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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Staatsanleihen von 1850 und 1852 von 4'/2 auf 4"/°! ein Aufsatz in dem Or¬
gane des Handelsministeriums, dem .Preußischen Handelsarchive" und der, ohne
vorgängige Genehmigung des Ministeriums veröffentlichte Brief des Herrn v. d.
Heydt an den Kriegsminister, Herr v. Roon, vom 21 März.

Die Convertirung der beiden Anleihen war durch Herrn v. Patow vorbereitet.
Sie war angezeigt durch das Sinken des allgemeinen Zinsfußes, welches den
Preis der Schuldverschreibungen seit geraumer Zeit über ihren Nennwerth ge¬
hoben hatte. Keine Verpflichtung gegen die Inhaber' stand der Ausführung
entgegen. Die Art der Ausführung gehört dagegen Herrn v. d. Heydt. Sein
Vorgänger hatte, Ivie wir vernehmen, mit einer größern Anzahl Berliner Bank¬
häuser einleitende Besprechungen gepflogen. Sie würden bei ihrer ausgebreiteten
Kundschaft die Operation befürwortet und in ihrem eigenen Interesse dafür
gesorgt haben, daß möglichst viele Inhaber sich die Minderung ihres Einkommens
gefallen ließen, möglichst wenige sich zur Annahme der Kündigung entschlossen.
Nicht so Herr v. d. Heydt. Ihm lag es näher, die Operation mit den kolossalen
Mitteln der Bank und der Seehandlung durchzuführen. Kein Zweifel, daß
diese Mittel ausreichen. Aber die Stimmung wendete sich gegen die Maßregel.
Den unschlüssiger Inhabern wird begreiflich gemacht, daß sie sich besser dabei
stehen, wenn sie die Papiere verkaufen oder die Kündigung annehmen und den
Erlös zum Ankauf gut fundirter und rentirender Actien oder Obligationen ver¬
wenden. Dasselbe beschließen die Magistrate von Berlin und anderen Städten in
Beziehung auf die in städtischem Besitze befindlichen Papiere. Voraussichtlich
wird sonach der weitaus größte Theil der an die Stelle der 4V- procentigen
tretenden 4 procentigen Papiere in die Schränke der Bank und der Seehand-
lung wandern und nur mit Opfern für die Institute, mittelbar für den Staat,
veräußert werden können. -- Ist dieses Verfahren des Ministers von der finan¬
ziellen Seite nicht zu loben, so verdient es von der constitutionellen Seite
entschiedenen Tadel. Angenommen, es sei die Mitwirkung der Stände zu der
Maßregel nicht nothwendig, so ist doch die Frage zweifelhaft, und selbst wenn
kein Zweifel bestünde, so war die Vorlage an die Landesvertretung durch den
Geist der Verfassung und durch die Rücksicht für den Erfolg geboten. Jetzt,
wo das Mißlingen der Operation in so fern, als nicht die bisherigen Inhaber,
sondern die Bank und die Seehandlung die neuen 4 procentigen Papiere über¬
nehmen werden, wahrscheinlich ist, und wo die nachträglichen Verhandlungen
mit Bankhäusern fruchtlos geblieben sind, mag Herr v. d, Heydt einsehen, daß
er in dem Gefühle des Sieges, in dem Drange, sich zu zeigen und in dem Zuge,
eigenmächtig vorzugehen, sich übereilt hat. Es ist dieses erste Probestück alni-
. serieller Machtfülle kein gutes Vorzeichen für ihre weitere Entfaltung und ihr
endliches Ziel.

Dn Artikel in der neuesten Nummer des Preußischen Handels-Archivs er-


Staatsanleihen von 1850 und 1852 von 4'/2 auf 4"/°! ein Aufsatz in dem Or¬
gane des Handelsministeriums, dem .Preußischen Handelsarchive" und der, ohne
vorgängige Genehmigung des Ministeriums veröffentlichte Brief des Herrn v. d.
Heydt an den Kriegsminister, Herr v. Roon, vom 21 März.

Die Convertirung der beiden Anleihen war durch Herrn v. Patow vorbereitet.
Sie war angezeigt durch das Sinken des allgemeinen Zinsfußes, welches den
Preis der Schuldverschreibungen seit geraumer Zeit über ihren Nennwerth ge¬
hoben hatte. Keine Verpflichtung gegen die Inhaber' stand der Ausführung
entgegen. Die Art der Ausführung gehört dagegen Herrn v. d. Heydt. Sein
Vorgänger hatte, Ivie wir vernehmen, mit einer größern Anzahl Berliner Bank¬
häuser einleitende Besprechungen gepflogen. Sie würden bei ihrer ausgebreiteten
Kundschaft die Operation befürwortet und in ihrem eigenen Interesse dafür
gesorgt haben, daß möglichst viele Inhaber sich die Minderung ihres Einkommens
gefallen ließen, möglichst wenige sich zur Annahme der Kündigung entschlossen.
Nicht so Herr v. d. Heydt. Ihm lag es näher, die Operation mit den kolossalen
Mitteln der Bank und der Seehandlung durchzuführen. Kein Zweifel, daß
diese Mittel ausreichen. Aber die Stimmung wendete sich gegen die Maßregel.
Den unschlüssiger Inhabern wird begreiflich gemacht, daß sie sich besser dabei
stehen, wenn sie die Papiere verkaufen oder die Kündigung annehmen und den
Erlös zum Ankauf gut fundirter und rentirender Actien oder Obligationen ver¬
wenden. Dasselbe beschließen die Magistrate von Berlin und anderen Städten in
Beziehung auf die in städtischem Besitze befindlichen Papiere. Voraussichtlich
wird sonach der weitaus größte Theil der an die Stelle der 4V- procentigen
tretenden 4 procentigen Papiere in die Schränke der Bank und der Seehand-
lung wandern und nur mit Opfern für die Institute, mittelbar für den Staat,
veräußert werden können. — Ist dieses Verfahren des Ministers von der finan¬
ziellen Seite nicht zu loben, so verdient es von der constitutionellen Seite
entschiedenen Tadel. Angenommen, es sei die Mitwirkung der Stände zu der
Maßregel nicht nothwendig, so ist doch die Frage zweifelhaft, und selbst wenn
kein Zweifel bestünde, so war die Vorlage an die Landesvertretung durch den
Geist der Verfassung und durch die Rücksicht für den Erfolg geboten. Jetzt,
wo das Mißlingen der Operation in so fern, als nicht die bisherigen Inhaber,
sondern die Bank und die Seehandlung die neuen 4 procentigen Papiere über¬
nehmen werden, wahrscheinlich ist, und wo die nachträglichen Verhandlungen
mit Bankhäusern fruchtlos geblieben sind, mag Herr v. d, Heydt einsehen, daß
er in dem Gefühle des Sieges, in dem Drange, sich zu zeigen und in dem Zuge,
eigenmächtig vorzugehen, sich übereilt hat. Es ist dieses erste Probestück alni-
. serieller Machtfülle kein gutes Vorzeichen für ihre weitere Entfaltung und ihr
endliches Ziel.

Dn Artikel in der neuesten Nummer des Preußischen Handels-Archivs er-


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[0119] Staatsanleihen von 1850 und 1852 von 4'/2 auf 4"/°! ein Aufsatz in dem Or¬ gane des Handelsministeriums, dem .Preußischen Handelsarchive" und der, ohne vorgängige Genehmigung des Ministeriums veröffentlichte Brief des Herrn v. d. Heydt an den Kriegsminister, Herr v. Roon, vom 21 März. Die Convertirung der beiden Anleihen war durch Herrn v. Patow vorbereitet. Sie war angezeigt durch das Sinken des allgemeinen Zinsfußes, welches den Preis der Schuldverschreibungen seit geraumer Zeit über ihren Nennwerth ge¬ hoben hatte. Keine Verpflichtung gegen die Inhaber' stand der Ausführung entgegen. Die Art der Ausführung gehört dagegen Herrn v. d. Heydt. Sein Vorgänger hatte, Ivie wir vernehmen, mit einer größern Anzahl Berliner Bank¬ häuser einleitende Besprechungen gepflogen. Sie würden bei ihrer ausgebreiteten Kundschaft die Operation befürwortet und in ihrem eigenen Interesse dafür gesorgt haben, daß möglichst viele Inhaber sich die Minderung ihres Einkommens gefallen ließen, möglichst wenige sich zur Annahme der Kündigung entschlossen. Nicht so Herr v. d. Heydt. Ihm lag es näher, die Operation mit den kolossalen Mitteln der Bank und der Seehandlung durchzuführen. Kein Zweifel, daß diese Mittel ausreichen. Aber die Stimmung wendete sich gegen die Maßregel. Den unschlüssiger Inhabern wird begreiflich gemacht, daß sie sich besser dabei stehen, wenn sie die Papiere verkaufen oder die Kündigung annehmen und den Erlös zum Ankauf gut fundirter und rentirender Actien oder Obligationen ver¬ wenden. Dasselbe beschließen die Magistrate von Berlin und anderen Städten in Beziehung auf die in städtischem Besitze befindlichen Papiere. Voraussichtlich wird sonach der weitaus größte Theil der an die Stelle der 4V- procentigen tretenden 4 procentigen Papiere in die Schränke der Bank und der Seehand- lung wandern und nur mit Opfern für die Institute, mittelbar für den Staat, veräußert werden können. — Ist dieses Verfahren des Ministers von der finan¬ ziellen Seite nicht zu loben, so verdient es von der constitutionellen Seite entschiedenen Tadel. Angenommen, es sei die Mitwirkung der Stände zu der Maßregel nicht nothwendig, so ist doch die Frage zweifelhaft, und selbst wenn kein Zweifel bestünde, so war die Vorlage an die Landesvertretung durch den Geist der Verfassung und durch die Rücksicht für den Erfolg geboten. Jetzt, wo das Mißlingen der Operation in so fern, als nicht die bisherigen Inhaber, sondern die Bank und die Seehandlung die neuen 4 procentigen Papiere über¬ nehmen werden, wahrscheinlich ist, und wo die nachträglichen Verhandlungen mit Bankhäusern fruchtlos geblieben sind, mag Herr v. d, Heydt einsehen, daß er in dem Gefühle des Sieges, in dem Drange, sich zu zeigen und in dem Zuge, eigenmächtig vorzugehen, sich übereilt hat. Es ist dieses erste Probestück alni- . serieller Machtfülle kein gutes Vorzeichen für ihre weitere Entfaltung und ihr endliches Ziel. Dn Artikel in der neuesten Nummer des Preußischen Handels-Archivs er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/119>, abgerufen am 08.01.2025.