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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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das heilige Grab bewegte. Es war gleichsam eine Dankfeier für die fo eben
durch das Wunder des Feuers bestätigte göttliche Gnade.

Zuerst kamen koptische Bilder, dann der Priester dieser Secte, der Churi
mit seinen Diakonen, dann syrische Bilder, von kräftigen mesopotamisehen Jüng¬
lingen getragen, dann ein Diakon mit schwerem silbernen Kreuz, einem Weih¬
geschenk der sogenannten Thomaschristen auf der Küste Malabar, dann unser
Bischof Abd-en-Nur in prachtvollem Meßanzuge, geführt von zwei schlanken
abyssinischen Diakonen, gleich hinter ihm vier abyssinische Archimandriten, eben¬
falls mit bischöflichen Jnsignien und rosagvldbrokatenen Stolen angethan, von
deren Glänze die schwarzen bartlosen Gesichter und die schwarzen Hände wun¬
derlich abstachen, und nach diesen je zu zweien die übrige, theils hier ansässige
und theils zum Feste hergekommene syrische und abyssinische Geistlichkeit. Hier¬
nach erst folgte der armenische Klerus, dessen Zug durch zehn Tragbilder und
ein zahlreiches Sängerchor eingeleitet wurde. Dies letztere führte ein Laie
als Musagete an, welcher, um sichs in der heißen Luft bequemer zu machen,
in Hemdsärmeln einherschritt. In den Melodien unterscheiden sich die Arme¬
nier merklich von den Griechen; während diese näseln und dudeln, schreien
jene, doch ist ihr Gesang weniger unangenehm, weil er sich im Rhythmus dem
occidentalischen Charakter mehr nähert. In dem Aufzuge der Geistlichen selbst
wiederholte sich ungefähr, was wir bei den Griechen bereits beschrieben, nur
wurde hier noch mehr Prunk in Gewändern. Rauchpfannen u. f. w. entfaltet.
Zehn ältere Geistliche trugen bischöfliche Jnsignien, und Mehrere unter diesen
hatten, wie unser Abd-en-Nur, abyssinische Diakonen zur Seite, als sollte die
Katholicität des jakobitischen Christenthums sammt der dienenden Stellung der
Nachkommen Hams durch die Hautfarbe der Procedenten verdeutlicht werden.
Auffallend waren zwei kunstvoll in Silber getriebene etwa fußhohe Kirchenmo¬
delle, welche von Bischöfen getragen wurden; wahrscheinlich waren es Reli¬
quien. Das noch übrige Pilgerpublicum benahm sich bei dieser Schlußfeier,
welche ebenfalls in dreimaliger Umkreisung des heiligen Grabes bestand, 'durch¬
aus anständig.

Endlich kam unser Bischof zurück und ließ es seine erste Sorge sein, die ,
Leiter zu verschaffen und uns zu befreien. Wir dankten ihm für seine Gefällig¬
keit, und ich begleitete meine amerikanischen Gäste zur Kirche hinaus. Die
Dame war sehr aufgeregt und that eine Menge Fragen über das Geschehene;
auch ihr schweigsamer Gemahl öffnete einmal die Umzäunung seiner Zähne zu
der Bemerkung: "I Zuess, .ZoruKiüizm is a msriÄMr^ ot Stränge notions."
Eine Greisin in der Tracht irgend eines fernen nördlichen Landes, welche eben
gebückt und keuchend ihr Flämmchen in einer Blendlaterne an uns vorübertrug
und mit großmütterlicher Sorgfalt den Schatz, den Trost für ihr Stündlein,
behütete, gab eine passende Illustration für diesen Spruch, Bruder Jonathan
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das heilige Grab bewegte. Es war gleichsam eine Dankfeier für die fo eben
durch das Wunder des Feuers bestätigte göttliche Gnade.

Zuerst kamen koptische Bilder, dann der Priester dieser Secte, der Churi
mit seinen Diakonen, dann syrische Bilder, von kräftigen mesopotamisehen Jüng¬
lingen getragen, dann ein Diakon mit schwerem silbernen Kreuz, einem Weih¬
geschenk der sogenannten Thomaschristen auf der Küste Malabar, dann unser
Bischof Abd-en-Nur in prachtvollem Meßanzuge, geführt von zwei schlanken
abyssinischen Diakonen, gleich hinter ihm vier abyssinische Archimandriten, eben¬
falls mit bischöflichen Jnsignien und rosagvldbrokatenen Stolen angethan, von
deren Glänze die schwarzen bartlosen Gesichter und die schwarzen Hände wun¬
derlich abstachen, und nach diesen je zu zweien die übrige, theils hier ansässige
und theils zum Feste hergekommene syrische und abyssinische Geistlichkeit. Hier¬
nach erst folgte der armenische Klerus, dessen Zug durch zehn Tragbilder und
ein zahlreiches Sängerchor eingeleitet wurde. Dies letztere führte ein Laie
als Musagete an, welcher, um sichs in der heißen Luft bequemer zu machen,
in Hemdsärmeln einherschritt. In den Melodien unterscheiden sich die Arme¬
nier merklich von den Griechen; während diese näseln und dudeln, schreien
jene, doch ist ihr Gesang weniger unangenehm, weil er sich im Rhythmus dem
occidentalischen Charakter mehr nähert. In dem Aufzuge der Geistlichen selbst
wiederholte sich ungefähr, was wir bei den Griechen bereits beschrieben, nur
wurde hier noch mehr Prunk in Gewändern. Rauchpfannen u. f. w. entfaltet.
Zehn ältere Geistliche trugen bischöfliche Jnsignien, und Mehrere unter diesen
hatten, wie unser Abd-en-Nur, abyssinische Diakonen zur Seite, als sollte die
Katholicität des jakobitischen Christenthums sammt der dienenden Stellung der
Nachkommen Hams durch die Hautfarbe der Procedenten verdeutlicht werden.
Auffallend waren zwei kunstvoll in Silber getriebene etwa fußhohe Kirchenmo¬
delle, welche von Bischöfen getragen wurden; wahrscheinlich waren es Reli¬
quien. Das noch übrige Pilgerpublicum benahm sich bei dieser Schlußfeier,
welche ebenfalls in dreimaliger Umkreisung des heiligen Grabes bestand, 'durch¬
aus anständig.

Endlich kam unser Bischof zurück und ließ es seine erste Sorge sein, die ,
Leiter zu verschaffen und uns zu befreien. Wir dankten ihm für seine Gefällig¬
keit, und ich begleitete meine amerikanischen Gäste zur Kirche hinaus. Die
Dame war sehr aufgeregt und that eine Menge Fragen über das Geschehene;
auch ihr schweigsamer Gemahl öffnete einmal die Umzäunung seiner Zähne zu
der Bemerkung: „I Zuess, .ZoruKiüizm is a msriÄMr^ ot Stränge notions."
Eine Greisin in der Tracht irgend eines fernen nördlichen Landes, welche eben
gebückt und keuchend ihr Flämmchen in einer Blendlaterne an uns vorübertrug
und mit großmütterlicher Sorgfalt den Schatz, den Trost für ihr Stündlein,
behütete, gab eine passende Illustration für diesen Spruch, Bruder Jonathan
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/147>, abgerufen am 06.01.2025.