Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.in einer unangenehmen Verbindung mit den Demagogen der Pflastersteine Immer wieder muß gesagt werden, daß jeder große Erfolg des Liberalis¬ -Die Schuld, daß es so gekommen ist. tragen alle Theile. Und es wäre un¬ Die Gefahr aber, welche in der Gegenwart dem preußischen Staate droht, in einer unangenehmen Verbindung mit den Demagogen der Pflastersteine Immer wieder muß gesagt werden, daß jeder große Erfolg des Liberalis¬ -Die Schuld, daß es so gekommen ist. tragen alle Theile. Und es wäre un¬ Die Gefahr aber, welche in der Gegenwart dem preußischen Staate droht, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113906"/> <p xml:id="ID_324" prev="#ID_323"> in einer unangenehmen Verbindung mit den Demagogen der Pflastersteine<lb/> stand. Auch sie bat, wie wir alle, an den Lehren und Leiden des letzten Jahr¬<lb/> zehnts ihren Theil gehabt, sie ist gegenwärtig die Schule geworden, in welcher<lb/> ein großer Theil der jungen Kraft Preußens sich für das öffentliche Leben<lb/> heranbildet. Es mag für den Gentleman unserer altliberalen Partei unbe¬<lb/> quem, zuweilen sogar peinlich sein, die Launen, den Mangel an parlamentari¬<lb/> scher Zucht und das heftigere Temperament dieser jüngern Rivalen zu ertragen,<lb/> er wird sich doch dazu überwinden müssen. Ja. das Interesse Preußens for¬<lb/> dert noch mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_325"> Immer wieder muß gesagt werden, daß jeder große Erfolg des Liberalis¬<lb/> mus, alles Ansehen Preußens in Deutschland und Europa von einer Vereini¬<lb/> gung der beiden großen liberalen Fractionen abhängt. Es gab im vorigen<lb/> Jahre einige Wochen, wo man ,eine solche Hoffnung hegen durfte; und diese<lb/> Wochen waren es, in denen ein fröhliches Vertrauen auf die Kraft Preußens<lb/> die Gemüther durch ganz Deutschland erhob. Die Reden bei der Krönung, das<lb/> Verhalten der liberalen Minister gegen die Fortschrittsmänner im Abgeordneten-<lb/> Hanse, das Gezänk der Tagespresse, haben damals eben so sehr, als der arg¬<lb/> wöhnische Eifer der neuen Partei, diese nothwendige Vereinigung gehindert.<lb/> Die Folgen dieser Fehler haben wir jetzt zu tragen. Popularität und<lb/> Ansehn der höchsten Staatsautorität haben Einbuße erfahren, die liberalen Mi¬<lb/> nister sind aus ihren Stellen entfernt, in Preußen ist Unzufriedenheit, außer¬<lb/> halb Preußens Mangel an Respect allgemein geworden, die Thätigkeit der gro¬<lb/> ßen Staatsmaschine nach innen -und außen ist gehemmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_326"> -Die Schuld, daß es so gekommen ist. tragen alle Theile. Und es wäre un¬<lb/> erklärlich, wie verständiger Sinn der Parteiführer in Preußen sich der einfachen<lb/> Wahrheit verschließen konnte, daß Einigkeit stark macht, wenn man nicht wüßte,<lb/> daß persönliche Gegensätze in der Politik fast immer die Gegensätze in den<lb/> Ueberzeugungen zu überleben Pflegen. Denn im Großen betrachtet ist die Ver¬<lb/> schiedenheit der politischen Ueberzeugungen zwischen dem gemäßigten Führer der<lb/> Fortschrittspartei und dem liberalen Parteigenossen der Konstitutionellen so ge¬<lb/> ring, daß er fast nur in kleinen Verschiedenheiten des Temperaments, des Alters,<lb/> der gemüthlichen Neigungen beruht.</p><lb/> <p xml:id="ID_327" next="#ID_328"> Die Gefahr aber, welche in der Gegenwart dem preußischen Staate droht,<lb/> ist erstens! daß das neue Ministerium, wie gemäßigt es auch legieren wolle, durch<lb/> den Haß der Liberalen immer weiter nach rechts gedrängt wird, bis es die<lb/> Majestät der Krone zu einem Vundcsgenossen der feudalen Partei herabwür¬<lb/> digt und den alten verhaßten Polizeistaat neu einrichtet, um sich zu halten.<lb/> Ferner. daß die Fortschrittspartei in einem herben Kampfe gegen ein rcactio-<lb/> näres Ministerium an Geduld und Vertrauen verliert und mit einen Pessimismus<lb/> erfüllt wird, der dem Staate zum Unsegen werden muß; endlich, daß die >c>le-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
in einer unangenehmen Verbindung mit den Demagogen der Pflastersteine
stand. Auch sie bat, wie wir alle, an den Lehren und Leiden des letzten Jahr¬
zehnts ihren Theil gehabt, sie ist gegenwärtig die Schule geworden, in welcher
ein großer Theil der jungen Kraft Preußens sich für das öffentliche Leben
heranbildet. Es mag für den Gentleman unserer altliberalen Partei unbe¬
quem, zuweilen sogar peinlich sein, die Launen, den Mangel an parlamentari¬
scher Zucht und das heftigere Temperament dieser jüngern Rivalen zu ertragen,
er wird sich doch dazu überwinden müssen. Ja. das Interesse Preußens for¬
dert noch mehr.
Immer wieder muß gesagt werden, daß jeder große Erfolg des Liberalis¬
mus, alles Ansehen Preußens in Deutschland und Europa von einer Vereini¬
gung der beiden großen liberalen Fractionen abhängt. Es gab im vorigen
Jahre einige Wochen, wo man ,eine solche Hoffnung hegen durfte; und diese
Wochen waren es, in denen ein fröhliches Vertrauen auf die Kraft Preußens
die Gemüther durch ganz Deutschland erhob. Die Reden bei der Krönung, das
Verhalten der liberalen Minister gegen die Fortschrittsmänner im Abgeordneten-
Hanse, das Gezänk der Tagespresse, haben damals eben so sehr, als der arg¬
wöhnische Eifer der neuen Partei, diese nothwendige Vereinigung gehindert.
Die Folgen dieser Fehler haben wir jetzt zu tragen. Popularität und
Ansehn der höchsten Staatsautorität haben Einbuße erfahren, die liberalen Mi¬
nister sind aus ihren Stellen entfernt, in Preußen ist Unzufriedenheit, außer¬
halb Preußens Mangel an Respect allgemein geworden, die Thätigkeit der gro¬
ßen Staatsmaschine nach innen -und außen ist gehemmt.
-Die Schuld, daß es so gekommen ist. tragen alle Theile. Und es wäre un¬
erklärlich, wie verständiger Sinn der Parteiführer in Preußen sich der einfachen
Wahrheit verschließen konnte, daß Einigkeit stark macht, wenn man nicht wüßte,
daß persönliche Gegensätze in der Politik fast immer die Gegensätze in den
Ueberzeugungen zu überleben Pflegen. Denn im Großen betrachtet ist die Ver¬
schiedenheit der politischen Ueberzeugungen zwischen dem gemäßigten Führer der
Fortschrittspartei und dem liberalen Parteigenossen der Konstitutionellen so ge¬
ring, daß er fast nur in kleinen Verschiedenheiten des Temperaments, des Alters,
der gemüthlichen Neigungen beruht.
Die Gefahr aber, welche in der Gegenwart dem preußischen Staate droht,
ist erstens! daß das neue Ministerium, wie gemäßigt es auch legieren wolle, durch
den Haß der Liberalen immer weiter nach rechts gedrängt wird, bis es die
Majestät der Krone zu einem Vundcsgenossen der feudalen Partei herabwür¬
digt und den alten verhaßten Polizeistaat neu einrichtet, um sich zu halten.
Ferner. daß die Fortschrittspartei in einem herben Kampfe gegen ein rcactio-
näres Ministerium an Geduld und Vertrauen verliert und mit einen Pessimismus
erfüllt wird, der dem Staate zum Unsegen werden muß; endlich, daß die >c>le-
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