Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Seine Werthsachen versteckte der (beiläufig in der legten Zeit sehr sparsam Mit Chamfort meinte er, der Weisheit Anfang sei die Furcht vor den "Schon mit dreißig Jahren war er es herzlich müde, Wesen für seines "Fast jeden Contact mit Menschen hielt er in seinem reiferen Alter für 24* ,
Seine Werthsachen versteckte der (beiläufig in der legten Zeit sehr sparsam Mit Chamfort meinte er, der Weisheit Anfang sei die Furcht vor den „Schon mit dreißig Jahren war er es herzlich müde, Wesen für seines „Fast jeden Contact mit Menschen hielt er in seinem reiferen Alter für 24* ,
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113975"/> <p xml:id="ID_535"> Seine Werthsachen versteckte der (beiläufig in der legten Zeit sehr sparsam<lb/> gewordene und geschickt in Staatspapieren speculirendcj Genius dergestalt, daß<lb/> trotz der lateinischen Anweisung, die sein Testament dazu gab, Einzelnes nur<lb/> mit Mühe zu finden war. „Keine Aufzeichnung, die sein Vermögen und seine<lb/> häusliche Oekonomie betraf (er war nie verheirathet), vertraute er der Landes¬<lb/> sprache an. Er führte sein Ncchnungsbuch englisch und bediente sich bei wich¬<lb/> tigen Gcschäftsnvtizcn des Lateinischen und Griechischen. Um sich vor Dieben<lb/> zu schützen, wählte er täuschende Aufschriften, verwahrte seine Werthpapiere<lb/> als arcana meckitür, die Zinsabschnittc besonders, in alten Briefen und Noten¬<lb/> heften und sein Gold unter dem Tintenfaß im Schreibepult. Nie vertraute er<lb/> sich dem Scheermesser eines Barbiers an; auch führte er stets ein ledernes<lb/> Schiffchen bei sich, um beim Wassertrinken in öffentlichen Localen nicht der<lb/> Ansteckung preisgegeben zu sein. Die Spitzen und Köpfe seiner Tabakspfeifen<lb/> nahm er nach jedesmaligem Gebrauch unter Verschluß. Aus Furcht vor dem<lb/> Scheintode verordnete er, daß seine Leiche über die gewöhnliche Zeit hinaus<lb/> beigesetzt werden sollte. In Vertragsverhältnissen fürchtete er in der Regel<lb/> betrogen zu werden."</p><lb/> <p xml:id="ID_536"> Mit Chamfort meinte er, der Weisheit Anfang sei die Furcht vor den<lb/> Menschen. Mit Leopardi hielt er den Betrug für die Seele des gesellschaft¬<lb/> lichen Lebens und die Weit für eine Verschwörung der Schurken gegen die<lb/> ehrlichen Leute. Derselbe Mann, welcher lehrte, der beste Mensch sein, heißt<lb/> zwischen sich und den andern den wenigsten Unterschied machen, der schlechteste,<lb/> den meisten — hatte, wie der Evangelist Gwinner sich ausdrückt, „von der<lb/> Wiege bis zum Grabe die unerschütterliche Ueberzeugung", oder wie wir es<lb/> richtiger auszudrücken glauben, den wahnwitzigen Hochmuth, „daß ihn Sternen¬<lb/> weiten von denen trennten, mit denen er leben, die er lieben sollte." Gwinner<lb/> illustrirt das mit einer ganzen Reihe von Sprüchen seines Philosophen, von<lb/> denen wir einige besonders bezeichnende auswählen.</p><lb/> <p xml:id="ID_537"> „Schon mit dreißig Jahren war er es herzlich müde, Wesen für seines<lb/> Gleichen ansehen zu müssen, die es wahrhaftig nicht seien. So lange die<lb/> Katze jung sei, spiele sie mit Papierkügelchen, weil sie solche für lebendig, für<lb/> etwas ihr selbst Aehnliches halte; aber wenn sie älter geworden, wisse sie was<lb/> es sei und lasse es liegen. So sei es ihm mit den dixoclss gegangen.<lb/> similis simili gucket: um von den Menschen geliebt zu werden, müßte<lb/> man ihnen ähnlich sein; das aber hole der Teufel! Was sie zusammenbringe<lb/> und zusammenhalte, sei ihre Gemeinheit, Kleinheit, Plattheit, Geistesschwache<lb/> und Erbärmlichkeit. Daher sei sein Gruß an alle bixoelös- xax vobiscum,<lb/> niliil a,mMu8."</p><lb/> <p xml:id="ID_538" next="#ID_539"> „Fast jeden Contact mit Menschen hielt er in seinem reiferen Alter für<lb/> eine eontaminÄtiyn, ein ac-Aemont. Sie seien so beschaffen, daß wer im</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 24* ,</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0195]
Seine Werthsachen versteckte der (beiläufig in der legten Zeit sehr sparsam
gewordene und geschickt in Staatspapieren speculirendcj Genius dergestalt, daß
trotz der lateinischen Anweisung, die sein Testament dazu gab, Einzelnes nur
mit Mühe zu finden war. „Keine Aufzeichnung, die sein Vermögen und seine
häusliche Oekonomie betraf (er war nie verheirathet), vertraute er der Landes¬
sprache an. Er führte sein Ncchnungsbuch englisch und bediente sich bei wich¬
tigen Gcschäftsnvtizcn des Lateinischen und Griechischen. Um sich vor Dieben
zu schützen, wählte er täuschende Aufschriften, verwahrte seine Werthpapiere
als arcana meckitür, die Zinsabschnittc besonders, in alten Briefen und Noten¬
heften und sein Gold unter dem Tintenfaß im Schreibepult. Nie vertraute er
sich dem Scheermesser eines Barbiers an; auch führte er stets ein ledernes
Schiffchen bei sich, um beim Wassertrinken in öffentlichen Localen nicht der
Ansteckung preisgegeben zu sein. Die Spitzen und Köpfe seiner Tabakspfeifen
nahm er nach jedesmaligem Gebrauch unter Verschluß. Aus Furcht vor dem
Scheintode verordnete er, daß seine Leiche über die gewöhnliche Zeit hinaus
beigesetzt werden sollte. In Vertragsverhältnissen fürchtete er in der Regel
betrogen zu werden."
Mit Chamfort meinte er, der Weisheit Anfang sei die Furcht vor den
Menschen. Mit Leopardi hielt er den Betrug für die Seele des gesellschaft¬
lichen Lebens und die Weit für eine Verschwörung der Schurken gegen die
ehrlichen Leute. Derselbe Mann, welcher lehrte, der beste Mensch sein, heißt
zwischen sich und den andern den wenigsten Unterschied machen, der schlechteste,
den meisten — hatte, wie der Evangelist Gwinner sich ausdrückt, „von der
Wiege bis zum Grabe die unerschütterliche Ueberzeugung", oder wie wir es
richtiger auszudrücken glauben, den wahnwitzigen Hochmuth, „daß ihn Sternen¬
weiten von denen trennten, mit denen er leben, die er lieben sollte." Gwinner
illustrirt das mit einer ganzen Reihe von Sprüchen seines Philosophen, von
denen wir einige besonders bezeichnende auswählen.
„Schon mit dreißig Jahren war er es herzlich müde, Wesen für seines
Gleichen ansehen zu müssen, die es wahrhaftig nicht seien. So lange die
Katze jung sei, spiele sie mit Papierkügelchen, weil sie solche für lebendig, für
etwas ihr selbst Aehnliches halte; aber wenn sie älter geworden, wisse sie was
es sei und lasse es liegen. So sei es ihm mit den dixoclss gegangen.
similis simili gucket: um von den Menschen geliebt zu werden, müßte
man ihnen ähnlich sein; das aber hole der Teufel! Was sie zusammenbringe
und zusammenhalte, sei ihre Gemeinheit, Kleinheit, Plattheit, Geistesschwache
und Erbärmlichkeit. Daher sei sein Gruß an alle bixoelös- xax vobiscum,
niliil a,mMu8."
„Fast jeden Contact mit Menschen hielt er in seinem reiferen Alter für
eine eontaminÄtiyn, ein ac-Aemont. Sie seien so beschaffen, daß wer im
24* ,
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