Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Derselbe ist aber blos ein Nachkömmling des Jahres 1348, in welchem der
vorsichtige Commandant rasch und prompt die ganze Gegend rasiren ließ.
Dies kann auch jetzt, bei dem ersten Nothzeichen, in kürzester Frist geschehen,
dazu liegt Alles bereit und geordnet, bis auf das kleinste Handwerkzeug; binnen
einer Stunde können mehrere hundert Mann an der Arbeit des Fallens sein.
Ebenso herrscht die bewundernswürdigste Vorsorge und Accurateste hinsichtlich
des Proviants und der Munition; da man stets auf eine Ueberraschung ge¬
saßt ist, so will man eben nicht überrascht werden, und wird es hoffentlich "
auch nicht. Die Armirung der Wälle ist schon jetzt beinahe vollständig und
kann in einigen Stunden völlig completirt werden; das Zeughaus ist wohl ver¬
sehen und in musterhafter Ordnung; das Laboratorium der Artillerie steht unter
vortrefflicher Leitung. Die gesammten Anlagen und Dependenzen der Festungs¬
werke machen den Eindruck der Solidität und Sicherheit; derselbe wird ge¬
kräftigt durch das mannhafte Selbstgefühl der Besatzung und die Furchtlosigkeit
der Offiziere, die natürlich nichts sehnlicher herbeiwünschen, als die praktische
Probe für ihre Theorie.

Die Stadt Saarlouis hat genau das Ansehen der allerhöchst befohlenen
Städte mit ihrer langweiligen Regelmäßigkeit. Sie bildet so ziemlich ein
Quadrat, die Mitte ein großer, freier Platz, rings mit Alleen eingefaßt, an
welchem alle einigermaßen bedeutende Gebäude liegen. Kirche, Gouvernements-
Palast, Hauptmacht u. s. w. Dieser äußerst geräumige Platz dient zu den
Wachtparaden, außerdem als Marktort, zu Schaustellungen; er macht einen
guten Eindruck. Steht man in seiner Mitte, so sieht man recht deutlich,
wie klein die Stadt ist, denn durch ihre beiden einzigen Thore, das deutsche
und das französische (es gibt noch einige Ausfallpsorten) blickt man hinaus
in's Freie. Der Nebenstraßen sind außerdem so wenige, daß man sich fragt,
wo die 5000 Einwohner, das Militär ungezählt, wohnen. In der Haupt¬
straße, welche die beiden Hauptthore verbindet, so wie im ganzen Centrum
der Stadt, bestehen sämmtliche Erdgeschosse nur aus Verkaufsladen, Boutiquen,
Schenken; Beweis für den Verkehr, der an den Wochenmarkttagen wirklich ein
ganz außerordentlicher ist; von weit und breit holt das Landvolk, selbst fran¬
zösisches, seine Bedürfnisse in Saarlouis. Es fällt aus, wenn man auf den
Firmenschildern gar nicht viele französische Namen liest; mehr aber noch, wenn
man die Aussprache der ächt deutschen vernimmt, so z. B. Hautz---Mr. Oos!
In der dem großen Platz parallelen Bierstraße, einem Quartiere, das der
Fremdenlegion in Algerien die meisten Recruten liefern soll, steht das Haus,
in welchem der Mann geboren ward, aus den Saarlouis stolz ist; eine ein¬
fache Tafel bezeichnet es mit der Inschrift: lei tut u"e nar6eKg.1 Usz^. --
Als im vergangenen Jahr in Metz die Statue des Bravsten der Braven auf¬
gestellt wurde -- beiläufig gesagt, ein ebenso wirksames, als theatralisch ge-


Grenzboten I. 1S62. 9

Derselbe ist aber blos ein Nachkömmling des Jahres 1348, in welchem der
vorsichtige Commandant rasch und prompt die ganze Gegend rasiren ließ.
Dies kann auch jetzt, bei dem ersten Nothzeichen, in kürzester Frist geschehen,
dazu liegt Alles bereit und geordnet, bis auf das kleinste Handwerkzeug; binnen
einer Stunde können mehrere hundert Mann an der Arbeit des Fallens sein.
Ebenso herrscht die bewundernswürdigste Vorsorge und Accurateste hinsichtlich
des Proviants und der Munition; da man stets auf eine Ueberraschung ge¬
saßt ist, so will man eben nicht überrascht werden, und wird es hoffentlich "
auch nicht. Die Armirung der Wälle ist schon jetzt beinahe vollständig und
kann in einigen Stunden völlig completirt werden; das Zeughaus ist wohl ver¬
sehen und in musterhafter Ordnung; das Laboratorium der Artillerie steht unter
vortrefflicher Leitung. Die gesammten Anlagen und Dependenzen der Festungs¬
werke machen den Eindruck der Solidität und Sicherheit; derselbe wird ge¬
kräftigt durch das mannhafte Selbstgefühl der Besatzung und die Furchtlosigkeit
der Offiziere, die natürlich nichts sehnlicher herbeiwünschen, als die praktische
Probe für ihre Theorie.

Die Stadt Saarlouis hat genau das Ansehen der allerhöchst befohlenen
Städte mit ihrer langweiligen Regelmäßigkeit. Sie bildet so ziemlich ein
Quadrat, die Mitte ein großer, freier Platz, rings mit Alleen eingefaßt, an
welchem alle einigermaßen bedeutende Gebäude liegen. Kirche, Gouvernements-
Palast, Hauptmacht u. s. w. Dieser äußerst geräumige Platz dient zu den
Wachtparaden, außerdem als Marktort, zu Schaustellungen; er macht einen
guten Eindruck. Steht man in seiner Mitte, so sieht man recht deutlich,
wie klein die Stadt ist, denn durch ihre beiden einzigen Thore, das deutsche
und das französische (es gibt noch einige Ausfallpsorten) blickt man hinaus
in's Freie. Der Nebenstraßen sind außerdem so wenige, daß man sich fragt,
wo die 5000 Einwohner, das Militär ungezählt, wohnen. In der Haupt¬
straße, welche die beiden Hauptthore verbindet, so wie im ganzen Centrum
der Stadt, bestehen sämmtliche Erdgeschosse nur aus Verkaufsladen, Boutiquen,
Schenken; Beweis für den Verkehr, der an den Wochenmarkttagen wirklich ein
ganz außerordentlicher ist; von weit und breit holt das Landvolk, selbst fran¬
zösisches, seine Bedürfnisse in Saarlouis. Es fällt aus, wenn man auf den
Firmenschildern gar nicht viele französische Namen liest; mehr aber noch, wenn
man die Aussprache der ächt deutschen vernimmt, so z. B. Hautz---Mr. Oos!
In der dem großen Platz parallelen Bierstraße, einem Quartiere, das der
Fremdenlegion in Algerien die meisten Recruten liefern soll, steht das Haus,
in welchem der Mann geboren ward, aus den Saarlouis stolz ist; eine ein¬
fache Tafel bezeichnet es mit der Inschrift: lei tut u«e nar6eKg.1 Usz^. —
Als im vergangenen Jahr in Metz die Statue des Bravsten der Braven auf¬
gestellt wurde — beiläufig gesagt, ein ebenso wirksames, als theatralisch ge-


Grenzboten I. 1S62. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113315"/>
          <p xml:id="ID_213" prev="#ID_212"> Derselbe ist aber blos ein Nachkömmling des Jahres 1348, in welchem der<lb/>
vorsichtige Commandant rasch und prompt die ganze Gegend rasiren ließ.<lb/>
Dies kann auch jetzt, bei dem ersten Nothzeichen, in kürzester Frist geschehen,<lb/>
dazu liegt Alles bereit und geordnet, bis auf das kleinste Handwerkzeug; binnen<lb/>
einer Stunde können mehrere hundert Mann an der Arbeit des Fallens sein.<lb/>
Ebenso herrscht die bewundernswürdigste Vorsorge und Accurateste hinsichtlich<lb/>
des Proviants und der Munition; da man stets auf eine Ueberraschung ge¬<lb/>
saßt ist, so will man eben nicht überrascht werden, und wird es hoffentlich "<lb/>
auch nicht. Die Armirung der Wälle ist schon jetzt beinahe vollständig und<lb/>
kann in einigen Stunden völlig completirt werden; das Zeughaus ist wohl ver¬<lb/>
sehen und in musterhafter Ordnung; das Laboratorium der Artillerie steht unter<lb/>
vortrefflicher Leitung. Die gesammten Anlagen und Dependenzen der Festungs¬<lb/>
werke machen den Eindruck der Solidität und Sicherheit; derselbe wird ge¬<lb/>
kräftigt durch das mannhafte Selbstgefühl der Besatzung und die Furchtlosigkeit<lb/>
der Offiziere, die natürlich nichts sehnlicher herbeiwünschen, als die praktische<lb/>
Probe für ihre Theorie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_214" next="#ID_215"> Die Stadt Saarlouis hat genau das Ansehen der allerhöchst befohlenen<lb/>
Städte mit ihrer langweiligen Regelmäßigkeit. Sie bildet so ziemlich ein<lb/>
Quadrat, die Mitte ein großer, freier Platz, rings mit Alleen eingefaßt, an<lb/>
welchem alle einigermaßen bedeutende Gebäude liegen. Kirche, Gouvernements-<lb/>
Palast, Hauptmacht u. s. w. Dieser äußerst geräumige Platz dient zu den<lb/>
Wachtparaden, außerdem als Marktort, zu Schaustellungen; er macht einen<lb/>
guten Eindruck. Steht man in seiner Mitte, so sieht man recht deutlich,<lb/>
wie klein die Stadt ist, denn durch ihre beiden einzigen Thore, das deutsche<lb/>
und das französische (es gibt noch einige Ausfallpsorten) blickt man hinaus<lb/>
in's Freie. Der Nebenstraßen sind außerdem so wenige, daß man sich fragt,<lb/>
wo die 5000 Einwohner, das Militär ungezählt, wohnen. In der Haupt¬<lb/>
straße, welche die beiden Hauptthore verbindet, so wie im ganzen Centrum<lb/>
der Stadt, bestehen sämmtliche Erdgeschosse nur aus Verkaufsladen, Boutiquen,<lb/>
Schenken; Beweis für den Verkehr, der an den Wochenmarkttagen wirklich ein<lb/>
ganz außerordentlicher ist; von weit und breit holt das Landvolk, selbst fran¬<lb/>
zösisches, seine Bedürfnisse in Saarlouis. Es fällt aus, wenn man auf den<lb/>
Firmenschildern gar nicht viele französische Namen liest; mehr aber noch, wenn<lb/>
man die Aussprache der ächt deutschen vernimmt, so z. B. Hautz---Mr. Oos!<lb/>
In der dem großen Platz parallelen Bierstraße, einem Quartiere, das der<lb/>
Fremdenlegion in Algerien die meisten Recruten liefern soll, steht das Haus,<lb/>
in welchem der Mann geboren ward, aus den Saarlouis stolz ist; eine ein¬<lb/>
fache Tafel bezeichnet es mit der Inschrift: lei tut u«e nar6eKg.1 Usz^. &#x2014;<lb/>
Als im vergangenen Jahr in Metz die Statue des Bravsten der Braven auf¬<lb/>
gestellt wurde &#x2014; beiläufig gesagt, ein ebenso wirksames, als theatralisch ge-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1S62. 9</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0073] Derselbe ist aber blos ein Nachkömmling des Jahres 1348, in welchem der vorsichtige Commandant rasch und prompt die ganze Gegend rasiren ließ. Dies kann auch jetzt, bei dem ersten Nothzeichen, in kürzester Frist geschehen, dazu liegt Alles bereit und geordnet, bis auf das kleinste Handwerkzeug; binnen einer Stunde können mehrere hundert Mann an der Arbeit des Fallens sein. Ebenso herrscht die bewundernswürdigste Vorsorge und Accurateste hinsichtlich des Proviants und der Munition; da man stets auf eine Ueberraschung ge¬ saßt ist, so will man eben nicht überrascht werden, und wird es hoffentlich " auch nicht. Die Armirung der Wälle ist schon jetzt beinahe vollständig und kann in einigen Stunden völlig completirt werden; das Zeughaus ist wohl ver¬ sehen und in musterhafter Ordnung; das Laboratorium der Artillerie steht unter vortrefflicher Leitung. Die gesammten Anlagen und Dependenzen der Festungs¬ werke machen den Eindruck der Solidität und Sicherheit; derselbe wird ge¬ kräftigt durch das mannhafte Selbstgefühl der Besatzung und die Furchtlosigkeit der Offiziere, die natürlich nichts sehnlicher herbeiwünschen, als die praktische Probe für ihre Theorie. Die Stadt Saarlouis hat genau das Ansehen der allerhöchst befohlenen Städte mit ihrer langweiligen Regelmäßigkeit. Sie bildet so ziemlich ein Quadrat, die Mitte ein großer, freier Platz, rings mit Alleen eingefaßt, an welchem alle einigermaßen bedeutende Gebäude liegen. Kirche, Gouvernements- Palast, Hauptmacht u. s. w. Dieser äußerst geräumige Platz dient zu den Wachtparaden, außerdem als Marktort, zu Schaustellungen; er macht einen guten Eindruck. Steht man in seiner Mitte, so sieht man recht deutlich, wie klein die Stadt ist, denn durch ihre beiden einzigen Thore, das deutsche und das französische (es gibt noch einige Ausfallpsorten) blickt man hinaus in's Freie. Der Nebenstraßen sind außerdem so wenige, daß man sich fragt, wo die 5000 Einwohner, das Militär ungezählt, wohnen. In der Haupt¬ straße, welche die beiden Hauptthore verbindet, so wie im ganzen Centrum der Stadt, bestehen sämmtliche Erdgeschosse nur aus Verkaufsladen, Boutiquen, Schenken; Beweis für den Verkehr, der an den Wochenmarkttagen wirklich ein ganz außerordentlicher ist; von weit und breit holt das Landvolk, selbst fran¬ zösisches, seine Bedürfnisse in Saarlouis. Es fällt aus, wenn man auf den Firmenschildern gar nicht viele französische Namen liest; mehr aber noch, wenn man die Aussprache der ächt deutschen vernimmt, so z. B. Hautz---Mr. Oos! In der dem großen Platz parallelen Bierstraße, einem Quartiere, das der Fremdenlegion in Algerien die meisten Recruten liefern soll, steht das Haus, in welchem der Mann geboren ward, aus den Saarlouis stolz ist; eine ein¬ fache Tafel bezeichnet es mit der Inschrift: lei tut u«e nar6eKg.1 Usz^. — Als im vergangenen Jahr in Metz die Statue des Bravsten der Braven auf¬ gestellt wurde — beiläufig gesagt, ein ebenso wirksames, als theatralisch ge- Grenzboten I. 1S62. 9

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/73
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/73>, abgerufen am 23.07.2024.