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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Ihr bloßes Dasein verstimmte das Herrenhaus. Einem von liberalen Elementen
gereinigten Ministerium war eine freundlichere Begegnung und mehr Geneigt¬
heit zu Transactionen in Aussicht gestellt. Schon geraume Zeit vor den Wahlen
des 6. December vernahm man in den Kreisen der hohen Civil- und Militär,
bureautratie Aeußerungen der Zuversicht, daß Alles gut gehen werde, wenn nur
die "liberalen Schwätzer" beseitigt seien. Nicht das Haus der Abgeordneten
hat mit seiner Mehrheit für den Hagen'schen Antrag den Ministerwechscl bewirkt.
Dieser war längst schon beschlossen. Herr v. d. Heydt ist es, welcher den stillen
Wunsch einer vornehmen Gesellschaft verwirklichte, und wenn er dabei gegen
seine jüngeren Eollegen nicht durch zu große Offenheit glänzte, vielmehr ihre
Arglosigkeit noch zu dem letzten Dienste der Auflösung des Hauses der Abge¬
ordneten ausnutzte, so werden seine ältern Eollegen von 1848 bis 1858 darüber'
sich nicht gewundert haben.

Der 18. März sah Herrn v. d. Heydt als Sieger, thatsächlich, wenn auch
nicht dem Namen nach, an der Spitze eines neuen Ministeriums. Er hat die
Arme frei, und kann nun zeigen, was er vermag. Während der letzten drei
Jahre war sein Verbleiben in dem Ministerium das sichtbare Zeichen, daß mit
der Vergangenheit nicht gebrochen werden solle. Jetzt gilt es. zu beweisen, daß
Preußens Wehrkraft verstärkt, die Steuerlast erleichtert, mancher begründeten
Beschwerde abgeholfen, der Wohlstand gehoben, kurz daß jeder billigen An¬
forderung genügt werden kann, mit dem Herrenhause, ohne liberale Minister,
nut ober ohne liberale Mehrheit im Hause der Gemeinen.

So ungefähr wird Herr v. d Heydt sich die Aufgabe vorstellen, welche er
mit der Zuversicht, dle seine bisherige Laufbahn ihm wohl gewähren kann, zu
löjen unternommen hat. Mögen andere Minister ihr Alles auf die Eine Karte
der neuen Wahlen setzen, und wenn das nächste Ergebniß nicht entspricht, zu
einer zweiten Auflösung entschlossen sein, -- Herr v. d. Heydt hat noch, andere
Waffen in Bereitschaft. Nicht als ob er es verschmähte, seine Untergebenen
daran zu erinnern, baß sie nach Vorschrift ihre Stimme abzugeben haben. Im
Gegentheile, sein Wahlcircular ist das bündigste von Allen. Wie Aeolus seinen
pausbäckigen Bläsern, so donnert Herr v. d. Heste seinen munteren Postillionen
und Schaffnern sein lzuoL o^o zu. Sie wissen, was dies bedeutet, und es
genügt vollkommen. Wenn Herr v. d. Heydt seinen Untergebenen sagt, ich
du-ide nicht, daß ihr euch an regierungsfeindlichen Wahl-Agitationen betheiligt,
so ist es rein überflüssig, von der Arage^ ob königliches oder parlamentarisches
Regiment, von dem Kampfe zwischen Königthum und Demokratie und von der¬
gleichen schwer verständlichen Verhältnissen zu reden. Für die Wahlen also hat
Herr v. d. Heydt das Seinige gethan, aber, wie gesagt, nur für servile, nicht
für feudale. Dies ist jedoch das Wenigste, was er zu thun gedenkt. -- Für
diese Ansicht sprechen: die angeordnete Ermäßigung des Zinsfußes der beiden


Ihr bloßes Dasein verstimmte das Herrenhaus. Einem von liberalen Elementen
gereinigten Ministerium war eine freundlichere Begegnung und mehr Geneigt¬
heit zu Transactionen in Aussicht gestellt. Schon geraume Zeit vor den Wahlen
des 6. December vernahm man in den Kreisen der hohen Civil- und Militär,
bureautratie Aeußerungen der Zuversicht, daß Alles gut gehen werde, wenn nur
die „liberalen Schwätzer" beseitigt seien. Nicht das Haus der Abgeordneten
hat mit seiner Mehrheit für den Hagen'schen Antrag den Ministerwechscl bewirkt.
Dieser war längst schon beschlossen. Herr v. d. Heydt ist es, welcher den stillen
Wunsch einer vornehmen Gesellschaft verwirklichte, und wenn er dabei gegen
seine jüngeren Eollegen nicht durch zu große Offenheit glänzte, vielmehr ihre
Arglosigkeit noch zu dem letzten Dienste der Auflösung des Hauses der Abge¬
ordneten ausnutzte, so werden seine ältern Eollegen von 1848 bis 1858 darüber'
sich nicht gewundert haben.

Der 18. März sah Herrn v. d. Heydt als Sieger, thatsächlich, wenn auch
nicht dem Namen nach, an der Spitze eines neuen Ministeriums. Er hat die
Arme frei, und kann nun zeigen, was er vermag. Während der letzten drei
Jahre war sein Verbleiben in dem Ministerium das sichtbare Zeichen, daß mit
der Vergangenheit nicht gebrochen werden solle. Jetzt gilt es. zu beweisen, daß
Preußens Wehrkraft verstärkt, die Steuerlast erleichtert, mancher begründeten
Beschwerde abgeholfen, der Wohlstand gehoben, kurz daß jeder billigen An¬
forderung genügt werden kann, mit dem Herrenhause, ohne liberale Minister,
nut ober ohne liberale Mehrheit im Hause der Gemeinen.

So ungefähr wird Herr v. d Heydt sich die Aufgabe vorstellen, welche er
mit der Zuversicht, dle seine bisherige Laufbahn ihm wohl gewähren kann, zu
löjen unternommen hat. Mögen andere Minister ihr Alles auf die Eine Karte
der neuen Wahlen setzen, und wenn das nächste Ergebniß nicht entspricht, zu
einer zweiten Auflösung entschlossen sein, — Herr v. d. Heydt hat noch, andere
Waffen in Bereitschaft. Nicht als ob er es verschmähte, seine Untergebenen
daran zu erinnern, baß sie nach Vorschrift ihre Stimme abzugeben haben. Im
Gegentheile, sein Wahlcircular ist das bündigste von Allen. Wie Aeolus seinen
pausbäckigen Bläsern, so donnert Herr v. d. Heste seinen munteren Postillionen
und Schaffnern sein lzuoL o^o zu. Sie wissen, was dies bedeutet, und es
genügt vollkommen. Wenn Herr v. d. Heydt seinen Untergebenen sagt, ich
du-ide nicht, daß ihr euch an regierungsfeindlichen Wahl-Agitationen betheiligt,
so ist es rein überflüssig, von der Arage^ ob königliches oder parlamentarisches
Regiment, von dem Kampfe zwischen Königthum und Demokratie und von der¬
gleichen schwer verständlichen Verhältnissen zu reden. Für die Wahlen also hat
Herr v. d. Heydt das Seinige gethan, aber, wie gesagt, nur für servile, nicht
für feudale. Dies ist jedoch das Wenigste, was er zu thun gedenkt. — Für
diese Ansicht sprechen: die angeordnete Ermäßigung des Zinsfußes der beiden


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[0118] Ihr bloßes Dasein verstimmte das Herrenhaus. Einem von liberalen Elementen gereinigten Ministerium war eine freundlichere Begegnung und mehr Geneigt¬ heit zu Transactionen in Aussicht gestellt. Schon geraume Zeit vor den Wahlen des 6. December vernahm man in den Kreisen der hohen Civil- und Militär, bureautratie Aeußerungen der Zuversicht, daß Alles gut gehen werde, wenn nur die „liberalen Schwätzer" beseitigt seien. Nicht das Haus der Abgeordneten hat mit seiner Mehrheit für den Hagen'schen Antrag den Ministerwechscl bewirkt. Dieser war längst schon beschlossen. Herr v. d. Heydt ist es, welcher den stillen Wunsch einer vornehmen Gesellschaft verwirklichte, und wenn er dabei gegen seine jüngeren Eollegen nicht durch zu große Offenheit glänzte, vielmehr ihre Arglosigkeit noch zu dem letzten Dienste der Auflösung des Hauses der Abge¬ ordneten ausnutzte, so werden seine ältern Eollegen von 1848 bis 1858 darüber' sich nicht gewundert haben. Der 18. März sah Herrn v. d. Heydt als Sieger, thatsächlich, wenn auch nicht dem Namen nach, an der Spitze eines neuen Ministeriums. Er hat die Arme frei, und kann nun zeigen, was er vermag. Während der letzten drei Jahre war sein Verbleiben in dem Ministerium das sichtbare Zeichen, daß mit der Vergangenheit nicht gebrochen werden solle. Jetzt gilt es. zu beweisen, daß Preußens Wehrkraft verstärkt, die Steuerlast erleichtert, mancher begründeten Beschwerde abgeholfen, der Wohlstand gehoben, kurz daß jeder billigen An¬ forderung genügt werden kann, mit dem Herrenhause, ohne liberale Minister, nut ober ohne liberale Mehrheit im Hause der Gemeinen. So ungefähr wird Herr v. d Heydt sich die Aufgabe vorstellen, welche er mit der Zuversicht, dle seine bisherige Laufbahn ihm wohl gewähren kann, zu löjen unternommen hat. Mögen andere Minister ihr Alles auf die Eine Karte der neuen Wahlen setzen, und wenn das nächste Ergebniß nicht entspricht, zu einer zweiten Auflösung entschlossen sein, — Herr v. d. Heydt hat noch, andere Waffen in Bereitschaft. Nicht als ob er es verschmähte, seine Untergebenen daran zu erinnern, baß sie nach Vorschrift ihre Stimme abzugeben haben. Im Gegentheile, sein Wahlcircular ist das bündigste von Allen. Wie Aeolus seinen pausbäckigen Bläsern, so donnert Herr v. d. Heste seinen munteren Postillionen und Schaffnern sein lzuoL o^o zu. Sie wissen, was dies bedeutet, und es genügt vollkommen. Wenn Herr v. d. Heydt seinen Untergebenen sagt, ich du-ide nicht, daß ihr euch an regierungsfeindlichen Wahl-Agitationen betheiligt, so ist es rein überflüssig, von der Arage^ ob königliches oder parlamentarisches Regiment, von dem Kampfe zwischen Königthum und Demokratie und von der¬ gleichen schwer verständlichen Verhältnissen zu reden. Für die Wahlen also hat Herr v. d. Heydt das Seinige gethan, aber, wie gesagt, nur für servile, nicht für feudale. Dies ist jedoch das Wenigste, was er zu thun gedenkt. — Für diese Ansicht sprechen: die angeordnete Ermäßigung des Zinsfußes der beiden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/118>, abgerufen am 06.01.2025.