Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band."doch durch so geringfügige Umstände auf Jahre hinaus gestört und verkümmert "doch durch so geringfügige Umstände auf Jahre hinaus gestört und verkümmert <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0159" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113939"/> <p xml:id="ID_429" prev="#ID_428" next="#ID_430"> "doch durch so geringfügige Umstände auf Jahre hinaus gestört und verkümmert<lb/> werden soll. Daran knüpft sich folgerichtig der Wunsch, daß der gegenwärtige,<lb/> für die Zukunft des Handelsbundes so wichtige Zeitpunkt benutzt werden möge,<lb/> um eine bessere Organisation entweder durch Vereinbarung festzustellen, oder<lb/> durch Kündigung der Verträge anzubahnen. Müssen wir auch zugeben, .daß<lb/> durch die neueste Wendung der Dinge in Berlin die Aussichten auf einen<lb/> wünschenswerthen Fortschritt in der Organisation des Zollvneins wesentlich<lb/> gemindert find, so glauben wir doch in Beziehung auf die Nächstliegende Frage,<lb/> den Handelsvertrag mit Frankreich, keinen Besorgnissen Raum geben zu dürfen.<lb/> Mag die Zumuthung. eine Frage, welche Preußen an sie richtet, mit Ja zu<lb/> beantworten, dem Welsen und dem Wittelsbacher noch so schwer fallen; mögen<lb/> die vereinbarten Tarifsätze dem Schutzzöllner zu niedrig, dem Freihändler noch<lb/> immer zu hoch dünken; mag das Verbot der Nachbildung von Fabrikzeichen<lb/> und Mustern, die freie Zulassung von Geschäftsreisenden manchem Industriellen<lb/> nicht angenehm sein: den Ausschlag in der Sache geben doch ganz andere Be¬<lb/> trachtungen. Die Zeit der gegenseitigen Absperrung gegen die Bewegung der<lb/> Menschen und Güter ist für Europa vorüber. Die Länder wollen mit einan¬<lb/> der verkehren, sie wollen Arbeit und Producte gegenseitig austauschen. Preu¬<lb/> ßen hat im Jahre 1818 zuerst unter den größeren Staaten das Beispiel eines<lb/> verhältnißmäßig liberalen Tarifs aufgestellt. Allein die Fortschritte der an¬<lb/> deren, von England ausgegangen, von Frankreich aufgenommen, haben diesen,<lb/> ohnehin den geänderten Verhältnissen nicht mehr zusagenden Tarif weit hinter<lb/> sich zurück gelassen. Auch ohne Vertrag hätte der Vereinstarif bald einer<lb/> durchgreifenden Revision unterzogen werden müssen; daß diese mit dem Ver¬<lb/> trage zugleich eintritt, ist ein Vortheil, welcher dem Zollverein Antheil an dein<lb/> leichteren Verkehr mit Frankreich verschafft. Der Zollverein konnte unmöglich<lb/> mit seinem veralteten Tarife außerhalb der Umgestaltung des Völkerverkehrs<lb/> stehen bleiben, welche bald alle europäischen Länder in neue engere Beziehungen<lb/> bringen und kriegerische Störungen und Entscheidungen immer schwieriger und<lb/> seltener machen wird. Wie bei der Entstehung des Zollvereins und bei der<lb/> jeweiligen Erneuerung seiner Verträge, so werden auch diesmal Stimmen der<lb/> Unzufriedenheit über vermeintlich verletzte Interessen laut werden, politische<lb/> Engherzigkeit, particularistischer Unverstand, schlimme Leidenschaften werden sich<lb/> sehr breit machen; schließlich aber wird dennoch geschehen, was nicht zu ändern<lb/> ist: der Zollverein wird den Handelsvertrag mit Frankreich annehmen. An<lb/> diesem Erfolge zweifeln wir nicht, und wir werden uns desselben freuen.<lb/> Ob aber die wünschenswerthen Garantien für die Dauer und die zeitgemäße<lb/> Fortbildung, des Zollvereins durch Verbesserung seiner Organisation ebenfalls<lb/> gewonnen und am Schlüsse der gegenwärtigen Vcrtragsperiode eingeführt wer¬<lb/> den, ob wir alsdann keine neuen periodischen Verträge, sondern eine dauernde</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0159]
"doch durch so geringfügige Umstände auf Jahre hinaus gestört und verkümmert
werden soll. Daran knüpft sich folgerichtig der Wunsch, daß der gegenwärtige,
für die Zukunft des Handelsbundes so wichtige Zeitpunkt benutzt werden möge,
um eine bessere Organisation entweder durch Vereinbarung festzustellen, oder
durch Kündigung der Verträge anzubahnen. Müssen wir auch zugeben, .daß
durch die neueste Wendung der Dinge in Berlin die Aussichten auf einen
wünschenswerthen Fortschritt in der Organisation des Zollvneins wesentlich
gemindert find, so glauben wir doch in Beziehung auf die Nächstliegende Frage,
den Handelsvertrag mit Frankreich, keinen Besorgnissen Raum geben zu dürfen.
Mag die Zumuthung. eine Frage, welche Preußen an sie richtet, mit Ja zu
beantworten, dem Welsen und dem Wittelsbacher noch so schwer fallen; mögen
die vereinbarten Tarifsätze dem Schutzzöllner zu niedrig, dem Freihändler noch
immer zu hoch dünken; mag das Verbot der Nachbildung von Fabrikzeichen
und Mustern, die freie Zulassung von Geschäftsreisenden manchem Industriellen
nicht angenehm sein: den Ausschlag in der Sache geben doch ganz andere Be¬
trachtungen. Die Zeit der gegenseitigen Absperrung gegen die Bewegung der
Menschen und Güter ist für Europa vorüber. Die Länder wollen mit einan¬
der verkehren, sie wollen Arbeit und Producte gegenseitig austauschen. Preu¬
ßen hat im Jahre 1818 zuerst unter den größeren Staaten das Beispiel eines
verhältnißmäßig liberalen Tarifs aufgestellt. Allein die Fortschritte der an¬
deren, von England ausgegangen, von Frankreich aufgenommen, haben diesen,
ohnehin den geänderten Verhältnissen nicht mehr zusagenden Tarif weit hinter
sich zurück gelassen. Auch ohne Vertrag hätte der Vereinstarif bald einer
durchgreifenden Revision unterzogen werden müssen; daß diese mit dem Ver¬
trage zugleich eintritt, ist ein Vortheil, welcher dem Zollverein Antheil an dein
leichteren Verkehr mit Frankreich verschafft. Der Zollverein konnte unmöglich
mit seinem veralteten Tarife außerhalb der Umgestaltung des Völkerverkehrs
stehen bleiben, welche bald alle europäischen Länder in neue engere Beziehungen
bringen und kriegerische Störungen und Entscheidungen immer schwieriger und
seltener machen wird. Wie bei der Entstehung des Zollvereins und bei der
jeweiligen Erneuerung seiner Verträge, so werden auch diesmal Stimmen der
Unzufriedenheit über vermeintlich verletzte Interessen laut werden, politische
Engherzigkeit, particularistischer Unverstand, schlimme Leidenschaften werden sich
sehr breit machen; schließlich aber wird dennoch geschehen, was nicht zu ändern
ist: der Zollverein wird den Handelsvertrag mit Frankreich annehmen. An
diesem Erfolge zweifeln wir nicht, und wir werden uns desselben freuen.
Ob aber die wünschenswerthen Garantien für die Dauer und die zeitgemäße
Fortbildung, des Zollvereins durch Verbesserung seiner Organisation ebenfalls
gewonnen und am Schlüsse der gegenwärtigen Vcrtragsperiode eingeführt wer¬
den, ob wir alsdann keine neuen periodischen Verträge, sondern eine dauernde
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