
Arm.

Ich war endlich zu erschöpft, um dem immer eiliger werdenden Rückzug
folgen zu können; zum Tode gehetzt, sprang ich auf einen Munitionswagen,
der eben Heransuhr und mit einigen Artilleristen besetzt war. Aber noch nicht
lange hatte ich meinen eben nicht sehr bequemen Sitz eingenommen, als mein
vis s, vis einen Schuß auf die Brust bekam, wodurch ihm mehrere Rippen zer¬
schlagen wurden. Wir gaben dem schwer Verletzten sofort kaltes Wasser und
waren ihm sonst so viel als möglich behilflich, als ihn eine zweite Kugel in
den Hinterkopf traf, die seinem Leben sofort ein Ende machte. Der weitere
Aufenthalt^aus dem verhängnißvollen Fuhrwerk wurde mir dadurch so verleidet,
daß ich es verließ und lieber meine äußersten Kräfte zum Weiterlaufen an¬
wenden wollte.

Lange währte es nicht mehr, so wurden wir, die wir nur noch einige un¬
geordnete, verworrene Knäuel bildeten, von den feindlichen Tirailleurs und der
Reiterei ganz umzingelt und von allen Seiten unbarmherzig beschossen. Alles
stob nun vollends auseinander und verlief sich, um im Walde, den wir eben erreicht
hatten, auf eigene Faust fo gut als möglich zu entkommen. Unter dem Schutze
einer dichten Baumgruppe war ich mit einem reitenden Artilleristen unserer Com¬
pagnie, der aber jetzt ebenfalls den Schustersrappen ritt, stehen geblieben, um Athem
zu schöpfen, aber plötzlich sah ich mich mit diesem ganz vereinsamt, nicht eine
Spur von meinem Regiment war mehr zu sehen. Wir hielten leise einen kur¬
zen Kriegsrath, der dahin entschied, auf gut Glück gradaus zu gehen. Wir
kamen so aus dem Walde und betraten einen Weg. Aber noch nicht lange be¬
fanden wir uns auf diesem, als etwa 30 Secessionisten, Texas-Rangers, ange¬
rannt kamen, die uns auch sofort umzingelten. Sie riefen uns zu: unsere
Waffen auf den Boden zu legen und uns zu ergeben. Es wäre eine Thor¬
heit gewesen, hier noch einen Widerstand zu versuchen, wir mußten uns in
unser Schicksal fügen und dem Machtspruch unserer Gegner gehorchen.

Es währte nicht lange, so bekamen wir auf unserem traurigen Gange Ge¬
sellschaft, und Abends bestand die Zahl der Gefangenen auf dieser Seite aus
nicht weniger als 250 Mann, darunter auch unser Oberstlieutenant Albert und
einige andere Infanterie- und Artillerieoffiziere. EinZ andrer Theil des Re¬
giments wendete sich nach Little-Uork und gelangte von hier glücklich nach


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113992"/>
            <p xml:id="ID_605" prev="#ID_604"> drei bisher maskirte Batterien ihre Feuerschlünde gegen uns, einen Hagel von<lb/>
Granaten und Kartätschen in unsere Reihen schleudernd. Siegel überzeugte sich<lb/>
nun/daß,, wenn wir länger fortkämpfen wollten, unser ganzes Regiment ver¬<lb/>
nichtet werden würde, und ließ deshalb zum Rückzug blasen. Hierbei gingen uns<lb/>
noch 5 Geschütze verloren, da die feindlichen Schützen die Kanoniere wie auch<lb/>
die Pferde niederschössen. Mein Nebenmann stürzte, vom tödtlichen Blei ge¬<lb/>
troffen, ein anderer erhielt eine Kugel in den Hals, ein Dritter eine in den<lb/>
Arm.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_606"> Ich war endlich zu erschöpft, um dem immer eiliger werdenden Rückzug<lb/>
folgen zu können; zum Tode gehetzt, sprang ich auf einen Munitionswagen,<lb/>
der eben Heransuhr und mit einigen Artilleristen besetzt war. Aber noch nicht<lb/>
lange hatte ich meinen eben nicht sehr bequemen Sitz eingenommen, als mein<lb/>
vis s, vis einen Schuß auf die Brust bekam, wodurch ihm mehrere Rippen zer¬<lb/>
schlagen wurden. Wir gaben dem schwer Verletzten sofort kaltes Wasser und<lb/>
waren ihm sonst so viel als möglich behilflich, als ihn eine zweite Kugel in<lb/>
den Hinterkopf traf, die seinem Leben sofort ein Ende machte. Der weitere<lb/>
Aufenthalt^aus dem verhängnißvollen Fuhrwerk wurde mir dadurch so verleidet,<lb/>
daß ich es verließ und lieber meine äußersten Kräfte zum Weiterlaufen an¬<lb/>
wenden wollte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_607"> Lange währte es nicht mehr, so wurden wir, die wir nur noch einige un¬<lb/>
geordnete, verworrene Knäuel bildeten, von den feindlichen Tirailleurs und der<lb/>
Reiterei ganz umzingelt und von allen Seiten unbarmherzig beschossen. Alles<lb/>
stob nun vollends auseinander und verlief sich, um im Walde, den wir eben erreicht<lb/>
hatten, auf eigene Faust fo gut als möglich zu entkommen. Unter dem Schutze<lb/>
einer dichten Baumgruppe war ich mit einem reitenden Artilleristen unserer Com¬<lb/>
pagnie, der aber jetzt ebenfalls den Schustersrappen ritt, stehen geblieben, um Athem<lb/>
zu schöpfen, aber plötzlich sah ich mich mit diesem ganz vereinsamt, nicht eine<lb/>
Spur von meinem Regiment war mehr zu sehen. Wir hielten leise einen kur¬<lb/>
zen Kriegsrath, der dahin entschied, auf gut Glück gradaus zu gehen. Wir<lb/>
kamen so aus dem Walde und betraten einen Weg. Aber noch nicht lange be¬<lb/>
fanden wir uns auf diesem, als etwa 30 Secessionisten, Texas-Rangers, ange¬<lb/>
rannt kamen, die uns auch sofort umzingelten. Sie riefen uns zu: unsere<lb/>
Waffen auf den Boden zu legen und uns zu ergeben. Es wäre eine Thor¬<lb/>
heit gewesen, hier noch einen Widerstand zu versuchen, wir mußten uns in<lb/>
unser Schicksal fügen und dem Machtspruch unserer Gegner gehorchen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_608" next="#ID_609"> Es währte nicht lange, so bekamen wir auf unserem traurigen Gange Ge¬<lb/>
sellschaft, und Abends bestand die Zahl der Gefangenen auf dieser Seite aus<lb/>
nicht weniger als 250 Mann, darunter auch unser Oberstlieutenant Albert und<lb/>
einige andere Infanterie- und Artillerieoffiziere. EinZ andrer Theil des Re¬<lb/>
giments wendete sich nach Little-Uork und gelangte von hier glücklich nach</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0212] drei bisher maskirte Batterien ihre Feuerschlünde gegen uns, einen Hagel von Granaten und Kartätschen in unsere Reihen schleudernd. Siegel überzeugte sich nun/daß,, wenn wir länger fortkämpfen wollten, unser ganzes Regiment ver¬ nichtet werden würde, und ließ deshalb zum Rückzug blasen. Hierbei gingen uns noch 5 Geschütze verloren, da die feindlichen Schützen die Kanoniere wie auch die Pferde niederschössen. Mein Nebenmann stürzte, vom tödtlichen Blei ge¬ troffen, ein anderer erhielt eine Kugel in den Hals, ein Dritter eine in den Arm. Ich war endlich zu erschöpft, um dem immer eiliger werdenden Rückzug folgen zu können; zum Tode gehetzt, sprang ich auf einen Munitionswagen, der eben Heransuhr und mit einigen Artilleristen besetzt war. Aber noch nicht lange hatte ich meinen eben nicht sehr bequemen Sitz eingenommen, als mein vis s, vis einen Schuß auf die Brust bekam, wodurch ihm mehrere Rippen zer¬ schlagen wurden. Wir gaben dem schwer Verletzten sofort kaltes Wasser und waren ihm sonst so viel als möglich behilflich, als ihn eine zweite Kugel in den Hinterkopf traf, die seinem Leben sofort ein Ende machte. Der weitere Aufenthalt^aus dem verhängnißvollen Fuhrwerk wurde mir dadurch so verleidet, daß ich es verließ und lieber meine äußersten Kräfte zum Weiterlaufen an¬ wenden wollte. Lange währte es nicht mehr, so wurden wir, die wir nur noch einige un¬ geordnete, verworrene Knäuel bildeten, von den feindlichen Tirailleurs und der Reiterei ganz umzingelt und von allen Seiten unbarmherzig beschossen. Alles stob nun vollends auseinander und verlief sich, um im Walde, den wir eben erreicht hatten, auf eigene Faust fo gut als möglich zu entkommen. Unter dem Schutze einer dichten Baumgruppe war ich mit einem reitenden Artilleristen unserer Com¬ pagnie, der aber jetzt ebenfalls den Schustersrappen ritt, stehen geblieben, um Athem zu schöpfen, aber plötzlich sah ich mich mit diesem ganz vereinsamt, nicht eine Spur von meinem Regiment war mehr zu sehen. Wir hielten leise einen kur¬ zen Kriegsrath, der dahin entschied, auf gut Glück gradaus zu gehen. Wir kamen so aus dem Walde und betraten einen Weg. Aber noch nicht lange be¬ fanden wir uns auf diesem, als etwa 30 Secessionisten, Texas-Rangers, ange¬ rannt kamen, die uns auch sofort umzingelten. Sie riefen uns zu: unsere Waffen auf den Boden zu legen und uns zu ergeben. Es wäre eine Thor¬ heit gewesen, hier noch einen Widerstand zu versuchen, wir mußten uns in unser Schicksal fügen und dem Machtspruch unserer Gegner gehorchen. Es währte nicht lange, so bekamen wir auf unserem traurigen Gange Ge¬ sellschaft, und Abends bestand die Zahl der Gefangenen auf dieser Seite aus nicht weniger als 250 Mann, darunter auch unser Oberstlieutenant Albert und einige andere Infanterie- und Artillerieoffiziere. EinZ andrer Theil des Re¬ giments wendete sich nach Little-Uork und gelangte von hier glücklich nach

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/212
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/212>, abgerufen am 08.01.2025.