Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Staaten zugesagt, und Frankreich hat erklärt, es setze voraus, daß die Zustim¬ In dieser Weise wirkt der mit Frankreich abgeschlossene Handelsvertrag Staaten zugesagt, und Frankreich hat erklärt, es setze voraus, daß die Zustim¬ In dieser Weise wirkt der mit Frankreich abgeschlossene Handelsvertrag <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113938"/> <p xml:id="ID_427" prev="#ID_426"> Staaten zugesagt, und Frankreich hat erklärt, es setze voraus, daß die Zustim¬<lb/> mung innerhalb Monatsfrist erfolge. Es kann den also umworbener Regie¬<lb/> rungen nur angenehm sein, ihr Selbstgefühl an den Zeichen so eifriger Be¬<lb/> mühung um ihr Jawort zu stärken; allein einige von ihnen werden auf den<lb/> weitern Genuß nicht verzichten wollen, die Bedenkzeit nach ihrem Gutdünken<lb/> zu verlängern. Zwar kann der Inhalt der Verträge die Zvllverbündeten nicht<lb/> überraschen, da sie von dem Gange der Verhandlungen fortwährend in Kennt¬<lb/> niß erhalten worden sind. Als im Spätherbste des vorigen Jahres die Ver¬<lb/> handlungen ins Stocken gerathen waren, wurden ihnen die Differenzpunkte<lb/> mitgetheilt, und sie erklärten sich einverstanden mit den Vorschlägen Preußens.<lb/> Aber es ist eine Genugthuung, welche der deutsche souveräne Particularismus<lb/> sich nicht gern versagt, die eigene Wichtigkeit suhlen zu lassen, und die erprobte<lb/> Langmuth Preußens auf immer neue Proben zu stellen. Baiern läßt, nach<lb/> Berichten öffentlicher Blätter, sämmtlichen Handelskammern die Actenstücke zu¬<lb/> gehen, außerordentliche Landtage stehen hier und dort in Aussicht, um über den<lb/> Vertrag zu berathen und zu beschließen. Es sind dies Nothbehelfe in Er¬<lb/> manglung einer Vertretung des gesammten Handelsbundes; allein nicht immer<lb/> werden sie benutzt, um die Entschließung über Gebühr hinauszuschieben. Im<lb/> vorliegenden Falle läßt sich voraussehen, daß die vierwöchentliche Frist längst<lb/> abgelaufen sein wird, bevor die Zustimmung sämmtlicher Zollverbündeten in<lb/> Berlin eintrifft. Ist dies aber geschehen, so wird es nöthig, den Vereinstarif<lb/> umzuarbeiten, um die zahlreichen Aenderungen, welche nach der bisherigen Ue¬<lb/> bung nicht ausschließlich für französische Erzeugnisse, sondern als allgemeine<lb/> Zollsätze für die Einfuhr in das Vcreinsgebiet gelten sollen, dem Tarife einzu¬<lb/> verleiben. Zu diesem Zwecke wird eine allgemeine Zollconferenz berufen wer¬<lb/> den, und ihre Arbeiten werden -— diese Behauptung ist nicht allzutuhn — im<lb/> Jahre 1862 kaum zum Abschlüsse kommen. Das Jahr 1863 aber muß<lb/> nach Maßgabe der Zollvereinsverträge die Entscheidung der Frage bringen, ob<lb/> von irgend einer Seite die Verträge gekündigt werden, oder nicht. Eine Kün¬<lb/> digung aber wird vor Ablauf des Jahres 1863 stattfinden müssen, wenn nicht<lb/> über die erforderlichen Modifikationen ein einstimmiger Beschluß vorher erzielt<lb/> wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_428" next="#ID_429"> In dieser Weise wirkt der mit Frankreich abgeschlossene Handelsvertrag<lb/> dem Inhalte und der Zeit nach wesentlich aus die Entscheidung über den Fort¬<lb/> bestand des Zollvereins ein. Das Zusammentreffen zweier Lebensfragen für<lb/> den deutschen Markt und seine Betheiligung an dem internationalen Verkehr<lb/> läßt die Mängel der Verfassung und Verwaltung in voller Stärke hervortreten,<lb/> insbesondere den Uebelstand, daß die Zukunft des deutschen Verkehrslebens der<lb/> Laune einer kleinen Regierung oder dem Zufall einer Abstimmung in einer<lb/> Kammer von 14 oder 7 Mitgliedern, wenn nicht gänzlich preisgegeben sein,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0158]
Staaten zugesagt, und Frankreich hat erklärt, es setze voraus, daß die Zustim¬
mung innerhalb Monatsfrist erfolge. Es kann den also umworbener Regie¬
rungen nur angenehm sein, ihr Selbstgefühl an den Zeichen so eifriger Be¬
mühung um ihr Jawort zu stärken; allein einige von ihnen werden auf den
weitern Genuß nicht verzichten wollen, die Bedenkzeit nach ihrem Gutdünken
zu verlängern. Zwar kann der Inhalt der Verträge die Zvllverbündeten nicht
überraschen, da sie von dem Gange der Verhandlungen fortwährend in Kennt¬
niß erhalten worden sind. Als im Spätherbste des vorigen Jahres die Ver¬
handlungen ins Stocken gerathen waren, wurden ihnen die Differenzpunkte
mitgetheilt, und sie erklärten sich einverstanden mit den Vorschlägen Preußens.
Aber es ist eine Genugthuung, welche der deutsche souveräne Particularismus
sich nicht gern versagt, die eigene Wichtigkeit suhlen zu lassen, und die erprobte
Langmuth Preußens auf immer neue Proben zu stellen. Baiern läßt, nach
Berichten öffentlicher Blätter, sämmtlichen Handelskammern die Actenstücke zu¬
gehen, außerordentliche Landtage stehen hier und dort in Aussicht, um über den
Vertrag zu berathen und zu beschließen. Es sind dies Nothbehelfe in Er¬
manglung einer Vertretung des gesammten Handelsbundes; allein nicht immer
werden sie benutzt, um die Entschließung über Gebühr hinauszuschieben. Im
vorliegenden Falle läßt sich voraussehen, daß die vierwöchentliche Frist längst
abgelaufen sein wird, bevor die Zustimmung sämmtlicher Zollverbündeten in
Berlin eintrifft. Ist dies aber geschehen, so wird es nöthig, den Vereinstarif
umzuarbeiten, um die zahlreichen Aenderungen, welche nach der bisherigen Ue¬
bung nicht ausschließlich für französische Erzeugnisse, sondern als allgemeine
Zollsätze für die Einfuhr in das Vcreinsgebiet gelten sollen, dem Tarife einzu¬
verleiben. Zu diesem Zwecke wird eine allgemeine Zollconferenz berufen wer¬
den, und ihre Arbeiten werden -— diese Behauptung ist nicht allzutuhn — im
Jahre 1862 kaum zum Abschlüsse kommen. Das Jahr 1863 aber muß
nach Maßgabe der Zollvereinsverträge die Entscheidung der Frage bringen, ob
von irgend einer Seite die Verträge gekündigt werden, oder nicht. Eine Kün¬
digung aber wird vor Ablauf des Jahres 1863 stattfinden müssen, wenn nicht
über die erforderlichen Modifikationen ein einstimmiger Beschluß vorher erzielt
wird.
In dieser Weise wirkt der mit Frankreich abgeschlossene Handelsvertrag
dem Inhalte und der Zeit nach wesentlich aus die Entscheidung über den Fort¬
bestand des Zollvereins ein. Das Zusammentreffen zweier Lebensfragen für
den deutschen Markt und seine Betheiligung an dem internationalen Verkehr
läßt die Mängel der Verfassung und Verwaltung in voller Stärke hervortreten,
insbesondere den Uebelstand, daß die Zukunft des deutschen Verkehrslebens der
Laune einer kleinen Regierung oder dem Zufall einer Abstimmung in einer
Kammer von 14 oder 7 Mitgliedern, wenn nicht gänzlich preisgegeben sein,
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