Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.dieser Weise hat H. Mücke (Düsseldorf) das Leben des heil. Meinrad von Zol¬ Das alteTestament bietet auch jetzt noch dem Künstler dankbare Stosse; einNück- Grenzbote" II. I"62. ^
dieser Weise hat H. Mücke (Düsseldorf) das Leben des heil. Meinrad von Zol¬ Das alteTestament bietet auch jetzt noch dem Künstler dankbare Stosse; einNück- Grenzbote» II. I«62. ^
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0105" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113885"/> <p xml:id="ID_267" prev="#ID_266"> dieser Weise hat H. Mücke (Düsseldorf) das Leben des heil. Meinrad von Zol¬<lb/> lern in einem Cyklus von Gemälden dargestellt; es war ihm hier um so mehr<lb/> Gelegenheit gegeben, kräftige, individuelle, lebensfrische Menschen zu bilden,<lb/> als er größtentheils wirkliche Vorgänge zu schildern und in seinen Figuren<lb/> Portraits lebender Personen anzubringen hatte. Der süße und mattherzige<lb/> Ausdruck, den alle Köpfe haben, die gezierte Bewegung der Körper, die manie-<lb/> rirte Behandlung: das Alles zeigt, w>e durch die Tradition der neuen christ¬<lb/> lichen Kunst die Anschauungsweise und die Hand des Malers auch sür solche<lb/> Stoffe verdorben sind. Bei einem „Martyrium des heil. Stephanus" von<lb/> I. Hübner (Dresden) merkt man wohl, daß es vornehmlich auf eine edle Kom¬<lb/> position und Bildung der Körper im Sinne der großen italienischen Meister<lb/> abgesehen ist; aber hier fehlt es wieder zu sehr an dem tieferen Verständniß<lb/> der Form und der gründlichen künstlerischen Uebung, als daß uns die Behand¬<lb/> lung für den abgestandenen Stoff entschädigen könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_268" next="#ID_269"> Das alteTestament bietet auch jetzt noch dem Künstler dankbare Stosse; einNück-<lb/> blick zeigt, daß es nicht die schlechtesten Werte send, die unser Jahrhundert aus diesem<lb/> Gebiete hervorgebracht hat. Die Einkleidung der wirklichen Geschichte in ein<lb/> sagenhaftes, phantasievolles Gewand, die große und doch durchweg bildliche<lb/> Borstellungsweise des alten jüdischen Stammes, endlich das vertraute Verhält¬<lb/> niß des Beschauers zum Gegenstände: das Alles kommt der malerischen Dar¬<lb/> stellung zu Gute. Also deshalb ist diese Welt dem Künstler günstig, nicht, weil<lb/> sie der ahnungsvolle Schoos des Christenthums ist und auf dieses hinübcrweist.<lb/> Daher find uns die Abraham's/ die Propheten, die Judith, die Samson und<lb/> Delila noch immer willkommen, wenn nur der Maler diese Gestalten mit tüch¬<lb/> tigem Formen- und Farbensinn zum Leben herauszubilden versteht. Und zwar<lb/> wird hier der Beschauer weniger Anspruch auf derb-realistische Wahrheit machen,<lb/> als auf einen gewissen idealen Zug und Schwung, der ihn in das reine Be¬<lb/> reich der Kunst erhebt, dem aber freilich die Wärme und Kraft des bestimmten<lb/> individuellen Daseins nicht fehlen dürfen. Indessen hat die neueste Zeit wenig<lb/> Derartiges entstehen sehen. In Köln war die Gattung überhaupt schwach ver¬<lb/> treten. Cin Bild von C. Naht (Wien), das Samson und Delila in lebendiger<lb/> Anordnung und nicht unedler Bewegung mit der glühenden Tiefe der Colorits,<lb/> die dem Meister eigen ist, darstellt, datirt aus früheren Jahren. Eine Judith,<lb/> die dem Bolle das Haupt des Holofernes zeigt, von Heckel (München) war zu<lb/> mittelmäßig, um beachtet zu werden. Cin Hiob von Muhr zog den Gegenstand,<lb/> dem eine allgemein-menschliche Größe nicht fehlt, durch eine anspruchsvoll<lb/> bunte Behandlung und eine gesuchte Charakteristik in's Gewöhnliche herab.<lb/> I. Niessen (jetzt in Weimar) hat sich in der jüngsten Zeit durch verschiedene<lb/> alttestamentarische Gemälde einen Namen gemacht; doch war sein Bild in Köln<lb/> zu sichtbar auf schlagende Wirkung angelegt, der Borgang durch den kolossalen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbote» II. I«62. ^</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0105]
dieser Weise hat H. Mücke (Düsseldorf) das Leben des heil. Meinrad von Zol¬
lern in einem Cyklus von Gemälden dargestellt; es war ihm hier um so mehr
Gelegenheit gegeben, kräftige, individuelle, lebensfrische Menschen zu bilden,
als er größtentheils wirkliche Vorgänge zu schildern und in seinen Figuren
Portraits lebender Personen anzubringen hatte. Der süße und mattherzige
Ausdruck, den alle Köpfe haben, die gezierte Bewegung der Körper, die manie-
rirte Behandlung: das Alles zeigt, w>e durch die Tradition der neuen christ¬
lichen Kunst die Anschauungsweise und die Hand des Malers auch sür solche
Stoffe verdorben sind. Bei einem „Martyrium des heil. Stephanus" von
I. Hübner (Dresden) merkt man wohl, daß es vornehmlich auf eine edle Kom¬
position und Bildung der Körper im Sinne der großen italienischen Meister
abgesehen ist; aber hier fehlt es wieder zu sehr an dem tieferen Verständniß
der Form und der gründlichen künstlerischen Uebung, als daß uns die Behand¬
lung für den abgestandenen Stoff entschädigen könnte.
Das alteTestament bietet auch jetzt noch dem Künstler dankbare Stosse; einNück-
blick zeigt, daß es nicht die schlechtesten Werte send, die unser Jahrhundert aus diesem
Gebiete hervorgebracht hat. Die Einkleidung der wirklichen Geschichte in ein
sagenhaftes, phantasievolles Gewand, die große und doch durchweg bildliche
Borstellungsweise des alten jüdischen Stammes, endlich das vertraute Verhält¬
niß des Beschauers zum Gegenstände: das Alles kommt der malerischen Dar¬
stellung zu Gute. Also deshalb ist diese Welt dem Künstler günstig, nicht, weil
sie der ahnungsvolle Schoos des Christenthums ist und auf dieses hinübcrweist.
Daher find uns die Abraham's/ die Propheten, die Judith, die Samson und
Delila noch immer willkommen, wenn nur der Maler diese Gestalten mit tüch¬
tigem Formen- und Farbensinn zum Leben herauszubilden versteht. Und zwar
wird hier der Beschauer weniger Anspruch auf derb-realistische Wahrheit machen,
als auf einen gewissen idealen Zug und Schwung, der ihn in das reine Be¬
reich der Kunst erhebt, dem aber freilich die Wärme und Kraft des bestimmten
individuellen Daseins nicht fehlen dürfen. Indessen hat die neueste Zeit wenig
Derartiges entstehen sehen. In Köln war die Gattung überhaupt schwach ver¬
treten. Cin Bild von C. Naht (Wien), das Samson und Delila in lebendiger
Anordnung und nicht unedler Bewegung mit der glühenden Tiefe der Colorits,
die dem Meister eigen ist, darstellt, datirt aus früheren Jahren. Eine Judith,
die dem Bolle das Haupt des Holofernes zeigt, von Heckel (München) war zu
mittelmäßig, um beachtet zu werden. Cin Hiob von Muhr zog den Gegenstand,
dem eine allgemein-menschliche Größe nicht fehlt, durch eine anspruchsvoll
bunte Behandlung und eine gesuchte Charakteristik in's Gewöhnliche herab.
I. Niessen (jetzt in Weimar) hat sich in der jüngsten Zeit durch verschiedene
alttestamentarische Gemälde einen Namen gemacht; doch war sein Bild in Köln
zu sichtbar auf schlagende Wirkung angelegt, der Borgang durch den kolossalen
Grenzbote» II. I«62. ^
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